Freitag, 3. Juli 2009
Der alte grüne Doppeldeckerbus
Gestern Mittag war ich in Lissabon zu einem Bewerbungsgespräch. Und in der Altstadt Baixa wäre ich, durch fehlende Aufmerksamkeit meinerseits, beinahe von einem Sightseeingbus überfahren worden.
Diese Sightseeingbusse, die heute durch Lissabon fahren, sind alte, bunt angestrichene Doppeldeckerbusse, denen man das Dach abgenommen hat, und die früher ihren Dienst bei den Lissabonner Verkehrsbetrieben „Carris“ versehen haben. Heute, wie gesagt, fahren sie Touristen durch die Stadt.
Ich kann mich noch sehr genau an diese, damals in meiner Kindheit allerdings grünen Busse, erinnern.
In Großbritannien, von der Firma AEC-Society hergestellt, wurden die Busse, Modell Leyland, ursprünglich in zwei Farben lackiert.
Rot, wenn sie für den Londoner Markt vorhergesehen waren, und grün, wenn sie für den Lissabonner Markt bestimmt waren.
Als Kind, ich muss so um die vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, bin ich ab und zu mit ihnen gefahren. Sie gehörten zum Lissabonner Stadtbild so wie die alten Straßenbahnen („electricos“).
Die Straßenbahnen haben zum Glück bis zum heutigen Tag überlebt. Die alten, grünen Doppeldeckerbusse („autocarro de 2 pisos“) allerdings, wurden schon vor gut 40 Jahren aus dem Verkehr gezogen.
Ich bin leider nicht sehr oft mit diesen Bussen gefahren, denn mit sechs Jahren zogen ich und meine Eltern nach Deutschland, und als ich dann zehnjährig wieder nach Portugal kam, da waren sie bereits außer Dienst gestellt.
Aber ich werde niemals die unzähligen grünen, riesigen (für ein Kleinkind sieht alles riesig aus!) Leylandbusse mit den Karosserien von Weymann vergessen, wie sie am Rossio und am Restauradoresplatz standen oder die breiten Avenidas entlangfuhren.
Eine meiner frühesten Kindheitserinnerung, die ich niemals vergessen werde, spielt sich in so einem alten Leylandbus ab.
Eines Tages fuhr meine Mutter Luisa, mit mir und meiner kleineren Schwester Carla, in so einem Doppeldeckerbus in die Stadt.
Ich weiß noch, dass ich immer im oberen Deck mitfahren wollte, da man ja von da oben einen besonderen Blick über die Stadt hatte.
Und um es so richtig auszukosten, fuhr ich auch wirklich immer bis zum letzten Moment auf dem oberen Deck mit, sehr zum Leidwesen meiner Mutter, die mit meiner Schwester auf dem Arm sich immer sputen musste, um hinten rechtzeitig auszusteigen.
An diesem Tag, als meine Mutter mit uns Kinder also in die Stadt fuhr, trödelte ich mal wieder beim Aussteigen.
Jedenfalls muss es das gewesen sein, denn das nächste an das ich mich erinnern kann, ist wie meine Mutter, mit meiner kleinen Schwester auf dem Arm, hinter dem Bus herläuft (die alten Leylandbusse hatten hinten keine Türen, sondern waren offen) und ich im fahrenden Bus ihnen hinterher schaue.
Nur Dank der anderen Fahrgäste, die den Fahrer zuriefen, er möge sofort anhalten, hielt der Bus noch einmal an, und meine Mutter konnte ihren Sohnemann wieder in ihre Arme nehmen.
Und an noch eine bestimmte Begebenheit kann ich mich erinnern, was die alten Leylandbusse angeht.
Ich weiß noch, als ob es gestern gewesen wäre, wie oft mich meine Mutter ermahnt hat, nicht in die Wohnungen der Leute rein zu schauen, wenn der Bus an einer Ampel oder Kreuzung anhielt. Sie hielt das für äußerst unhöflich!
Da das obere Deck des Busses genau mit dem ersten Stockwerk der Wohnhäuser kombinierte, konnte man den Leuten regelrecht in die Suppenteller reinschauen, wenn sie die Fenster offen hatten.
Die Aufforderungen meiner Mutter, nicht in die Wohnungen der Leute reinzuschauen, waren für mich damals total unverständlich.
Was konnten denn diese netten Menschen (manche winkten mir sogar zu) denn schon dagegen haben?
Ich mag nicht sehr oft mit ihnen gefahren sein, den alten Leylandbussen der traditionsreichen Firma AEC.
Aber ich habe oft von den wenigen Fahrten, die ich mit ihnen machen durfte, geträumt!
Das sind Kindheitserinnerungen die man nie vergisst!
Diese Erinnerungen sind noch nicht einmal 40 Jahre alt.
Aber mir kommt es vor, jetzt wo ich dieses post schreibe, als ob das alles schon 100 Jahre her ist.
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