Dienstag, 30. Juni 2009

Mittelmäßig, aber besser als ihr Ruf


Was haben die Städte Madrid, Rom, Belgrad, Warschau oder New York City gemeinsam?
Nun, bei dem alljährlich stattfindenden, internationalen Städtevergleich der Unternehmensberaterfirma William M. Mercer schneiden diese Städte alle schlechter ab als die portugiesische Hauptstadt Lissabon!

Das 1937 gegründete Unternehmen Mercer, das seinen Hauptsitz in New York hat, und rund 14000 Mitarbeiter beschäftigt, ist in 40 Staaten und 215 Städten vertreten. Die Beschäftigten mussten, wie jedes Jahr, ein Fragebogen ausfüllen, um festzustellen welche Erschwerniszulagen für ihre im Ausland tätigen Mitarbeiter angemessen sind.
Gefragt wurde nach insgesamt 39 Faktoren, wie z.B. unter anderem, die generelle Lebensqualität, die politische Stabilität, die Bankdienstleistungen, die Freiheitsrechte, die Gesundheitsversorgung, die Schulen, die Restaurants, die Theater, die Wasserversorgung, die Einkaufsmöglichkeiten, die Kriminalitätsrate und die Lage auf dem Immobilienmarkt.

Von 215 Städten erreichte Lissabon einen beachtlichen 44. Platz, und ließ Städte wie Rom, Madrid, New York, Athen, Warschau und Mexico City zurück.
Die Top 5 sind, laut Mercer, die Städte Wien, Zürich, Vancouver, Sydney und Genf.
Frankfurt ist mit dem 6. Platz die deutsche Stadt mit der besten Lebensqualität. München ist auf Rang 10, Düsseldorf auf Platz 15 und Berlin nur auf Platz 22.
Auf Platz 215, und somit auf dem letzten Platz, rangiert die kongolesische Stadt Brazzaville.

Aber seien wir einmal ehrlich:
wer von uns will schon in den Kongo, nach Brazzaville?!?

Beleidiungen sind erwünscht


Letztes Wochenende hat im Norden Portugals, in der Nähe der Stadt Braga, eine neue Szenebar ihre Türen geöffnet, die ihresgleichen in Portugal sucht.

In dieser Bar darf und kann der Gast, wenn er sein Bierchen bestellt hat, die Kellner und Kellnerinnen nach Lust und Laune mit Schimpfwörtern beleidigen.
Das Beleidigen der Angestellten ist nicht nur erwünscht und wird erwartet, sondern kann dem Gast auch Vorteile bringen.
Denn, wer die originellste Beleidigung von sich gibt, bekommt sein Getränk sogar spendiert.
Wer allerdings andere Gäste Beleidigt, fliegt raus!

Die Grundidee dieser Bar, die ihr Vorbild in einigen US-Szenebars New Yorks hat, ist es, das die Kunden, nach einem harten und gestressten Arbeitstag, hierher kommen können, um sich ihrem angestauten Frust zu entledigen, indem sie sich nämlich frei von der Leber weg, alles das rausbrüllen, was sie vielleicht ihren Chefs oder ihren Kollegen gerne persönlich sagen würden, sich aber nicht trauen.

In einer Zeit von weltweiter Wirtschaftskrise und ansteigenden Arbeitslosenzahlen, gibt es anscheinend nichts Besseres um die angestaute Frustration loszuwerden, als die Angestellten mit Schimpfwörtern zu titulieren; Schimpfwörter die in der portugiesischen Sprache ja so reichlich und originell vorhanden sind.

Nach einem Kneipenbesuch kann man dann beruhigt und stressfrei wieder nach hause fahren, und sich ganz und gar seiner lieben Familie widmen.
Das Konzept scheint zu greifen, denn die Bar ist seit ihrer Eröffnung jeden Tag gerammelt voll.
Und fast alle Gäste behaupten, dass nach dem Beschimpfen des Personals, sie sich viel besser und freier fühlen.

Montag, 29. Juni 2009

Auf und nieder, immer wieder…




Wenn man sich Lissabon auf einer Stadtkarte anschaut, dann kann man, wenn man ein wenig Gefühl für Raum und Entfernung hat, sich ungefähr vorstellen welche Größe Lissabon hat, wenn es sich von Alges im Westen bis nach Moscavide im Osten, und von Odivelas im Norden bis zum Ufer des Tejo im Süden erstreckt.

Was man sich allerdings keineswegs vorstellen kann, wenn man noch nie hier in Lissabon war, ist wie uneben und hügelig die Hauptstadt in Wirklichkeit ist.

Als vor Jahren meine Freunde Sabine und Marcel, hier bei mir zu Besuch waren, hat sich Sabine darüber gewundert, wie „bergig" Lissabon eigentlich ist.
Nun, Lissabon mag vielleicht nicht „bergig" sein, aber hügelig ist meine Heimatstadt schon.
Wer nicht gut zu Fuß ist, wird große Probleme haben diese Stadt zu erobern. Denn manchmal geht es ziemlich steil bergauf, bzw. bergab.

Lissabon erstreckt sich auf insgesamt sieben alten, historischen Hügeln (colinas), von denen die Colina do Castelo (der Burghügel) mit ca. 120 m Höhe, die höchste Erhebung ist.
Die anderen Hügel sind
die Colina de São Roque (Sankt Rochushügel),
die Colina das Chagas (Hügel der Wundmale Christi),
die Colina de Santana (Hügel der Heiligen Ana),
die Colina de Santa Catarina (Hügel der Heiligen Catarina),
die Colina de Santo André (Sankt Andreashügel) und
die Colina de São Vicente (Sankt Vinzenzhügel).

Der dicht bewaldete Monsantohügel gehörte früher nicht zum Stadtgebiet. Aber da Lissabon mit der Zeit immer größer wurde und sich immer weiter ausdehnte, gehört er heute zum Stadtbild, so wie die anderen sieben historischen Hügel.

So beschwerlich es auch manchmal ist, Lissabon zu „erlaufen", so ist die Tatsache, das Lissabon so hügelig ist, mit zwei angenehmen „Nebeneffekten" verbunden.
Zum einen gibt es in der Stadt die typischen Aufzüge (elevadores) und natürlich hat man von jedem Hügel einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt, von den einzigartigen Aussichtspunkten (miradoures).

Sowohl über die Aufzüge (elevadores) als auch über die Aussichtspunkte (miradoures) werde ich demnächst ein post schreiben.

Maurisches Erbe


Die portugiesische Sprache ist sehr komplex.
Sie mag vielleicht Grammatisch nicht allzu schwer sein, so wie spanisch oder französisch, aber in ihrer Aussprache ist sie eine sehr diffizile Sprache.
Das heißt, man kann leicht die portugiesische Sprache erlernen, aber nur mit viel Mühe ihre richtige Aussprache beherrschen.
Mein Schwager Egbert kann leider davon ein Liedchen singen…

Portugiesisch ist eine eigene romanische Sprache, so wie italienisch, spanisch oder französisch. Portugiesisch sieht geschrieben sogar ähnlich aus wie spanisch, wird aber ganz anders ausgesprochen, ist viel melodischer und voller nasaler Laute.
Die Wurzeln der portugiesischen Sprache liegen im lusitanischen Vulgärlatein, der Sprache der Lusitanier, den ersten Menschen die das heutige Portugal besiedelten.
Deshalb spricht der Portugiese, wenn er heute von seiner Sprache redet, oft auch von der „lingua lusa", also der „lusitanischen Sprache".

Alle Völker die nach den Lusitaniern das heutige Portugal bevölkerten, hinterließen im portugiesischen Wortschatz einige ihrer Wörter (die einen mehr, die anderen weniger) und bereicherten somit die portugiesische Sprache immens.

Zuerst waren da die Römer, dann kamen die Westgoten, danach für knapp 500 Jahre die Araber und auch die Juden.
Die Franzosen, die Engländer und minimal auch die Deutschen (bitte lesen sie hierzu auch mein post „Portugiesisch-Deutsch / Deutsch-Portugiesisch"), hinterließen ebenso in der portugiesischen Sprache im laufe der Jahrhunderte ihre Zeichen.
Aber auch die Indianer Südamerikas, die Inder, Japaner, Chinesen und Afrikaner bereicherten den portugiesischen Wortschatz sehr, vor allem mit den Namen von Naturereignissen, Pflanzen und Tieren.

Aber keine Volksgruppe, außer den Lusitaniern natürlich, hat so viel zur portugiesischen Sprache beigetragen, wie die arabischen Mauren. Schätzungsweise 5% aller portugiesischen Wörter gehen heute auf die Mauren zurück.

Die Mauren herrschten für knapp 500 Jahre auf der Iberischen Halbinsel. Und unter ihrer Herrschaft blühte Lusitanien regelrecht auf.
Die arabische Architektur, die Kunst und Literatur suchten damals in der zivilisierten Welt ihres Gleichen.
So sind z.B. die Azulejos, die bunten Kacheln, die abertausende, einfache Häuser, Kirchen und Paläste auch heute noch schmücken, eine Gabe der arabischen Mauren.

Folgend nun einige Wörter, die arabischen Ursprungs sind, die ihren Weg in die portugiesische Sprache gefunden haben und die heute wie selbstverständlich als urportugiesisch gelten:

Portugiesische Wörter, mit arabischem Ursprung:
(zuerst das portugiesische Wort und dann in Klammern zuerst das arabische Wort und dann die deutsche Übersetzung)

· açorda (athurd / eine Brotsuppe)
· açúcar (assukar / wortwörtlich übersetzt: süßer Sandkorn)
· Albufeira (al-buhera / See; eine Stadt in der Algarve)
· Alcântara (al-quantara / Brücke: ein Lissabonner Stadtteil)
· alcatifa (alkatifa / Teppich)
· alcofa (alkuffa / Korb)
· alface al-khaç / Salatkopf)
· alfaiate (al-khayyât / Schneider)
· Alfama (al-khama / heißes Wasser; ein Lissabonner Stadtteil)
· algarismo (alkawarizmi / Zahl)
· Algarve (al-gharb / der Westen; Provinz im Süden Portugals)
· algema (aljami'a / Fesseln, Handschellen)
· algibeira (al-jabîra / Tasche, Hosentasche)
· algodão (alkutun / Watte)
· alguidar (alqidr / eine tiefe Keramikschüssel)
· Almada (Hisn al-Madin / Burg, Festung; eine Stadt in der Nähe von Lissabon)
· almofada (almukhadda / Kopfkissen)
· Alvalade (al-balat / ummauerter Platz; ein Lissabonner Stadtteil)
· armazém (al-Makhzan / Lager, Lagerhalle)
· azulejo (al-zuleij / bunter Stein)
· garrafa (karafâ / Flasche)
· Guadiana (al-uadi-ana / ein Grenzfluss in Südportugal)
· javali (jabali / Wildschwein)
· laranja (naranj / Orange)
· laranjeira (naranji / Orangenbaum)
· lezíria (al-jaza'ir / Inseln)
· limão (laimun / Zitrone)
· limoeiro (laimuni / Zitronenbaum)
· Lisboa (al-ushbuna / liebliche Bucht; Lissabon)
· nora (na'ûra / Schwiegertochter)
· oxalá (in-shallah / so Gott will)
· Palmela (balmallah – im Namen Gottes; Stadt in Mittelportugal)
· salamaleque (as-salam-alaik / Der Friede sei mit Dir)
· saloio (çahroi / Bauer)
· tambor (tanbur / Trommel, Tamburin)
· xadrez (xatranj / Schach, Schachspiel)
· xarope (sharab / Hustensaft, Sirup)
· xerife (xeriffa / Sheriff)
· xeque (xekkur / Schachmatt)

Dies hier sind nur ein Bruchteil der arabischen Wörter, die im portugiesischen Wortschatz ein zuhause gefunden haben.

Da ist es wirklich kein Wunder, das der Portugiese sich im Nahen Marokko, auf der anderen Seite der Straße von Gibraltar, ohne große Probleme auf dem Bazar kommunikativ zurechtfindet.

Die Burricadas von Cacilhas


An diesem Samstag, dem 27. Juni 2009, fanden in Almada, im Ortsteil Cacilhas, wieder die traditionellen „Burricadas", zur Gaudi der einheimischen Bevölkerung und vieler Touristen, statt.

Die Burricadas, vom portugiesischen Wort für Esel „burro" abgeleitet, sind ursprünglich Ausritte auf Eseln, die ihren Anfang Ende des 19. Jahrhunderts nahmen.
Damals war es zwischen den wohlhabenden Bürger Lissabons sehr in, an den Wochenenden mit ihren Familien eine Bootsfahrt auf die andere Tejoseite, nach Cacilhas, zu unternehmen.
In Cacilhas angekommen, warteten dann schon die, meistens aus dem nahen Alentejo stammenden, einfachen Bauern („burriqueiros") auf sie, um sie mit ihren Eseln auf das Plateau Almadas zu bringen (dort wo sich heute die Christusstatue Cristo Rei erhebt), wo sie sich dann die frische Seeluft um die Nase wehen ließen.

Auf dem Weg zum Plateau kehrten die Bauern und Eseltreiber, aber auch ihre Gäste, in verschiedenen Tavernen („tabernas") und Kneipen („tascas") ein, um alle dann gemeinsam, bei einem guten Wein ihren Durst zu löschen und sich mit essbaren Leckereien („petiscos") zu stärken. Frisch gestärkt und gut gelaunt, stand jetzt dem Feiern nichts mehr im Wege. Und so wurden die Burricadas schnell zu einem der beliebtesten Ereignisse der Städter der damaligen Zeit.

Als die Esel dann von Autos verdrängt wurden, starben die Burricadas langsam aus; genauso wie die Esel.
Während noch in meiner Kindheit überall, selbst in den Großstädten, Esel anzutreffen waren, so sind sie heute nur noch selten anzutreffen.
Vor genau vier Jahren hat nun die Associação Amigos da Cidade de Almada (Verein der Freunde der Stadt Almada) diese traditionellen Eselsritte wieder ins Leben gerufen, und somit die Esel regelrecht aus der Versenkung geholt.

Einmal im Jahr werden nun dutzende Menschen, zumeist Kinder, auf Eseln von Cacilhas in die Stadtmitte von Almada gebracht, und unterwegs tun sich Kinder und Erwachsene in eigens dafür errichteten Fressbuden und Straßencafés, stärken.
Musik-, Tanz-, Aktions- und Animationsbühnen, die über den ganzen Weg von Cacilhas bis nach Almada verstreut aufgebaut sind, sorgen für das richtige Ambiente.

Und so sind heute wie damals, dem Feiern keine Grenzen gesetzt.

Samstag, 27. Juni 2009

Vom Elbtal ins Sintragebierge
















Wie ich heute den hiesigen Nachrichten entnehmen konnte, hat die UNESCO ihre Drohung tatsächlich wahr gemacht und das Dresdner Elbtal von der Welterbeliste gestrichen.

Somit ist das Dresdener Elbtal kein Weltkulturerbe mehr.
Das UNESCO-Welterbekomitee hat es gestern, 25.06.2009, bei seiner Sitzung im spanischen Sevilla von der Liste gestrichen.

Der Grund für die Aberkennung ist der umstrittene Bau der so genannten Waldschlösschenbrücke (wie kann etwas mit so einem schönen Namen, der Grund für so einen großen Verlust sein?).
Seit 2006 führte die UNESCO das Elbtal auf der Roten Liste der gefährdeten Weltkulturerbestätten, und trotzdem wurde nichts gegen eine drohende Aberkennung unternommen. Soweit ich mich erinnern kann, hatte die UNESCO schon im vergangenen Jahr Dresden mit der Aberkennung des Titels gedroht, wenn die Stadt auf den Bau der vielspurigen Autobrücke nicht verzichtet.
Aber es wurde fleißig weiter gebaut.
Ich glaube ganz Dresden und Sachsen haben geglaubt, das die UNESCO es niemals wagen würde ihnen den Titel abzuerkennen.
Selbst ich, hätte niemals gedacht dass die UNESCO zu so einem drastischen Schritt fähig wäre.

Diese Blamage hätte aber verhindert werden können, wenn man nur einen Tunnel anstatt der Brücke gebaut hätte. Somit ist die Entscheidung der UNESCO zwar traurig, aber konsequent, nachdem die Stadt Dresden trotzig am Weiterbau der Brücke festgehalten hat. Angesichts der Verletzung der geltenden Kriterien, auch von Deutschland damals mitunterschrieben, hatte die UNESCO-Kommission bei ihrer Entscheidung keine andere Wahl.

Jetzt fängt das große Lamentieren an. Viele bedauern auf einmal die Entscheidung der UNESCO, und würden am liebsten alles wieder rückgängig machen.
Zu recht!
Denn da gibt es Länder in der dritten Welt, die kaum finanzielle Mittel zur Verfügung haben, und es dennoch schaffen ihre Weltkulturstätten zu erhalten. Und dann kommen da das Kulturland Sachsen und die Kulturnation Deutschland, die sich dem Denkmal- und Naturschutz verschrieben haben, und bringen es nicht einmal fertig mit der UNESCO zu einer Einigung zu kommen.

Im Fernsehen habe ich die Oberbürgermeisterin (die Dame ist, glaube ich, von der CDU) sagen hören, das die Aberkennung des Titels zwar ein großer Verlust sei, aber das die Touristen weiterhin Dresden, ob mit oder ohne Titel, besuchen kommen würden. Da sei sie sich ganz, ganz sicher.

Nun Frau Oberbürgermeisterin, das ist so wie mit dem Christstollen. Natürlich kann man ihn auch ohne Rosinen backen, aber schmeckt er dann noch genauso gut? Und, ist er dann überhaupt noch ein original Dresdner Christstollen? Ich wäre mir da nicht so sicher!

Ich bin felsenfest der Meinung, Deutschland hat sich mit dem Bau dieser Brücke selbst einen riesigen Bärendienst erwiesen, aber der übrigen Welt einen großen Gefallen damit getan.

Warum?

Nun, die Nationen, die bis jetzt dachten, die UNESCO wäre nichts weiter als eine Papiertigerversammlung, wissen jetzt, dass dem nicht so ist.

Wir haben hier in Portugal mit dem malerischen Sintra und dem urigen Sintragebierge ein Kultur- und Naturwelterbe, dass immer häufiger bedroht wird, mit Neubauten zugebaut zu werden, obwohl es ein klares Verbot dazu gibt. Bis jetzt ging die Stadt Sintra sehr lasch mit diesem Verbot um.
Aber spätestens seit heute, wird sich jeder im Rathaus von Sintra zwei Mal überlegen, wenn er demnächst wieder ein Bauprojekt genehmigt.
Somit glaube ich, ist also der Verlust von Dresden, ein Gewinn für Sintra und all die anderen Kultur- und Naturerben der Welt die meinen, sie können mit dem Erbe einfach so umgehen wie es ihnen passt!
Nicht umsonst heißen die Titel „Weltkulturerbe“ und „Weltnaturerbe“. Es ist ein Erbe das wir intakt an unsere Kinder und Kindeskinder überall auf der Welt weiterreichen müssen!

Aber wenn man es sich richtig überlegt, dann hat Deutschland gestern nicht nur Pech gehabt.
Zwar wurde dem Elbtal der Titel Weltkulturerbe aberkannt, aber dafür konnte das Wattenmeer als neues Naturwelterbe in die Liste der UNESCO aufgenommen werden.

Wo verstarb Frau Wang?


Die Mutter eines chinesischen Ladenbesitzers, hier aus meinem Ort, ist vor Wochen, auf offener Straße zusammengebrochen. Sie war auf dem Weg zum Geschäft ihres Sohnes, der hier in Viertel einen kleinen chinesischen Krimskramsladen hat. Leider kam sie nie an!
Es muss so um die Osterzeit gewesen sein.

Als die Nachricht des Todes von Frau Wang ihre Familie erreichte, war sie bereits mit einem Krankenwagen der Feuerwehr in das Krankenhaus von Almada gebracht worden.

„Wo ist sie gestorben“ wollte der Sohn von Frau Wang wissen.
Vor ihrer Haustür?
Gegenüber der Pastelaria Rolo II?
An der Apotheke?
Bei Lidl, wo sie noch angeblich einkaufen gehen wollte?
Kurz vor seinem Krimskramsladen?
Schon im Krankenwagen oder erst im Krankenhaus?
Über mehrere Tage fragte der Sohn alle Menschen die ihm begegneten und die er kannte und die ihn kannten, ob sie ihm nicht sagen konnten wo genau seine Mutter verstorben war?
Mich hat er unter anderen auch gefragt. Aber ich konnte ihm diese Frage leider nicht beantworten. Keiner aus der Nachbarschaft und von seiner Kundschaft konnte ihm sagen wo seine Mutter genau verstorben war.

Es hat einen simplen Grund, warum der Sohn von Frau Wang unbedingt wissen musste, wo seine Mutter verstarb. Denn für Chinesen ist der Todesort eines nahen Familienangehörigen ein fast heiliger Ort.
Da Chinesen, bis auf ganz wenige Ausnahmen, immer großen Wert darauf legen in heimatlicher Erde bestattet zu werden, und somit die toten Körper immer in ihr Heimatland China ausgeflogen werden, bleibt für die Familienangehörigen, da sie ja dann im Ausland kein Grab des Verstorbenen haben an das sie gehen können, nur die Möglichkeit ihm am Ort seines Todes zu gedenken.

Da es in Europa keine chinesischen Friedhöfe gibt, (oder haben sie schon einmal auf einem deutschen Friedhof ein chinesisches Grab gesehen?) werden alle Leichensärge, europaweit von verschiedenen Fluggesellschaften nach London gebracht, dort „eingesammelt“, und dann einmal die Woche von der ChinaAir in Richtung Peking und Shanghai ausgeflogen.
Wüssten viele Passagiere, das wenn sie ab Lissabon, Frankfurt, Paris oder Brüssel in Richtung London fliegen, sich unter ihnen manchmal die Särge stapeln, dann glaube ich, würden viele nicht mitfliegen!

Das Geschäft der Familie Wang blieb 30 Tage geschlossen. So lange dauert bei den Chinesen die Trauerzeit. Aber da er nach 30 Tagen immer noch nicht wusste wo seine Mutter verstorben war, blieb das Geschäft noch ein Mal 30 Tage geschlossen. Der Sohn von Frau Wang konnte nicht ruhigen Gewissens sein Geschäft eröffnen, solange ihm keiner sagen konnte wo seine Mutter verstorben war.

Zu sagen „keiner konnte ihm sagen wo seine Mutter verstorben war“ entspricht nicht ganz der Wahrheit.
Denn die Feuerwehrleute, die seine Mutter ins Krankenhaus transportiert hatten, mussten ja wissen, wo sie die alte Frau Wang gefunden hatten.
Warum die Feuerwehr von Almada dem Sohn von Frau Wang aber nicht sagte wo sie seine Mutter aufgefunden hatten, bleibt bis heute ein Geheimnis.

Natürlich kursierten hier in der Nachbarschaft alsbald die wildesten Gerüchte: die einen meinten die Feuerwehr würde den Fundort der Leiche nicht verraten, weil sie die „Privatsphäre“ der Toten nicht verletzen wollten.
Andere meinten die Feuerwehr rücke nicht mit dem Fundort heraus, weil sie befürchteten gerichtlich vom Sohn auf irgendeine Art und Weise belangt zu werden.
Wiederum andere meinten Frau Wang hätte ein finsteres Geheimnis, weil ihr Sohn in „schmutzigen Geschäften“ verwickelt sei. Und andere Lästermäuler meinten sogar die Familie Wang stecke mit der chinesischen Mafia unter einer Decke.
Vielleicht sollte ich hier erwähnen, dass Frau Wang, so um die 75 Jahre alt war, und ihre Familie schon seit über 40 Jahren hier in Almada lebt. Ihre Söhne und ihre Enkelkinder sind alle hier in Portugal geboren!

Diese Geschichte die ich hier erzähle, ist mir heute wieder eingefallen, weil ich im Fernsehen gesehen habe, wie ein Kapitän der brasilianische Marine in einem Interview sagte, das, obwohl seit einer Woche keine neuen Leichen des Flugzeugunglücks der Air France 447 im Atlantik gefunden wurden, sie die Suche aus Respekt vor den Angehörigen der Opfer weiter fortführen werde, auch wenn Fachleute meinten die Wahrscheinlichkeit noch Leichen zu finden, wären gleich null.

Wenn ich die Macht und die Möglichkeit hätte, würde ich gerne den Feuerwehrhauptmann, hier aus Almada, mit dem Kapitän der brasilianischen Marine bekannt machen.
Vielleicht könnte dann dieser dem anderen klar machen, was es heißt nicht nur Tote, sondern auch trauernde Familienangehörige und Freunde mit Respekt und Anstand zu behandeln.

Da suchen 4 Schiffe, 1 U-Boot und ein paar Flugzeuge den ganzen Atlantik, dem zweitgrößten Ozean der Welt, nach den Überresten von 228 Leichen ab, und hier in Almada schafft es über Wochen ein Feuerwehrhauptmann noch nicht einmal, nach einem Telefon zu greifen und einem trauernden Sohn zu sagen, wo dessen Mutter verstorben ist.

Aber Gott sei Dank haben sich ein paar pfiffige Anwohner dem Fall angenommen und selbst Recherchen erstellt um herauszufinden wo Frau Wang verstorben ist.
Durch eine Arzthelferin, die hier im Ärztehaus in Feijó arbeitet, und die eine Krankenschwester kennt, die im Krankenhaus arbeitet, wo Frau Wang verstarb, die wiederum selbst einen der Feuerwehrmänner kennt die Frau Wang damals eingeliefert hatten, konnte man nun endlich vor kurzem herausfinden wo denn Frau Wang gefunden wurde als sie starb.

Frau Wang wurde in der Rua Garcia Resende, an der Grundschule, schon am Boden liegend, aufgefunden. Laut des Feuerwehrmanns verstarb sie dann noch im Krankenwagen, bevor sie im Krankenhaus ankam.
An der Grundschule liegen jetzt fast täglich ein paar frische Blumen und eine kleine Kerze auf dem Boden.

Und endlich, endlich konnte Herr Wang sein Krimskramsgeschäft wieder eröffnen!

Freitag, 26. Juni 2009

Portugiesisch-Deutsch / Deutsch-Portugiesisch


In diesem post widme ich mich voll und ganz der portugiesischen Sprache. Wie schon im post "Vasistas" beschrieben, wollte ich einmal herausfinden, welche deutschen Wörter wir in der portugiesischen Sprache besitzen, und die wir auch ohne viel zu überlegen, tagtäglich benutzen.

Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, das man die Anzahl dieser Wörter an den Fingern einer Hand abzählen kann.
Es gibt zwar eine Menge automobilspezifischer (diesel, kombi, volkswagen, autobus), militärspezifischer (stuka, von Sturzkampfflugzeug, blitz, von Blitzkrieg) und naturwissenschaftlicher (gás, niquel, cobalto) Wörter, aber die zähle ich nicht dazu.
Was ich meine sind Wörter wie hamster, valsa, chope, chique und bulevar. Alles Wörter die, mit den Jahren, den portugiesischen Wortschatz bereichert haben indem sie „verportugiesierten“ .


- Wenn der Portugiese von „hamster“ redet, dann meint er auch einen Hamster. Der Name Hamster ist dadurch entstanden, das der Nager, von dem wir hier sprechen, die Angewohnheit hat Nahrungsmittel in seinen Backen zu „hamstern“. Soviel ich weiß, ist der Hamster das einzige Tier, welcher deutscher Name in die portugiesische Sprachwelt eingegangen ist.

- Dann wäre da der „valsa“. Mit „valsa“ tituliert der Portugiese die Musik und den Tanz im ¾ Takt. Der Walzer ist zwar ein österreichische Erfindung, aber ein deutschsprachiges Wort.

- Das Wort „chope“ stammt vom deutschen, besser gesagt hessischen, Wort Schoppen ab. Mit Schoppen meint der Hesse für gewöhnlich eine Maßeinheit (in etwa ½ Liter) für den Apfelwein. Hier in Nordportugal ist aber ein „chope“ ein kühles Bierchen.

- Genauso wie die Franzosen und Deutschen finden wir etwas gut Aussehendes einfach nur „chique“. Es handelt sich hierbei aber nicht um ein französisches Wort, auch wenn viele das glauben. Denn „chique“ wird ursprünglich aus dem deutschen Wort „schicklich“ abgeleitet. Etwas was sich schickt, ist etwas Ansehnliches, also „chique“.

- Ein anderes Wort, von dem viele meinen es wäre auch ein französisches, ist das Wort „bulevar“. Zwar gibt es das französische Wort boulevard, aber dieses selbst stammt von dem deutschen Wort „Bollwerk“ ab. Boulevard ist einfach nur die Art und Weise, wie die Franzosen Bollwerk aussprachen, als zu Zeiten von Ludwig XIV die Deutschen ein Bollwerk um Straßburg bauten, und diesen dann hinter Bäumen versteckten. Das Bollwerk wurde mit der Zeit überflüssig, die Bäume aber blieben. Der boulevard war geboren.


Bei Gelegenheit werde ich dann mal, in einem neuen post, von portugiesischen Wörtern schreiben, die ihren Weg in den deutschen Wortschatz gefunden haben.

Die glorreiche Erfindung der Klobürste


In dem vorhergehenden post „Wehmut nach Wixhausen“ habe ich beiläufig erwähnt, die Portugiesen hätten die Klobürste erfunden.
Nun, vielleicht halten sie das für einen schlechten Scherz, aber dem ist wirklich so.
Ich werde jetzt versuchen, sehr behutsam und ohne Fäkaliensprache, zu erzählen wie es zu dieser weltbewegenden Erfindung kam.

Im post „So war die Seefahrt im Zeitalter der Entdeckungen wirklich“ habe ich versucht dem Leser zu verdeutlichen wie das Leben auf hoher See zur Zeit der portugiesischen Entdeckungsfahrten in etwa aussah.
In einem Absatz beschreibe ich auch die sanitären Bedingungen an Bord einer Karavelle.

Die hygienischen Verhältnisse an Bord waren alles andere als ausreichend. An unseren heutigem Standart gemessen, waren sie sogar katastrophal!

Wer an Bord eines Seglers einmal sein Geschäft verrichten musste, musste das an der Reling tun. War das Geschäft dann erledigt, putze man sich an einem Lappen ab, der an einem Stock befestigt war, dem so genannten Pinsel.
Dieser Lappen und der Stock wurden im Wasser, an einem Tau, hinter dem Segler, hergezogen.
Dieser Lappen und der Stock an dem er hing, war der erste Prototyp der heutigen Klobürste.

Fiel nun ein Besatzungsmitglied, bei rauer und stürmischer See ins Wasser, so blieb ihm, wenn auch äußerst widerstrebend, nur eins übrig:
zu versuchen sich am Lappen festzuhalten.

Ich weiß nicht, aber wahrscheinlich fassen wir deshalb heute noch so ungern eine Klobürste an, weil wir im tiefsten Unterbewusstsein und eingestehen, das wir hoffen, niemals nach einer greifen zu müssen…

Etwas was auf portugiesischen Hochseeseglern auch anzutreffen war, allerdings für die etwas gehobenen Besatzungsmitglieder, waren Nachttöpfe.
Das weiß man heute, weil auf der Geschenkliste für den Maharadscha von Calecut, der Seefahrer Vasco da Gama bei seiner ersten Indienreise im Jahre 1498, drei Nachtöpfe (bacios) aufgeführt hat.
Was man allerdings heute nicht mehr weiß, ist ob der Maharadscha sie auch jemals benutzt hat.

Donnerstag, 25. Juni 2009

Passarola


2009 feiert die moderne portugiesische Luftfahrt ihren 100. Geburtstag. Das Verteidigungsministerium, die staatliche und die privaten Fluggesellschaften, die verschiedenen Luftfahrtmuseen und auch viele Flugvereine feiern dieses Ereignis mit diversen Ausstellungen und vielen Flugschauen.

Das die Ballonfahrt in Portugal dieses Jahr ihren 300. Geburtstag feiert, geht dabei leider etwas unter.

Der in der Stadt Santos, in der Kronkolonie Brasilien, 1685 geborene Jesuitenpater Bartolomeu Lourenço de Gusmão entwickelte im Jahre 1709 einen flugfähigen Ballon, der zum Prototyp aller zukünftigen Luftschiffe wurde.

Im ehemaligen Palacio da Ribeira, da wo sich heute die Praça do Comercio befindet, demonstrierte Gusmão 1709, vor den Augen der königlichen Familie und des gesamten Hofstaates, sein später als „Passarola“ (vom portugiesischen Wort passaro = Vogel) bekannt gewordenes Flugobjekt.
Leider verliefen die Vorführungen alles andere als gut.
Lediglich zwei von fünf Vorführungen hatten fliegerischen Erfolg. Die anderen drei endeten mit dem Brand der Flugobjekte (die Ballons waren damals mit brennenden Kerzen versehen). Heute würde man sagen, der Prototyp war noch nicht ganz ausgereift.

Leider kam Bartolomeu Lourenço de Gusmão nicht mehr dazu
die von ihm erfundene Passarola zu perfektionieren.
Denn 1724 musste er Hals über Kopf Lissabon verlassen, da die Inquisition ihm Hexerei vorwarf.
Wer zu damaligen Zeit fliegende Objekte erfand, der konnte, in den Augen der Kirche, ja nur ein Hexer sein!

Auf dem Weg nach Paris, wo er sich niederlassen wollte, verstarb er im spanischen Toledo an einer schweren Grippe.

Wehmut nach Wixhausen


Wer diesen Blog liest, und sich vielleicht auch schon mal mein Profil angeschaut hat, wird erfahren, dass ich in Deutschland 25 Jahre lang in Darmstadt, im Ortsteil Wixhausen, gelebt habe.
Die die mich persönlich kennen, wissen das ja sowieso.

Als ich 1998 die Möglichkeit hatte nach Portugal zu ziehen, habe ich, als ich Darmstadt und Wixhausen verlassen habe, nicht einmal zurückgeschaut.

Heute, viele Jahre und einige Flüge später, fange ich an, so etwas wie sentimentale Gefühle für die Orte meiner Kindheit und Jugend zu empfinden.
Diese Gefühle der Wehmut haben sich, aus mehreren persönlichen Gründen, in den letzten Wochen verstärkt. Es waren einfach zu viele Jahre (ein viertel Jahrhundert!) die ich in Darmstadt-Wixhausen verbracht habe. In dieser Zeit lernt man alle guten und alle schlechten Witze kennen, die man über Wixhausen machen kann, und man lernt auch mit gewissen Vorurteilen umzugehen.

Die meisten, die schlecht über Wixhausen reden oder meinen sie hätten die Klobürste erfunden (Apropo, wussten sie das die Portugiesen die Klobürste erfunden haben?!? Dazu mehr, in einem zukünftigen post) nur weil sie einen schlechten Witz über Wixhausen machen, haben noch nie einen Fuß in diesen Ort gesetzt und finden den Namen halt nur so lustig!...

Ich gebe zu, der Name Wixhausen verleitet aber auch leicht zu einem Scherz. Aber bitte, wenn es schon sein muss, dann sollen es doch bitte auch gute Scherze sein, oder?!?

Ich bin mal von meiner Schulkameradin Martina Bergsträßer gefragt worden, ob es mir nicht peinlich sei in Wixhausen zu leben. Nein, natürlich war es mir nicht peinlich in Wixhausen zu leben (eher sollte es manchen Leuten peinlich sein, zu meinen wichsen würde mit „x“ geschrieben und nicht mit „chs“. Wäre mancher in Wixhausen in die Grundschule gegangen, würden ihm solche Fehler vielleicht nicht passieren). Schließlich hat Wixhausen nichts mit wichsen zu tun, sondern geht auf das altdeutsche Wort Wikken zurück, das soviel wie Weiher heißen soll. Also bedeutet Wixhausen nichts anderes als „Häuser am Weiher“. Und was soll einem bitte, an „Häuser am Weiher“ peinlich sein?

Es ist ja nicht so dass die Wixhäuser von heute sich den Namen ausgesucht hätten; den gibt es nämlich schon ein bisschen länger. Seit 1172, um genauer zu sein. In diesem Jahr wurde nämlich Wixhausen zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Somit ist Wixhausen gerade mal ein paar Jahre jünger als der Portugiesische Staat. Portugal wurde nämlich im Jahre 1139 von König Afonso Henriques gegründet.

Sollte ein Wixhäuser sich in diesen Blog verirren, so bitte ich ihn (sie) doch freundlichst darum, er (sie) möge sich doch bitte hier mit einem Kommentar verewigen.

„Vasistas“


Gestern saß ich drei Franzosen im Bus gegenüber.
Es können natürlich auch Belgier oder Franco-Kanadier gewesen sein, so genau weiß ich es nicht; jedenfalls haben sie französisch gesprochen, ganz ohne Zweifel.
Ohne Zweifel???
Nun, drei oder vier Mal hatte ich ehrlich gesagt schon so meine Zweifel, denn französisch gehört leider nicht zu den Sprachen, die ich beherrsche, und ich wusste dementsprechend nicht worüber die drei sprachen.

Als wir am Lissabonner Bahnhof am Rossio vorbeifuhren, sagte das Mädchen zu den zwei Jungs so etwas wie: „bla, bla ,bla was ist das bla, bla, bla…“ Es kam mir wirklich vor, als ob sie „was ist das?“ gesagt hätte.
Aber das konnte ja nicht sein, oder?
Ein paar hundert Meter weiter, als wir an dem Aufzug von Santa Justa vorbeikamen sagte das Mädchen, in Richtung der Jungs erneut so etwas wie: „bla, bla, bla was ist das bla, bla, bla“.
Da war es wieder! Sie hatte doch tatsächlich „was ist das?“ gesagt. Konnte das denn sein?

Ich bin dann zu dem Entschluss gekommen, dass es in der französischen Sprache ein Wort geben muss, das dem deutschen „was ist das“ phonetisch unheimlich ähnlich sein muss.

Als ich dann heute Morgen mit einem Freund im Café saß, erzählte ich ihm von diesem merkwürdigen Ereignis. Und er, der französisch gut kann, bestätigte mir dass es wirklich so ein Wort im französischen gibt, das wie das deutsche „was ist das“ klingt.
Und dieses Wort heißt: „VASISTAS“.
Und was heißt wohl „vasistas“?
Nun, „vasistas“ sind Dachfenster.

Wie es dazu kommt, dass die Franzosen ausgerechnet diese drei kleinen deutschen Wörter benutzen, wenn sie auf Französisch ein Dachfenster meinen, dies konnte mir allerdings mein Freund Pedro nicht erklären.

Wir sind es gewohnt dass sich in der heutigen Zeit immer mehr Fremdwörter in unsere nationalen Sprachen einnisten.
Aber „vasistas“ kann keine neuartige Erfindung sein, unmöglich!
Das muss sicherlich eine jahrzehnte, wenn nicht sogar jahrhunderte alte Geschichte sein.

Sollte mein Freund Fabien in Darmstadt dieses post lesen, so kann er mir als waschechter Franzose da vielleicht weiterhelfen und eine Erklärung geben. Schließlich hat er mir mal vor Jahren auch erklärt, dass der Franzose, wenn er vom Wochenende redet, vom „weekend“ spricht. Das war damals für mich genauso überraschend wie jetzt das „vasistas“.

Einer meiner nächsten posts, so habe ich mir fest vorgenommen, wird von den deutschen Wörtern handeln, welche ihren Weg in den portugiesischen Wortschatz gefunden haben, und umgekehrt. Ich muss mir nur noch überlegen welche das sein könnten, denn ich bin schon zu dem Entschluss gekommen, dass es so viele nicht sein können.

Die Sankt Johannisnacht


In der Nacht vom 23. auf den 24. Juni feiert man jedes Jahr in Porto, Braga, und anderen Städten des Landes, hauptsächlich im Norden, die Johannisnacht (Noite de São João).
Was Santo António (bitte mein post „Santo António de Lisboa“ lesen) für die Lissabonner ist, ist Sankt Johannis (São João) für die Bewohner von Porto, der zweitgrößten Stadt des Landes.

Während Santo António mit einer gewissen „Organisation“ gefeiert wird, feiert man den São João eher „liberal“.
Hier gibt es keine „marchas“ (Volksmärsche), keine Festwagen, kein Festkomitee, keine Tribünen für die hohen Tiere der Stadt und nichts wird arrangiert.
Im Gegenteil!
Alles wird dem Zufall überlassen. Das klingt zwar unheimlich schön und zwanglos, hat aber einen großen Nachteil.
So viel Zwanglosigkeit hat manchmal zur Folge, dass viele über die Stränge schlagen, und es leider prozentual öfters zu Gewalttaten kommt als bei anderen ähnlichen Volksfesten im Land.

Aber abgesehen von diesem minimalen Gewaltrisiko, sind die Feiern des São João, so ziemlich die volksnahesten die es in Portugal gibt: sie werden ausgelassen, frei, natürlich und feuchtfröhlich bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.
Nichts wird geplant - alles ist spontan. Das essen, das trinken, das singen, das tanzen und natürlich das traditionelle Springen über das Johannisfeuer in der Johannisnacht.

Trotz aller bestehenden oder fiktiven Rivalitäten die es zwischen Porto und Lissabon, zwischen Nord- und Südportugiesen gibt, so muss man als Lissabonner eines ohne Neid zugestehen:
Die Menschen im Norden können viel ausgelassener Feiern als wir hier im Süden.

Dienstag, 23. Juni 2009

Portugasmus


Wissen sie was ein „Portugasmus“ ist (eng. Portugasm)?
Nein?!?

Ich bis heute auch nicht. Aber jetzt weiß ich es.
Portugasmus ist angeblich, in Anlehnung an Orgasmus, „der höchste Zustand der Erregnung, in die man geraten kann, wenn man leckeres portugiesisches Grillhähnchen mit scharfer Piri-Piri-Soße zu sich nimmt“.
So behauptet es jedenfalls die Werbung der Fast-Food-Restaurantkette Nando´s im fernen Australien.

Im Jahre 1987 gründete der Portugiese Fernando Duarte mit seinem Geschäftspartner Robert Brozin im südafrikanischen Rosettenville, in der Nähe von Johannesburg, das erste Restaurant in dem er, mit einer scharfen Soße gewürzte Hähnchenteile, an den Mann brachte. Heute ist Nando´s in 32 Ländern dieser Welt vertreten, von Südafrika bis Australien, von Kuweit bis in die USA und von Canada bis nach Fidji.

Ob die Werbung besonders originell ist, lasse ich mal dahingestellt sein. Aber sie scheint erfolgreich zu sein, denn Nando´s, berühmtberüchtigt für seine humorvolle bis sarkastische Werbung, hat in den letzten zwei Wochen einen 6% Umsatzgewinn gemacht, so konnte ich in der Tageszeitung Público heute lesen.
Und wenn die Werbung so erfolgreich ist, dann frage ich mich, wieso denn niemand beim portugiesischen Tourismusamt mal auf die Idee gekommen ist, solch eine Werbung vom Stapel loszulassen, schließlich befinden wir uns in einer weltweiten Krise, und können daher jeden Euro gut gebrauchen.

Aber vielleicht hat die Werbung von Nando´s ja trotzdem auch für uns Portugiesen etwas positives.
Wer weiß, vielleicht erleben wir hier in Portugal diesen Sommer das rapide Ansteigen von australischen Touristenzahlen; von Touristen die gerne einen Portugasm erleben wollen, also die mal „in den höchsten Zustand der Erregung“ kommen wollen?!?

In diesem Sinne: Welcome to Portugal!

Rennen auf Stöckelschuhen


Diesen Sonntag, dem 21. Juni 2009, fand hier in Lissabon ein Ereignis statt, welches es bis dahin noch nicht in Portugal gegeben hatte.
304 Frauen trafen sich am Ufer des Tejo, in Alcântara, um am ersten Stöckelschuhrennen Portugals teilzunehmen.

Dieser originelle Lauf, der schon in Städten wie Berlin, Sydney, Moskau und Amsterdam, für eine Menge Gaudi gesorgt hat, fand unter strahlendem Sonnenschein statt und hatte die Teefirma Lipton Tea und die Zeitschrift Cosmopolitan als Sponsoren.
Zu gewinnen gab es ein Preisgeld von jeweils 1000, 500 und 250 Euro für die ersten drei Qualifizierten.

Um am Rennen teilzunehmen, musste man nur zwei Bedingungen erfüllen: man musste volljährig sein und man musste Stöckelschuhe mitbringen, die mindestens 7 cm vorweisen konnten.

Waren diese zwei Bedingungen erfüllt, konnte es dann auch schon losgehen. 200 m waren zu überwinden.
Eine zu bewältigende Strecke, wenn man Turnschuhen anhat. Aber mit „Stilettos“?
Es ist verblüffend, wie sicher manche Frau auf Stöckelschuhen, nicht nur laufen, sondern wirklich auch rennen kann. Unglaublich!

Für einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde wird die Anzahl der Teilnehmerinnen dieses Rennens sicherlich nicht reichen.
Aber nach dem großen und humorvollen Erfolg, soll das Rennen nächstes Jahr wiederholt werden.
Und dann soll es auch eine „männliche“ Version geben. Dann sind nämlich auch die Herren aufgefordert ihr Glück auf Stöckelschuhen zu versuchen…

Alfacinha = Lissabonner


Jede Stadt hat ihre Bürger.
Jede Stadt hat ihre Sehenswürdigkeiten.
Und es ist die Symbiose zwischen den Bürgern und den Sehenswürdigkeiten, die das Ambiente einer Stadt ausmachen.

Ich selber bin der Meinung, dass die Bürger einer Stadt, die „Eingeborenen“, die größte Sehenswürdigkeit einer jeweiligen Stadt sind. Sie sind nicht nur die Visitenkarte einer Stadt, sondern auch ihre Seele.
Glücklich die Stadt, deren Bürger sich mit ihr identifizieren!
Lissabon ist so eine glückliche Stadt, denn ihre Bürger identifizieren sich gerne mit ihr.

Die Bürger von Lissabon nennen sich selber „alfacinhas“. Auch die anderen Portugiesen nennen die Lissabonner „alfacinhas“.
Alfacinha ist die Verniedlichungsform des Substantivs „alface“. Und eine alface ist nichts weiter als ein Salatkopf. Ich sollte vielleicht noch dazu erwähnen, dass der Lissabonner die Angewohnheit hat, erbarmungslos alles zu verniedlichen.
Also sind die Lissabonner Bürger nichts weiter als Salatköpfchen. Ja, und ich bekenne mich: auch ich bin ein „Salatköpfchen“!

Wie kommt es aber zu dieser Bezeichnung?

Um es vorweg zu nehmen: kein Mensch weiß es!
Aber es gibt zwei eventuelle Begründungen:

In einer jüdischen Schrift von 1090 n. Chr. heißt es, dass in den Gärten von Lissabon „eine grüne Pflanze angebaut wird die die Mauren aus ihrer Heimat nach Lusitanien mitgebracht haben, die ihnen als Lebensmittel und Medizin dient. Diese grüne Pflanze nennen sie al-khaç“ . Alface ist also ein Wort aus dem arabischen.
Und dann wird da noch die Geschichte erzählt, dass einmal, während einer Belagerung der Stadt, sich die Mauren über Wochen nur von Salatköpfen ernährt haben sollen, und so die Belagerung überstanden hätten.

Ob einer dieser zwei Ereignisse wirklich der Grund dafür ist, das die Bürger der Hauptstadt dann ab dem 19. Jahrhundert als „alfacinhas“ bezeichnet wurden, verliert sich leider in den analen der Geschichte, und ist dementsprechend nicht sicher.

Was aber auf alle Fälle sicher ist, ist die Tatsache, dass der Lissabonner an sich ein wenig an Größenwahn leidet. Jedenfalls behaupten das neidvoll die anderen Portugiesen, vor allem die aus dem Großraum Porto.
Aber ich muss als Lissabonner zugeben, dass die Menschen dieser Stadt schon ein ganz besonderer Menschenschlag sind. Wir sind schon anders als andere Portugiesen, aber ob wir größenwahnsinnig sind, möchte ich mal dahingestellt lassen.
Obwohl, ein altes portugiesische Sprichwörter könnte dazu verleiten, dieser Meinung zu sein.
Er lautet übersetzt: „Lissabon ist Portugal und der Rest ist Landschaft“ (Lisboa é Portugal e o resto é paisagem) und meint das wir hier in der Hauptstadt wirklich der Nabel der Welt sind.

Nichtsdestotrotz sind wir Lissabonner Menschen mit dem Herzen am richtigen Fleck und mit der richtigen Einstellung in unseren Köpfen…

… in unseren Salatköpfchen!

Montag, 22. Juni 2009

Walfang - Ja oder nein!?!


Gestern feierte die größte Insel der Welt, Grönland, mit einem großen Fest die völlige, autonome Unabhängigkeit vom Mutterland Dänemark.
Zu dieser erreichten Unabhängigkeit, meine herzlichsten Glückwünsche an das grönländische Volk!

Wofür ich die Grönländer allerdings nicht beglückwünschen kann, ist die Dreistigkeit mit der sie sich in der Weltstaatengemeinschaft, einen Tag nach ihrer Unabhängigkeit, vorgestellt haben.

Als erster offizieller und internationaler Akt, schickten sich nämlich heute Morgen die Grönländer an, mit Unterstützung der dänischen Regierung, der Internationalen Walfangkommission, die diese Woche vom 22-26.06.2009, auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira tagt, ein Schreiben zu senden in dem sie verlangt (wohlgemerkt, sie bitten nicht darum. Nein, sie verlangen es!), im kommenden Jahr 50 Buckelwale jagen zu dürfen.

Die Begründung: das Volk der Inuiit, besser bekannt als Eskimos, hätte als ein indigenes Volk das Recht nicht-kommerziellen Walfang zu betreiben, da die Urbevölkerung sich von Walfleisch ernährt.
Aber Grönland kann nicht überzeugend darstellen, dass seine Bevölkerung tatsächlich mehr Walfleisch braucht, als ihnen bis jetzt sowieso zusteht. Die Grönländer jagen jährlich mehr als 4000 Kleinwale und, so erfahre ich heute in den portugiesischen Hauptnachrichten, in Wahrheit hat Grönland während der letzten 10 Jahre nie seine volle Quote ausgenutzt und sogar Walfleisch verderben lassen, gehortet oder in Supermärkten verkauft - sogar an Touristen!
Ein Land das Wale an den Stränden verwesen lässt hat kein Anrecht darauf noch mehr Wale zu jagen. Dies widerspricht, meiner Meinung nach, völlig dem nicht-kommerziellen Charakter des Walfanges.
Somit reiht sich Grönland leider in die selbe Reihe ein, wie die Walfangnationen Japan, Norwegen und Island.

Portugal, selbst eine ehemalige Walfangnation, wird negativ auf den Wunsch Grönlands reagieren, so ist heute Mittag aus dem Umweltministerium in Lissabon durchgesickert.
Die Stimmen der anderen EU-Mitgliedsstaaten werden nun entscheidend sein, ob die ersten Buckelwale seit Jahrzehnten in europäischen Gewässern getötet werden dürfen oder nicht. Alles andere als ein klares "Nein" der EU-Staaten zu Dänemarks und Grönlands Antrag wäre ein Skandal.

Von Lästigen Behördengängen und zermürbendem Bürokratismus


Heute Morgen musste ich wieder zeitig aufstehen, um aufs Sozialamt zu gehen.
Seitdem ich berufslos bin, bin ich genötigt sämtliche Ämter und Behörden in Almada, wo ich lebe, abzulaufen.
Ich hasse es abgrundtief das Wort „arbeitslos“ zu benutzen! Denn Arbeit habe ich auch als berufsloser mehr als genug, indem ich pausenlos Bewerbungen schreibe, zu unzähligen Bewerbungsgesprächen gehe und in dem ich Stunden mit lästigen Behördengängen verbringe, die eigentlich in 10 Minuten erledigt sein könnten und die einen völlig demoralisieren!

Ich weiß zwar nicht wie es im Augenblick auf deutschen Ämtern und Behörden zugeht, aber die öffentliche Verwaltung hier in Portugal ist ein leidliches Thema.
Viele Behörden haben entweder zuwenig Personal, oder wenn sie genug Personal haben, dann sind nur wenige von ihnen auch qualifiziert. Obwohl die meisten räumlichen und materiellen Ausstattungen das europäische Niveau erreichen, ist das Personal meistens inkompetent.
Aber für mich am schlimmsten, ist der zermürbende Bürokratismus: komplizierte Formulare, undurchsichtige Abläufe, unerklärliche Dauer der Verfahren im Zeitalter des Computers, unklare Zuständigkeiten, unfreundliches Personal und lange Warteschlangen machen den Kontakt mit Behörden und Ämtern hier in Portugal zu einem nervenaufreibenden Geduldspiel.

Und, wie ich leider zugeben muss, Geduld ist nicht gerade eine meiner größten Stärken!
Kaum zuhause angekommen, denke ich jetzt schon mit Grauen an meinen nächsten Gang aufs Amt!

Ghuan a´barah – Wir verstehen dich nicht


Rio de Janeiro ist wohl die berühmteste Stadt Brasiliens. Eigentlich hat schon mal jedes Kind von dieser Stadt gehört, auch wenn er nicht weiß wo er sie geografisch einordnen soll.

Rio de Janeiro liegt an der Bucht von Guanabara, die Einwohner nennt man Cariocas und der schönste Strand der Welt ist angeblich die Copacabana.
Bis hierhin, alles klar.
Aber was heißt denn nun eigentlich wortwörtlich Rio de Janeiro, Guanabara, Carioca und Copacabana?

Fangen wir mit Rio de Janeiro an.
Als der portugiesische Seefahrer André Gonçalves am Neujahrstag des Jahres 1502 in die wunderschöne Bucht reinsegelte, an der sich heute die brasilianische Metropole befindet, glaubte er, eine Flussmündung entdeckt zu haben. Deshalb gab er dem Ort, den Namen „Januarfluss“.
Ist zwar nicht besonders originell, aber auf Portugiesisch hört sich das ganze dann doch sehr exotisch an: Rio de Janeiro.

Die Legende berichtet, das André Gonçalves, als er die Eingeborenen Tamaio-Indianer fragte, wie sie denn dieses wunderschöne Stück Land nennen würden indem sie lebten, sie im antworteten: „Ghuan a´barah“, was in ihrer Sprache so viel hieß wie: „Wir verstehen dich nicht“.
Und so blieb es bis heute: der Januarfluss liegt an der Bucht von Wir verstehen dich nicht.
Oder anders gesagt: Rio de Janeiro liegt an der Bucht von Guanabara.

Da sich die Guanabarabucht als idealer Naturhafen anbot, begann der Portugiese Gonçalo Coelho schon 1503 mit dem Bau einer Niederlassung am Zuckerhut. Dies war die Geburtsstunde der Stadt Rio de Janeiro.
Da die ersten Häuser der Portugiesen weiß angestrichen waren, nannten die Tamaio-Indianer die ersten Einwohner „Cariocas“, was in ihrer Sprache „Haus des weißen Mannes“ bedeutete, und was bis heute, der Name der Einwohner Rio de Janeiros geblieben ist.

Und wie kam die weltberühmte Copacabana zu ihrem Namen?
Nun die Indianer nannten diese Stelle, an der das Wasser nicht besonders tief, aber dafür sehr klar und rein war, „Coopa cabana“, was so viel heißt wie „Hütte am klaren Wasser“.
Die Portugiesen behielten diesen Namen bei und adoptierten sogar das Wort „cabana“ aus der Tamaio-Sprache. Noch heute heißt das portugiesische Wort für Hütte einfach nur „cabana“.

In einem zukünftigen post, werde ich noch ausführlich über die originellen Ortsnamen schreiben, die die Portugiesen überall auf der Welt hinterlassen haben.

Eine Reise quer durch Afrika


Wer mich kennt, weiß dass ich für mein Leben gerne lese.
Vor allem Biographien, Reiseberichte und Erzählungen aus vergangenen Zeiten interessieren mich.

Mit großer Begeisterung lese ich im Augenblick das Buch „De Angola à Contracosta“ (ich würde es mit „Von Angola bis zur Gegenküste“ übersetzen), geschrieben von den Naturforschern Hermenegildo Capelo und Roberto Ivens.

Bei Hermenegildo Capelo, der von 1841 bis 1917 lebte, und bei Roberto Ivens, der von 1850 bis 1898 lebte, handelt es sich um zwei Marineoffiziere der portugiesischen Marine, die in einer abenteuerlichen Expedition, von 1883 bis 1884, den afrikanischen Kontinent von dem Ort Moçamedes in Angola bis zu der Stadt Quelimane in Moçambique, durchforschten und erkundeten.

Im Namen des Königs waren Capelo und Ivens insgesamt 14 Monate unterwegs. Von der afrikanischen Westküste bis zur Ostküste legten sie eine Strecke von über 4500 km zurück. Und von den 124 Männern die am Anfang der Expedition dabei waren, kamen nur 56 am Zielort an. 68 von ihnen fanden unterwegs den Tod.

In ihrem Reisebericht, erzählen sie detailliert von ihren Abenteuern und den vielen wilden Tieren, kriegerischen Naturvölkern und exotischen Pflanzen denen sie in Afrika begegnen.

Ich weiß nicht ob es eine deutsche Übersetzung dieses Reiseberichtes gibt.
Aber wenn ja, dann kann ich jedem nur das lesen dieses Buchs wärmstens ans Herz legen.
Er ist eine Bereicherung für jeden der gerne über fremde Völker und exotische Tiere liest.
Und dieser reale Reisebericht, aus einem vergangenen Jahrhundert, kann es ohne weiteres mit jedem Abenteuerroman von heute aufnehmen.

Ein ganz besonderer Sessel


Wer sich jemals portugiesischem Fernsehen angetan hat, weiß dass von 100 gesendeten Stunden, vielleicht nur zwei oder drei Stunden wirklich kulturell wertvoll und empfehlenswert sind. Die restlichen gesendeten Stunden sind, meiner persönlichen Meinung nach, völlig niveaulos.
Trotzdem kann ein „normaler“ Portugiese nicht ohne Fernsehen leben. Vielleicht weil er den Luxus eines guten Fernsehprogramms ja nicht kennt, und dementsprechend nicht vergleichen kann.
Aber wie gesagt, zwei oder drei Stunden sind sehenswert und interessant. Heute durfte ich zufälligerweise solch einer interessanten Fernsehstunde beiwohnen.

In dem Magazin National Geographic wurde berichtet das sich, im Wissenschaftsmuseum zu Lissabon, ein in Großbritannien für König João VI angefertigter Sessel befindet.
Es handelt sich hierbei um einen ganz besonderen Sessel, nämlich um einen „akustischen Sessel“ (cadeira acústica).
Natürlich fragte ich mich, was ein akustischer Sessel wohl sei, und folgte dem Bericht mit großem Interesse.

Seine Majestät, König João VI, litt unter einer starken Hörschädigung, und konnte im Alter nur mit größter Mühe seine Mitmenschen verstehen. Mit der Zeit zog er sich immer mehr zurück, denn alles Öffentliche wurde ihm zur Qual.
Privat war es ja kein Problem, wenn ihn z.B. seine Frau, Königin Carlota Joaquina, oder seine Kinder laut anredeten.
Aber Öffentlich war das anders!
Denn kein Untertan wagte es laut mit dem König zu reden, geschweige denn ihn anzuschreien.
Also war der Leidtragende der König; denn so wurden z.B. die Audienzen, die er geben musste, für ihn zu einer richtigen Tortur.

Die Lösung des Problems wurde in Großbritannien, in Form des akustischen Sessels, gefunden.
Englische Möbelbauer bauten, in Zusammenarbeit mit Ärzten, einen Sessel, der eine Besonderheit aufwies.
Er hatte zwei Öffnungen, nämlich an den Armlehnen, die aus zwei geöffneten Löwenmäulern bestanden. Diese Öffnungen führten bis zu der Oberkante der Rückenlehne, in Kopfhöhe.
Saß nun der König auf dem Sessel und gab er eine Audienz, konnte er den Gast, der sich natürlich vor dem König hingekniet hatte, und nun sich so mit dem Mund in etwa der Höhe der Armlehnen befand und in diese quasi rein sprach, viel besser hören. Die Stimme des Besuchers wurde nämlich „zusammengebündelt“ und kam akustisch aus einem Schlauch, der an der Rückenlehne angebracht war, wieder heraus.

Es ist schon erstaunlich welche Erfindungen die Menschheit hervorgebracht hat.
Die Erfindung guter Fernsehsendungen im portugiesischen Fernsehen allerdings, steht uns noch bevor!

Die Kunst sich auf den Arm zu nehmen


Es ist eine Lieblingsbeschäftigung der Portugiesen sich gegenseitig zu necken und auf den Arm zu nehmen. Obwohl viele, wie die Engländer, uns den Sinn für Humor absprechen, tun sich Portugiesen unentwegt über die Schwächen des anderen, über seine Vorlieben und Macken lustig machen. Vor allem die Bewohner des Alentejo, müssen damit leben, das ständig Witze über sie gemacht werden. Die Alentejanos haben hier in Portugal den vergleichbaren Ruf wie in Deutschland die Ostfriesen.

Ausländer und Touristen dürfen gerne mit uns mitwitzeln – aber nur über die kleinen und harmlosen Schwächen, wie z. B. den mörderischen Fahrstil von uns Portugiesen.
Grundlegende Kritik hält der Portugiese nämlich normalerweise nicht für eine Art von Humor. Aber wer tut das schon?
Lediglich einem Volk wird die Legimitation mitzuwitzeln völlig
abgesprochen – nämlich den Spaniern!

Erstens verabscheuen wir Portugiesen die Arroganz und die Überheblichkeit, den Spanier an den Tag legen, wenn sie uns gegenüber treten.
Zweitens sprechen wir den Spanier jegliche Fähigkeit ab unsere Lebensform und Kultur beurteilen zu können, da sie es ja als Vielvölkerstaat noch nicht einmal untereinander schaffen, sich zu verstehen.
Drittens lieben wir Portugiesen unsere Nation und können es nicht abhaben wenn uns Spanier ständig für Dinge kritisieren, die uns nur allzu bewusst sind.

Aber ansonsten können wir Portugiesen wunderbar über uns selber lachen.
Hier einige Kostproben portugiesischen Humors:

Die Kuh eines Bauern ist krank. Besorgt fragt er seinen Nachbarn:
„Sag mal José, was hast du denn damals deiner Kuh gegeben, als sie so krank war?“
"Einen guten Portwein." sagt der Nachbar.
Gesagt, getan.
Nach einer Woche treffen sich die beiden wieder.
„Meine Kuh ist tot", sagt der Bauer. Darauf sein Nachbar:
„Meine damals auch“.


Kommt einer in die Bar und sagt:
„He, Leute, ich kenne einen guten Alentejanowitz!“
Darauf der Barkeeper:
„Junge, bevor du ihn erzählst, sollte ich Dir vielleicht sagen, dass ich selber Alentejano bin. Der im Anzug da hinten ist ebenfalls Alentejano, die beiden Polizisten da drüben sind Alentejanos und die drei da hinten mit den Lederjacken kommen auch aus dem Alentejo. Willst du den Witz immer noch erzählen?“
“Nein, bevor ich ihn sieben Mal erklären muss, lass ich's lieber gleich bleiben.“


Ein Reiter fragte einen Tierarzt um Rat.
„Ich habe ein Pferd das manchmal normal geht und manchmal lahmt. Was empfehlen Sie mir?“
„Wenn es das nächste Mal wieder normal geht“, erwiderte der Tierarzt, „dann verkaufen Sie es“.

Meine Großtante Aida


Heute habe ich es endlich mal geschafft meiner Tante im nahen Badeort Costa de Caparica ihre Pralinenschachtel vorbei zu bringen, die ich ihr eigentlich schon an ihrem 90. Geburtstag, vor vier Wochen, hätte geben sollen.
Nur ist mir immer etwas dazwischen gekommen, und ich habe es, typisch portugiesisch, auf die lange Bank hinausgeschoben.
Eigentlich ist sie nicht meine Tante, sondern meine Großtante, denn sie ist die Tante meiner Mutter, und die Schwägerin meiner Großeltern.

Wie gesagt, heute habe ich der alten Dame einen Besuch abgestattet. Und da saß sie nun vor mir, meine Großtante Aida.
(In Deutschland wird man Aida höchstwahrscheinlich nur aus der Oper kennen, aber hier in Portugal ist das ein ganz normaler weiblicher Vorname).
Wie immer, war sie von Kopf bis Fuß, gestylt.
Ich finde meine Großtante Aida unheimlich hip und trotz ihres hohen alters unheimlich modern.

Ich kann es nicht lassen, hier meine Großtante zu loben.
Sie ist eine reiche, freundliche und liebenswerte alte Dame.
Leider ist sie auch etwas schwerhörig, was eine vernünftige Kommunikation sehr schwierig macht, denn wir müssen uns immer regelrecht anbrüllen.
Wie ich schon erwähnt habe, ist sie ein sehr modischer Mensch. Sie zieht sich immer sehr adrett an, und schminkt sich auch stets perfekt, ob sie dann zuhause bleibt oder ausgeht.
Früher, als sie noch besser zu Fuß war, da zog sie sich sogar noch extravaganter an. Ob sie nun zum Eierholen ging oder ins Theater, die Frau war ein modisches Kunstwerk.
Viele Fotos beweisen es.
Früher ging sie auch mehrmals die Woche zum Friseur. Heute besucht sie den Friseursalon, zu ihrem Leidwesen, nur noch einmal die Wochen. Aber genauso wie damals, so lässt sie sich auch heute noch die Haare in Stahlblau oder Altrosa färben. Und sie lässt sich dann so viel Haarspray in die Haare machen, das selbst ein Orkan der Stärke 10 nichts an ihrem Frisurenoutfit ändern könnte.

Es gab mal eine Zeit in ihrem Leben, kurz nachdem sie mit ihrem Ehemann Joaquim aus Portugiesisch-Ostafrika, dem heutigen Moçambique, geflohen war, da traf sie sich jeden Mittag mit ihren Freundinnen, die ebenfalls in Moçambique gelebt hatten, im Café Mexicana, oder in der Pastelaria Versailles um ihren Mittagskaffee zu genießen. Wer schon einmal im Mexicana oder in der Versailles war, weiß von welchem Luxus ich hier rede.
Sie erzählte mir einmal, dass damals ihre einzige Freizeitbeschäftigung darin bestand, die Avenida da Liberdade und die Avenida Guerra Junqueiro entlangzulaufen, um sich bei Armani, Gucci und Versace die Schaufenster anzuschauen.
Natürlich hatte meine Großtante Aida, wie so viele andere die in den Kolonien gelebt hatten, damals kein vernünftiges Verhältnis zum realen Leben. Während viele Portugiesen in den 70er Jahren, nach der Nelkenrevolution, in richtiger Armut lebten, wusste meine Großtante noch nicht einmal dass es Armut und sogar Hunger, in ihrer nächsten Verwandtschaft gab.
Aber heute verzeihe ich ihr diese damalige Ignoranz. Genauso wie ich ihr die übertriebene Menge von penetrantem Parfüm verzeihe, welches sie immer an sich hat, wenn ich sie besuche.

Ich sehe in meiner Großtante eine Frau mit 85 Jahren, die eine Menge Stolz und Würde ausstrahlt. Sie ist der lebende Beweis dafür, dass man im hohen Alter, auch ohne plastische Chirurgie und falschen Pelzen (sie hat nämlich nur echte Pelze!) noch Stil und Klasse haben kann.
Natürlich ist sie ein Mensch voller Klischees. Aber ich glaube viele Menschen meiner Generation, oder sogar noch jüngere, wir könnten von dieser alten Dame viel lernen: nämlich, das uns ein bisschen Eitelkeit auch recht gut tun würde.
Natürlich sind heutzutage Jeans mit Löchern und ungewaschene Hemden und T-Shirts modisch angesagt.
Auch lange, ungewaschene Haare und Piercings überall im Gesicht sind voll im Trend.
Aber müssen wir wirklich immer jedem Trend nachgeben? Vielleicht würde uns ein bisschen altmodische Eitelkeit allen etwas besser zu Gesicht stehen, oder?!?

In diesem Sinne:
Nachträglich alles Liebe zum Geburtstag Tia Aida!

Hieroglyphen, wie kommt der Mensch auf Hieroglyphen?




Diesen Sonntag, nach dem Gottesdienst in der Deutschen Evangelischen Kirche in Lissabon, fuhr ich mit der U-Bahn nach hause.
Nicht nur wir Lissabonner benutzen gerne die U-Bahn, sondern auch viele Touristen, die die Hauptstadt besuchen. Denn es gibt keine schnellere und billigere Art und Weise die Stadt zu durchfahren, als mit der Lissabonner Metro.
Viele dieser Touristen sind auch Deutsche.
Ich freue mich über jeden Deutschen der meine Heimatstadt besucht, und komme gerne mit ihnen ins Gespräch.

Aber selbst wenn ich nicht mit ihnen ins Gespräch komme, so lässt es sich manchmal nicht verhindern, das ich manchem Gespräch zuhören muss, ob ich nun will oder nicht.
Das lässt sich auch nicht vermeiden, denn ich kann mich ja nicht hinsetzen, und dann zu den Leuten sagen:
„Bitte achten sie darauf, was sie ab jetzt sagen, denn ich kann sie verstehen!...“
Also fahre ich meistens anonym (manchmal aber, werde ich auch um Hilfe gefragt. Und dann „oute’“ ich mich gerne als der deutschen Sprache Mächtiger) und versuche krampfhaft dem Gespräch nicht zu folgen; was natürlich unmöglich ist.

Heute musste ich wieder solch einem Gespräch beiwohnen, und sie können mir glauben, dass es mir unheimlich schwer gefallen ist, anonym zu bleiben!

Da fragt ein ca. 10-jähriger, der mit einer 1 Euromünze in der Hand rumspielt, seinen Vater, was denn die „komischen Zeichen“ auf der portugiesischen Euromünze bedeuten.
Da antwortet ihm der Vater, kurz und knapp: „Das sind Hieroglyphen!“
Eine schöne Antwort, wirklich! Nur nicht die richtige Antwort für die Frage seines Sohnes.
Nun ich war schon immer der Meinung, dass es schwerer ist eine intelligente Frage zu stellen, als eine intelligente Antwort zu geben, und dies hat sich heute in der Lissabonner U-Bahn wieder einmal voll bewahrheitet.

Also, zu erst einmal möchte ich klar stellen das es keine Hieroglyphen sind, die auf portugiesischen Euromünzen abgebildet sind. Hieroglyphen gibt es, soweit ich weiß, nur in Ägypten.
Nein, es sind alte königliche Siegel, die die Münzen schmücken. Jede Münzreihe hat ihr eigenes Siegel als Motiv.
Die 1, 2 und 5 Centmünzen schmückt ein königliches Siegel von 1134.
Die 10, 20 und 50 Centmünzen werden mit einem Siegel aus dem Jahre 1142 dargestellt.
Und die 1 und 2 Euromünzen schmückt ein königliches Siegel von 1144.

Natürlich kann das nicht jeder wissen, und selbst ich musste erst nachschauen, aus welchem Jahr die Siegel sind. Aber man könnte vielleicht auch ein bisschen besser auf die Münzen schauen, wenn man sie schon einmal in der Hand hat.
Ich z.B. weiß, das auf Deutschen 1 Euromünzen der Bundesadler dargestellt ist, und nicht etwa ein Quitscheentchen oder eine Menge Hieroglyphen.

Hieroglyphen, wie kommt der Mensch auf Hieroglyphen?

Der Magen von Lissabon




An der Avenida 24 de Julho, genau gegenüber vom Bahnhof Cais do Sodré, liegt der größte Hallenmarkt von Lissabon, der Mercado da Ribeira.
Die Lissabonner nennen den Markt liebevoll den „Magen von Lissabon“ (Estomago de Lisboa). Die kuppelgekrönte Halle aus dem Ende des 19. Jahrhunderts ist mit ihrem farbenträchtigen und frischen Angebot ein wahres Fest für alle fünf Sinne.

In der Fischabteilung kann man verschiedene Muscheln, Barsche, Tintenfische, allerlei Krebstiere, Seeteufel, Seezungen, Makrelen und natürlich kistenweise Sardinen kaufen.
In der Obst- und Gemüseabteilung kann man sich Kirschen, Erdbeeren und Birnen aus Nordportugal besorgen, Trauben, Feigen und Salate aus dem Lissabonner Raum einkaufen, Orangen, Zitronen und Mandeln aus der Algarve erwerben, Ananas, Mangos und Granatäpfel von den Azoren bestaunen, Bananen, Maracujas und Kiwis aus Madeira kaufen.
Außerdem kann man sich in den Markthallen allerlei Fleisch, Milch- und Käseprodukte, Brot, Gewürze und Blumen besorgen.

Der Mercado da Ribeira ist nicht der Ort, wo man schnell und gezielt das Nötigste einkaufen geht. Eigentlich ist das kein Markt in Portugal. Der Markt ist normlerweise ein Zentrum lebhafter, ausgiebiger Begegnung: Wer auf den Markt geht, kennt für gewöhnlich die Händler, plaudert mit ihnen, fingert am Obst und Gemüse, probiert die Oliven, empört sich lauthals über die hohen Fleischpreise und feilscht mit Inbrunst um den Fisch.
Man begrüßt Bekannte und tauscht mit ihnen die letzten Neuigkeiten aus. Für viele Menschen, vor allem auf dem Land, ist der Marktbesuch die einzige Gelegenheit mit der Außenwelt in Kontakt zu kommen. Der Mercado da Ribeira ist so ein Begegnungsort.

Wie abertausende Lissabonner vor ihnen und abertausende nach ihnen, haben sich meine Eltern damals, anlässlich ihrer Hochzeit im Oktober 1964, in dem Mercado da Ribeira die Lebensmittel und die Blumen für ihr Hochzeitsmahl besorgt. Ohne Zweifel ist der Magen von Lissabon der schönste Ort um Lebensmittel einzukaufen.

Wie eine Hühnerbrühe zum Pausenfüller wurde


Gehen sie gerne auswärts essen?
Vielleicht zum Inder?
Wenn nicht, dann gehen sie mal zu einem, und bestellen sie dort mal eine Hühnerbrühe Kanji.
Sollten sie aber keinen Inder in der Nähe haben, dann gehen sie zu einem Portugiesen, und bestellen sie bei dem eine Hühnerbrühe canja. Es handelt sich nämlich bei dieser nahrhaften Brühe mit Hühnchenfleisch, um den gleichen Teller!

Die in Portugal überall bekannte canja ist nämlich indischen Ursprungs.
Schon der portugiesische Mediziner und Hofarzt von König João III, Garcia de Orta, erwähnt diese „gesundmachende Brühe“ in seinem berühmten Werk „Ratgeber der einfachen Drogerie und Medizin aus Indien“ (Colóquios dos Simples e Drogas e Coisas Medicinais da Índia) und beschreibt sie, als eine aus Wasser, Reis und Hühnerfleisch bestehende Brühe.
Diese Brühe war an der Malabarküste, an der auch die portugiesische Kolonie Goa lag, als Kanji bekannt und als gesundheitsfördernd sehr beliebt. Die portugiesischen Seefahrer brachten dann Anfang des 17. Jahrhunderts die Rezeptur nach Lissabon mit.

Am Hofe wurde diese stärkende Brühe bald sehr beliebt.
Die Könige der Dynastie Bragança liebten fast alle die canja.
In den Palastküchen des Ajudapalastes stand immer ein Topf mit frischer canja essbereit.

Von Königin Maria I wird berichtet, dass ihr jeden Tag eine Terrine von dieser Hühnerbrühe an den Tisch gebracht wurde, und sie brav jeden Tag einen Teller canja aufaß.

Über König Pedro IV ist sogar überliefert, das er seine canja überall und zu jederzeit gerne aß.
So wird behauptet, dass wenn er ins Theater ging, er sich immer zwischen dem zweiten und den dritten Akt, eine warme canja servieren ließ. Und das Theaterstück ging erst wieder los, wenn seine Majestät seinen Pausenfüller verspeist hatte.

Als der englische General Arthur Wellesley, der zukünftige Herzog von Wellington, im portugiesischen Lavos an Land ging, um seine Truppen gegen die Truppen Napoleons zu formieren, die dabei waren Portugal zu besetzen, soll ihm gleich am ersten Tag eine canja serviert worden sein. Jedenfalls berichtet er dies in einem Brief an seine Ehefrau Lady Kitty Pakenham, im August 1808.

Ich selber bin kein großer Freund der canja. Wahrscheinlich, weil ich seit Kindestagen diese Suppe mit krank sein in Verbindung bringe. Denn als Kind musste ich immer wenn ich krank war, um wieder gesund zu werden, mit starkem Widerwillen einen Teller canja essen…
Nein, ich war nie so brav wie Königin Maria I.

Aber sollten sie, lieber Leser meines Blogs, mal zum Inder oder zum Portugiesen essen gehen, probieren sie doch mal eine canja, und lassen sie es mich dann wissen, wie es ihnen gemundet hat.

Samstag, 20. Juni 2009

Könige ohne Krone




Wer jemals im Königspalast von Ajuda in Lissabon, dem Herzogspalast in Vila Viçosa oder in der Bildergalerie des Kutschenmuseums in Belém zu Besuch war, und sich dort die Porträts der Könige aus dem Hause Bragança angeschaut hat, dem ist bestimmt aufgefallen, das die Könige und Königinnen auf den Gemälden immer ohne aufgesetzter Krone abgebildet sind.
Die Krone ist zwar abgebildet, wird aber immer auf einem Kissen liegend, auf einem Tisch oder einem Podest liegend, dargestellt.

Warum ist das so?
Warum wurden die Könige von Portugal, von 1640 bis 1910, immer ohne Krone auf dem Haupt dargestellt?
Nun, um eine Antwort darauf zu finden, müssen wir knapp 370 Jahre in die Geschichte zurückreisen.

Damals, im Mittelalter war in ganz Europa der Heilig-Geist-Brauch (Espirito Santo) verbreitet. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde dieser Brauch auch in ganz Portugal äußerst populär.
Da die Menschen zu dieser Zeit äußerst gläubig waren, suchten sie ihr Seelenheil in diesem Brauch, immer wenn ein Unglück das Königreich traf, wie zerstörerische Erdbeben, tödliche Seuchen und verheerende Missernten.
Dann, 1578, traf die Nation ein Unheil, das noch heute von vielen Portugiesen als das größte ihrer Geschichte betrachtet wird:
der junge König Sebastião kam von einem Kreuzzug aus dem Norden Afrikas nicht zurück. Er wurde in der Schlacht von Alcazar-El-Kebir, im heutigen Marokko, vernichtend geschlagen. Das war nicht nur das Ende von König Sebastião, sonder für 60 Jahre auch das Ende der portugiesischen Nation. Denn Sebastião hinterließ keinen Erben, und so blieb der Thron vakant.
Das führte dazu, das nach einem zweijährigen Krieg, sich 1580 der spanische König Phillip II die portugiesische Krone aufsetzte.

Aus dem Land der Seefahrer und Entdecker wurde nun eine spanische Provinz.
Noch schlimmer, aus Portugal wurde nun eine ungeliebte spanische Kolonie.
Bis 1640 sollten nun die Spanier über das besetzte Portugal diktatorisch herrschen.
In diesen 60 Jahren Fremdherrschaft erreichte der Heilig-Geist-Brauch seinen Höhepunkt, und das primäre Zeichen dieses Brauches, eine Krone, setzte man der Schutzpatronin Portugals, der Jungfrau Nossa Senhora da Conceição, auf.
Viele mögen darin heute nur einen religiösen Akt sehen. Aber in Wirklichkeit war das damals die einzige Möglichkeit die Portugal besaß um Spanien den Gehorsam zu verweigern. König Phillip, als gläubiger Katholik, wagte es damals nicht eine religiöse Figur, wie die Jungfrau Nossa Senhora da Conceição, anzurühren (über die spanische Gewaltherrschaft in Portugal, werde ich in einem späteren post noch genauer schreiben).

Als Portugal 1640 wieder unabhängig wurde, konnte und wollte sich der neue König von Portugal, João IV aus dem Hause Bragança, nicht die Krone aufsetzen. Für ihn kam dass einer Gotteslästerung gleich.
Bei einer feierlichen Zeremonie 1644, bei der er der Statue der Jungfrau die Krone aufsetzte, bestimmte er in einem Dekret, für sich und seine Nachfolger, dass ab diesem Tag nur die Jungfrau Nossa Senhora da Conceição in Portugal das Anrecht darauf hatte, die Krone zu tragen. Und so blieb es dann auch!

Obwohl der Heilig-Geist-Brauch mit der Zeit in Portugal, und auch im restlichen Europa, verebbte – nur auf den Azoren blieb er bis heute lebendig und wird auch dort sehr groß gefeiert – setzten sich die portugiesischen Könige nie wieder die Krone auf.

Dies kann man, wie von mir schon Anfangs erwähnt, auf den zahlreichen Gemälden und Statuen der Könige und Königinnen, die nach 1640 in Portugal regierten, noch heute sehen.

Das Apotheken-Museum (Museu da Farmácia) in Lissabon


Gestern wurde vom amerikanischen Botschafter in Portugal, Mister Thomas F. Stephenson, dem Apotheken-Museum zu Lissaboon eine ganz besondere Schenkung gemacht.
Meiner Meinung nach, eine so besondere Schenkung, dass ich mich wahrscheinlich demnächst auf den Weg machen werde, um dem Museum ein Besuch abzustatten.

Obwohl ich mich rühmen kann, so ziemlich fast alle Museen in und um Lissabon zu kennen, muss ich gestehen, dass mir dieser bis jetzt entgangen ist.
Aber wie man so schön in Deutschland sagt: „Was nicht ist, kann ja noch werden!“

1996 wurde hier, im Lissabonner Stadtteil Santa Catarina, in dem Gebäude der Portugiesischen Nationalen Apothekervereinigung (Associação Nacional das Farmácias) das Apotheker-Museum (Museu da Farmácia), basierend auf der Sammlung des Pharmazeutikers Dr. Salgueiro Basso, gegründet.

Aber nun, zurück zur Schenkung des amerikanischen Botschafters.
Er überreichte dem Direktor des Museums, mit einem Gruß der NASA, den Erste-Hilfe-Koffer des Space Shuttle Endeavour, von der Mission STS-97.
Also, ich weiß nicht, wie viele Missionen Endeavour schon hinter sich hat, und wie viele Erste-Hilfe-Koffer immer an Bord sind. Aber, meiner Meinung nach, ist solch ein Geschenk schon etwas Außergewöhnliches.

Erst heute habe ich erfahren, dass das Apotheken-Museum schon drei Mal hintereinander zum besten Museum Portugals gekürt worden ist, nämlich 1996, 1997 und 1998.

Im Museum kann man über 5000 Jahre Medizingeschichte bewundern, unter anderem Objekte aus dem antiken Rom, Mesopotamien und Ägypten und verschiedene Apothekergeräte,
-gewichte, und Waagen aus Portugal. Außerdem ist der Nachbau einer chinesischen Apotheke, die 1994 bei der EXPO 94 im Pavillon von Macau zu bestaunen war, dort aufgebaut.

Der Erste-Hilfe-Koffer der Endeavour wird ab jetzt zwischen der Reiseapotheke von Roald Amundsen, den dieser auf seiner Nordpolexpedition 1911 mitnahm und dem Erste-Hilfe-Koffer von Carlos Sousa, der 2006 an der Rallye Lisboa-Dakar teilnahm, seinen Platz finden.

Wie gesagt, bis jetzt, habe ich es versäumt dem Apotheken-Museum einen Besuch abzustatten. Aber vielleicht nächsten Monat, wenn Carla, Egbert, Nélson und Lorena aus Deutschland zu Besuch kommen, werde ich dieses nachholen.
Mein Schwesterherz Carla Marina, die selber Pharmazeutisch-Technische Angestellte ist, wird bestimmt gerne mit kommen.

Ich werde dann hier im Blog berichten, wie der Besuch war.

Freitag, 19. Juni 2009

„Oh, der trägt Brille. Ist bestimmt ein Portugiese!...“


Anfang dieses Monats musste ich mir leider eine neue Brille und neue Kontaktlinsen beim Augenoptiker machen lassen.
Diese Woche holte ich mir beides dann beim Optiker ab, und nun kann ich wieder „ungetrübt“ in die Welt schauen.

Aber vom Optiker brachte ich nicht nur die Brille und die Kontaktlinsen mit nach hause, sondern auch mehrere Prospekte (insgesamt 9 Stück, ich habe sie gerade gezählt!), die mir unaufgefordert von der netten Verkäuferin in die Tüte mitgegeben wurden. Es geht doch nichts, über Kundenbetreuung!
Heute wollte ich nun die ganzen Prospekte wegwerfen, und entdeckte, zu meiner Überraschung, in der ganzen Papierflut ein „Schätzchen“, das die Bezeichnung „Informationsprospekt“ wirklich verdient und mich sogar dazu bringt dieses post hier zu schreiben!

In diesem Prospekt eines Brillenherstellers, kann ich lesen, das es mal hier in Portugal eine Zeit gab, in der es unheimlich schick war, eine Brille zu tragen.
Im Gegensatz zu heute, wo man es eher vermeidet eine Brille zu tragen, setzten sich wohlhabende Mitmenschen hier in Portugal im 18. und 19. Jahrhundert eine Brille oder einen Monokel auf, und spazierten damit, voller Stolz, herum.
Das tragen einer dicken Hornbrille, den so genannten „Oculos de mocho“ (Eulenbrillen), so wie wir sie heute von Harry Potter kennen, war bei vielen Adeligen, Künstlern und Wissenschaftlern der letzte Schrei.
Aus dieser Zeit stammt wohl auch die Meinung, dass Brillenträger wohl alle Intellektuell und besonders Klug wären. Eine Meinung die sich kurioserweise bis heute gehalten hat, auch wenn die meisten dann heute doch lieber Kontaktlinsen tragen.

Natürlich trugen überall in Europa die Menschen Brillen, wenn sie es sich leisten konnten. Aber laut dem Infoprospekt des Brillenherstellers, trugen die Menschen hier in Portugal ihre Brillen, nicht nur wenn sie sich diese auch leisten konnten, sondern sie trugen sie auch mit einer gewissen Halsstarrigkeit.
Das ging soweit, so heißt es im Prospekt, das selbst die die eigentlich keine Brille brauchten, weil sie keine Sehschwäche hatten (wie z.B. König João VI), sich einfach aus Eitelkeit nur das Brillengestell oder den Monokel ohne Glas, auf die Nase setzten.

Das führte dazu, dass man sich im Ausland erbarmungslos über die Portugiesen lustig machte. Es entstanden sogar geflügelte Worte und Witze über die Brillen tragenden Portugiesen.
Das ging soweit, das man im entfernten London, wenn man jemanden mit einer besonders großen Brille auf der Nase sah, mit echt sarkastischem, britischem Humor meinte:

„Oh, der trägt Brille. Ist bestimmt ein Portugiese!...“

Jetzt im Nachhinein frage ich mich, warum ich dieses post hier eigentlich schreibe.
Denn als Brillenträger (und ich rede hier von einem wirklich dicken, fetten Teil das ich als stark Kurzsichtiger mit mir rumtragen muss) muss ich zugeben, dass es Dinge in Prospekten zu lesen gibt, die man gar nicht wissen will…