Etwa auf halber
Strecke zwischen dem nordportugiesischen Porto und der Universitätsstadt
Coimbra liegt die Stadt Aveiro reizvoll am Ostrand eines etwa 47 km langen und
bis zu 11 km breiten fischreichen Haffs (port.: ria).
Dieses Haff, die Ria
de Aveiro, ist ein verzweigter und artenreicher Brackwasserbinnensee der vom
Fluss Rio Vouga und dem Atlantik gespeist wird und den die ortsansässige
Bevölkerung oftmals wegen seiner vielen Seitenarme „Polipo aquático“ (dt.:
Seepolyp) nennt.
Aveiro ist
Distriktshauptstadt, Bischofsitz und einer der wichtigsten Hafenstädte an der
Westküste Portugals.
Etwa 80.000 Menschen
leben in und um Aveiro, und während sich früher die Bevölkerung hauptsächlich der
Fischerei, der Meersalzgewinnung der Salinen der Ria de Aveiro und dem Seetank (port.:
moliço) des Haffs, der als Dünger sehr
geschätzt war und neuerdings wieder ist, widmete, sind die Hauptgeschäftszweige
der Stadt heute die seit dem 19. Jahrhundert hier angesiedelte Porzellan- und
Keramikerzeugung, die Papier- und Nahrungsmittelindustrie und der Tourismus.
Die Gegend um Aveiro
war, so zeigen neuzeitliche Ausgrabungen, schon bereits in der Jungsteinzeit
und in der Bronzezeit besiedelt.
Später ließen sich
die Römer in der Gegend nieder und gründeten im heutigen Stadtgebiet von Aveiro
die Siedlung „Talabriga“.
In der
Schenkungsurkunde „Suis terras in Alauraio et Salinas“, die mit dem 26. Februar
959 datiert ist und den die damals einflussreichste Frau der Iberischen
Halbinsel, Gräfin Mumadona Dias (port.: Condessa Mumadona Dias), an das Kloster
von Guimarães verfasst, wird Aveiro zum ersten
Mal urkundlich namentlich erwähnt.
Im Jahre 1434 erlaubt
König Duarte I den Bürgern der Stadt fortan einen alljährlichen Markt
abzuhalten, einen Markt, der noch heute jedes Jahr im März (port.: Feira de Março) abgehalten wird.
Ab dem Ende des 15.
Jahrhundert wurde Aveiro, Dank seiner außergewöhnlichen Lage, zu einem der
bestgeschützten Hafenplätze Portugals und erlebte zu Zeiten der
Entdeckungsfahrten seine größte Blüte.
Der Hafen von Aveiro
war so geschützt weil der Rio Vouga durch seine angeschwemmten Ablagerungen
dafür sorgte, dass lediglich eine schmale Verbindung, die „barra“, zum Meer hin
offen blieb.
Ein schweres Unwetter
verwüstete 1575 den Ort und verschloss die „barra“, den einzigen Zugang zum
Meer. Der nunmehr vom Atlantischen Ozean getrennte Hafen verlor rasch seine
ursprüngliche Bedeutung. Alle Versuche, die verschüttete Passage freizuräumen,
scheiterten kläglich.
Die Fischer wurden damals
von einem Tag auf den anderen brotlos, erfolgreiche Entdeckungsfahrten von
Aveiro aus waren ab da durch die Versandung auch nicht mehr möglich und so
erlebte die Bevölkerung einen rapiden sozialen und ökonomischen Absturz.
Aveiro brauchte
Jahrzehnte um sich von dieser Naturkatastrophe zu erholen. Von den ehemals
14.000 Einwohnern die damals die Stadt bevölkerten blieben lediglich nur etwas
über 3.000 übrig.
In einem feierlichen
Akt erhob König José I Aveiro am 11. April 1759 zur Stadt.
Wahrscheinlich tat er
das, um die Bevölkerung der Stadt zu beruhigen, denn nur wenige Monate vorher, am
13. Januar 1759, hatte der König den letzten Herzog von Aveiro (port.: Duque de
Aveiro), Dom José de Mascarenhas da Silva e Lencastre, wegen seiner angeblichen
Teilnahme an einem Attentat gegen den König, öffentlich wegen Hochverrats auf
grausamste Art und Weise in Lissabon hinrichten lassen.
Der Hass von König
José und der seines Prämierministers Marquês de Pombal gegenüber dem Herzog von
Aveiro war so groß, das auf königlichen Befehl hin, der Name der Stadt von
Aveiro in Nova Bragança umgeändert wurde.
Aber als Königin
Maria I, die Tochter von König José I, 1777 den Thron bestieg, entledigte sie
sich des von ihr gehassten Prämierministers ihres Vaters und es war sie, die aus
Nova Bragança wieder Aveiro machte.
Im Frühjahr 1808
wüteten wieder orkanartige Sturmfluten über Aveiro, die so stark waren, das die
alte versandete Durchfahrt, die „barra“, wieder auf natürliche Weise
größtenteils freigespült wurde.
Am 03. April 1808
konnte nach größten Anstrengungen endgültig ein neuer Zugang zum Atlantik hin
eröffnet werden. Fortan schützte man diese für die Stadt so wertvolle Öffnung
zum Meer vor neuerlicher Versandung mit zahlreichen Deichbauten und Wehren.
So konnte Aveiro in
den letzten zwei Jahrhunderten seine Bedeutung als einer der besten Häfen
Portugals wiedergewinnen.
Häufig
wird Aveiro mit Amsterdam und Venedig verglichen – angesichts der nur drei
vorhandenen Kanäle ein recht gewagter Vergleich.
Dennoch
sorgen diese drei Kanäle – der Canal das Prâmides, der Canal de São Roque und
der Canal dos Santos Mârtires – und die vielen mittelalterlichen Bauten in der
Stadt für ein sehr schönes Stadtbild.
Das die
Stadt sich solch eine einzigartige und reizvolle Atmosphäre bewahren konnte,
hat sie auch ohne Zweifel den pittoresken Seetangbooten (port.: barcos
moliceiros) zu verdanken, die heute hauptsächlich für touristische Zwecke
benutzt werden.
„Moliceiros“ heißen
die Seetangfischer von Aveiro, die mit eben diesen charakteristischen Booten heute
noch teilweise in der Ria de Aveiro, dem Haff von Aveiro, Seetang „ernten“.
Das Wort „moliceiro“
kommt von dem Wort „moliço”, dem portugiesischen Wort
für Algen oder Tang, bzw. dem daraus gewonnenen natürlichen Dünger für die
Landwirtschaft.
Die „moliceiros“
fahren mit ihren zumeist aus Kiefernholz gezimmerten, an den großen
Bugschnäbeln und am Heck mit naiven Darstellungen bunt bemalten Segelkähnen in
das weit verzweigte Haff hinaus und fischen mit einem großen Rechen den dort
vorhandenen Tang aus dem Wasser.
Bei
genügend starkem Wind setzen die Fischer auf den bis zu 15 m langen und etwas
über 2 m breiten Booten trapezförmige Segel. Ansonsten bewegen sie die Kähne
mit langen Staken oder treideln sie in schmalen Kanälen auch mit langen Seilen.
In den
letzten Jahrzehnten hat sich die Zahl der Barken in Aveiro von einst über
tausend auf leider nur noch einpaar Dutzend registrierte Boote verringert. Die
meisten werden für den Fremdenverkehr vermarktet um mit ihnen sehr reizvolle
Kanalfahrten zu machen, aber einpaar werden auch für ihre eigentliche
Bestimmung als Seetangboote genutzt.
Der früher
sehr verbreitete, einträgliche Beruf des Tangfischers war eine zeitlang praktisch
ausgestorben da die Landwirtschaft weitgehend zur Verwendung von Kunstdünger
übergegangen war und harter Existenzkampf und Landflucht der Jugend an der
Tagesordnung waren. In letzter Zeit aber, Dank der ökologischen Denkweise
vieler Obst- und Gemüseproduzenten und der Verbraucher ist, der Absatz an Seetang
etwas gestiegen und so gewinnt der Beruf des „moliceiro“ neuerdings etwas mehr
an Bedeutung.
Anlässlich
des Stadtfestes „Festa da Ria“, das alljährlich in den Sommermonaten Juli oder
August stattfindet, treffen sich die letzten Tangfischer von Aveiro in der Ria
zu einer Regatta, verbunden mit Geschicklichkeitswettbewerben und einem
Wettstreit um die schönste Bootbemalung.
Ein Fest,
dass man sich nicht entgehen lassen sollte!
Ebenso nicht
entgehen lassen sollte man sich die vielen historischen Bauwerke in der
Altstadt von Aveiro.
Die bedeutendsten
von ihnen sind:
- das
Kloster Mosteiro de Jesus
dieses
Dominikanerkloster wurde 1458 gegründet und beherbergt heute das Stadtmuseum
von Aveiro (port.: Museu de Aveiro), das auch unter dem Namen Museu da Santa
Joana (dt.: Museum der Heiligen Johanna) bekannt ist.
Joana war
eine portugiesische Infantin und wurde 1452 als Tochter von König Afonso V und
seiner Gemahlin Königin Isabel geboren.
Im Jahre
1475 trat Joana in das Dominikanerkloster ein und blieb in diesem bis zu ihrem
Tod am 12. Mai 1490. Im Kloster Mosteiro de Jesus wurde sie dann auch
beigesetzt.
Im Jahre
1693 wurde Joana von Papst Innozenz XII selig gesprochen und obwohl die
katholische Kirche sie bis heute nicht heilig gesprochen hat, wird sie
hierzulande heute als Santa Joana (dt.: Heilige Johanna) verehrt.
Das
sehenswerte Museum beherbergt zahlreiche Gemälde, Azulejos und religiöse
Gegenstände, die dem Leben der Santa Joana gewidmet sind
- die
Kirche Igreja São João Evangelsta (dt.: Sankt Johanneskirche)
in dieser
Kirche waren einstmals im 17. Jahrhundert die Karmelitinnen untergebracht,
weshalb die Kirche heute auch unter dem Namen Igreja das Carmelitas bekannt
ist. Sie ist sehr prunkvoll ausgestattet, mit einer bemerkenswerten
Kassettendecke, einem reich verzierten Altar und wunderschönen, sehenswerten
Azulejos an den Wänden
- die
Kathedrale von Aveiro (port.: Sé de São Domingos de Aveiro)
dieses
Gotteshaus ist aus dem 15. Jahrhundert und dem Heiligen Dominikus gewidmet.
Ursprünglich Hauptkirche des Dominikanerklosters der Stadt Aveiro, wurde sie im
Jahre 1938 zur Kathedrale erhoben. Da die Kirche seit ihrer Gründung mehrmals
umgebaut wurde, kann man heute an und in ihr verschiedene Stilrichtungen, wie
Manierismus, Barock und Modernismus, bewundern
- die
Kirche Igreja de Nossa Senhora da Apresentação (dt.: Kirche Unserer Lieben Frau
in Jerusalem)
diese
Kirche wurde im Jahre 1606 erbaut und ist in ihrem Inneren ein Überschwank an
barockem, vergoldeten Holzschnitzereien, der so genannten „talha dourada“.
Glanzpunkt der Innenausstattung der Kirche ist eine gotische Marienfigur aus
Alabaster. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden dann an der Außenfassade die zwei
großen Azulejobilder angebracht.
Weitere
sehenswerte Objekte in Aveiro sind das Stadttheater (port.: Teatro Aveirense),
der alte Bahnhof (port.: Estação de comboios) mit seiner prachtvollen
Azulejofassade, das schöne Rathaus und der Pranger (port.: pelourinho) aus dem
18. Jahrhundert.
Ein
weiteres Highlight von Aveiro ist zweifellos seine Gastronomie.
Typische
regionale Fischgerichte, wie z.B. Aaleintopf (port.: caldeirada de enguias),
haben den Ruf zu den besten kulinarischen Speisen zu gehören, den das Land zu
bieten hat.
Wenn man
nicht gerade am Abnehmen ist, dann sollte man unbedingt die traditionellen
„ovos moles“ (dt.: weiche Eier) probieren, eine Süßspeise die praktisch nur aus zwei Komponenten besteht, nämlich Eigelb und Zucker – sehr viel Zucker!
Aveiro
ist zweifellos eine der schönsten und originellsten Städte in Portugal und zu
jeder Zeit eine Reise wert!