Als die Französin Jeanne
dArc, auch bekannt als „die Jungfrau von Orleans“ (port.: „a donzela de
Orléans“), sich Anfang des 15. Jahrhunderts daran machte gegen die Engländer im
Hundertjährigen Krieg zu ziehen, schrieb sie Weltgeschichte.
Knapp 150 Jahre nach ihren
heroischen Taten auf dem Schlachtfeld, machte sich eine Portugiesin daran es
der Französin gleich zu tun.
Ihr Name war Antonia
Rodrigues.
Vieles aus dem Leben von
Antonia Rodrigues ist heute ein Rätsel, so z.B. ihr genaues Geburtsdatum, viele
ihrer Abenteuer, die letzten Jahre ihres Lebens oder das Datum und den Ort
ihres Todes.
Und selbst das wenige
was wir heute über sie wissen, basiert fast ausschließlich auf mündliche
Überlieferungen, die oftmals voller Phantasie sind und somit, obwohl viele
Begebenheiten, Personen und Orte sehr wohl der Realität entsprechen, die
Wirklichkeit bei weitem übersteigen.
Geboren wurde Antonia
Rodrigues in sehr ärmlichen Verhältnissen in der portugiesischen Hafenstadt
Aveiro um das Jahr 1580 herum – das genaue Geburtsdatum ist leider nicht
überliefert.
Ihr Vater war der
Seemann Simão Rodrigues und ihre Mutter hieß Leonor
Dias.
Simão Rodrigues gehörte allem Anschein nach damals zu den
Männern, die sich Mitte des 16. Jahrhunderts vor Neufundland (port.: Terra
Nova) dem fischen von Stockfisch (port.: bacalhau) widmeten.
Aveiro
hatte zu dieser Zeit eine große Flotte von Schiffen die sich in den Gewässern
der neu entdeckten Welt dem Fang des Stockfisches hingaben. Luftkonservierter
Stockfisch diente damals der massenhaften Versorgung der Schiffsmannschaften und
der Soldatenheere. Letztendlich war dieser trockene Fisch mitverantwortlich für
die erfolgreichen Entdeckungsfahrten der Portugiesen.
Die Mutter von
Antonia Rodrigues, Leonor Dias, kümmerte sich um den Haushalt und um die große
Kinderschar.
Als Antonia zehn
Jahre alt war schickte sie ihr Vater zu einer älteren Schwester von ihr nach
Lissabon. Durch die harte Arbeit auf hoher See war er mit den Jahren krank
geworden und so nicht mehr in der Lage seine kinderreiche Familie zu ernähren.
Der Name dieser
Schwester ist leider nicht überliefert. Man weiß aber, dass diese verheiratet
war und das sie wohl in besseren Verhältnissen lebte als ihre Familie in
Aveiro.
Das Verhältnis von
Antonia zu ihrer Schwester scheint von Anfang an nicht das Beste gewesen zu
sein, denn besagte Schwester beschwerte sich oftmals, dass Antonia sich weigere
die anfallenden hausfraulichen Tätigkeiten zu erledigen.
Durch ihre
eigensinnige und freiheitsliebende, ja fast revolutionäre Art wurde das
zusammenleben mit ihrer Schwester und ihrem Schwager mit der Zeit praktisch
unmöglich. In einer Zeit, in der Männer sich den Frauen überlegen fühlten, kam
sie vor allem mit ihrem Schwager sehr oft in Konflikt, was zur Folge hatte das
sie immer öfters von zuhause weglief.
So kam es das Antonia
im zarten Alter von 12 Jahren, so um das Jahr 1592 herum, beschloss ihr eigenes
Leben zu Leben.
Sie besorgte sich
Männerkleidung, schnitt sich die Haare kurz und heuerte im Hafen von Lissabon auf
einem Schiff, das Weizen nach Marokko bringen sollte, an.
Antonia stellte sich
beim Kapitän des Schiffes als Antonio Rodrigues vor und dieser nahm Antonia/o
als Schiffsjungen auf seiner Karavelle auf.
Alsbald verließen sie
Lissabon in Richtung Marokko (port.: Marrocos).
Ihr Ziel war die
Stadt Mazagão (arab.: El Jadida) an der
marokkanischen Atlantikküste. Mazagão stand damals unter portugiesischem
Einfluss, denn die Portugiesen hatten hier im Jahre 1502 eine mächtige und
wehrhafte Festungsanlage errichtet und die Enklave dann zur Hauptniederlassung Portugals
in Marokko erklärt.
Obwohl der Kapitän
offenbar mit seinem neuen Schiffsjungen zufrieden war, jedenfalls wird nichts Negatives
darüber berichtet, beschloss Antonio recht schnell nach seiner Ankunft in Mazagão im exotischen Marokko zu bleiben.
So kam
es, dass die Karavelle die Rückreise nach Portugal antrat und Antonio Rodrigues
anscheinend aus purer Abenteuerlust in Afrika zurückblieb.
Der
Überlieferung nach soll sich Antonio dann persönlich an Diogo Lopes de
Carvalho, dem Militärgouverneur von Mazagão gewandt haben und diesen nach einer freien Stelle in
seinem Heer als einfachen Soldat gefragt haben. Der Gouverneur nahm diesen
freiwilligen Dienst gerne an, und Antonio lernte fortan mit dem Schwert und der
Lanze umzugehen.
Es heißt der
Gouverneur wäre damals sehr von der angenehmen und eleganten Person des jungen
Soldaten aus Aveiro angetan gewesen, natürlich ohne zu wissen, das sich hinter
Antonio eigentlich Antonia verbarg.
Im Jahre 1592
überfielen die Mauren mehrere Male Mazagão, konnten
die Festung aber nicht einnehmen.
Antonio
Rodrigues, der schnell das Kriegshandwerk gelernt hatte, kämpfte bei diesen Überfällen,
so ist überliefert, stets an vorderster Front und verteidigte die Festung immer
mit großem Mut.
Eines
Tages erfuhren die Portugiesen durch einen Spion, dass die arabischen Mauren die
Getreidefelder vor der Stadt zerstören wollten, um dann die portugiesischen
Besatzer in ihrer Festung auszuhungern und so zu vernichten.
Der
Geschichte nach, soll Antonio damals den Militärgouverneur darum gebeten haben
die für die Portugiesen so wichtigen Getreidefelder mit einpaar Mann zu
verteidigen.
Der
Gouverneur, der über den Mut Antonios sehr erfreut war, gab ihm drei Dutzend
Männer mit und stellte die Soldaten unter Antonios Kommando.
Als die in Überzahl
eigentlich viel mächtigeren Mauren es am wenigsten erwarteten, überfielen sie
die portugiesischen Soldaten. Angesichts des Überraschungseffektes, der von
Antonio gut organisierten Führung und des heldenhaften Mutes der Truppe,
konnten die Portugiesen die Mauren in die Flucht schlagen.
Von diesem Tag an
nannten alle Antonio voller Ehrfurcht den „Schrecken der Mauren“ (port.:
„terror dos mouros“!
Antonio kehrte in die
Festung als Sieger zurück und wurde von der Bevölkerung feierlich empfangen.
Als Dank beförderte ihn Diogo Lopes de Carvalho zum Offizier und stellte die
Kavallerie Mazagãos unter sein Kommando.
Antonio war nun ein
Held und nicht nur bei seinen Kameraden und seinen Vorgesetzten sehr beliebt
und respektiert. Auch die Damenwelt fing an sich immer stärker für ihn zu
interessieren.
Er selber, so scheint
es, ließ sich von den Damen gerne anschmachten, denn das erleichterte ihm
anscheinend sein Versteckspiel.
Fünf Jahre konnte er so
sein Doppelleben ziemlich problemlos führen.
Er spielte aber so lange
mit dem Feuer, bis ein Damenherz sich wirklich unsterblich in ihn verliebte.
Dieses Herz gehörte der jungen Adligen Beatriz de Meneses, Tochter von Diogo de
Mendonça, einem der einflussreichsten Männern
von Mazagão.
Da die
Liebe von Antonio Rodrigues aber nicht erwidert wurde, und Beatriz de Meneses
aus Liebeskummer schwer erkrankte, sah sich ihr Vater Diogo gezwungen Antonio um die Heirat mit
seiner geliebten Tochter zu bitten.
Antonio konnte und
wollte natürlich, aus verständlichen Gründen, einer Ehe mit Beatriz nicht
zustimmen.
So sah sich D. Diogo
gezwungen den Militärgouverneur, den obersten Dienstherren von Antonio, darum
zu bitten er möge seinem Soldaten Antonio die Heirat mit Beatriz befehlen.
Da Diogo de Mendonça sehr einflussreich war und er beste Beziehungen
zum Hof in Lissabon hatte, konnte er den Gouverneur von dieser „Zwangsheirat“
überzeugen.
Der Gouverneur ließ
daraufhin Antonio zu sich kommen und in Anwesenheit von Beatriz, ihrem Vater
und dem Vikar der Festung, der vorsorglich einbestellt worden war, befahl er
seinem Offizier die Adelstochter zu ehelichen.
Angesichts seiner auswegslosen
Situation, gestand der „Schrecken der Mauren“ seinem Dienstherren, das er nicht
Antonio war, sondern eigentlich Antonia.
Unter Tränen beichtete
er dem Militärgouverneur sein vertauschtes Leben und bat ihn um Vergebung.
Der Gouverneur war
bereit Antonia zu verzeihen, verlangte von ihr aber, dass sie sich fortan nur
noch in Frauenkleidern zeigen dürfe, „wie es sich für ihr Geschlecht zieme“.
Auch ihre Freunde und
Soldatenkollegen waren anscheinend bereit Antonia ihr Doppelleben zu verziehen,
jedenfalls soll sie nach der Bekanntgabe ihres Geheimnisses noch einige Zeit in
Mazagão gelebt haben.
Lediglich
Beatriz de Meneses und die anderen Frauen, die sich über die Jahre hinweg
Hoffnung auf ein Leben mit Antonio gemacht hatten, waren wohl alles andere als
begeistert und verständnisvoll.
Da
Antonia intelligent, schön und sehr beliebt war, fingen nach Bekanntgabe ihrer
wahren Identität nun die Männer an Antonia den Hof zu machen.
Sie
verliebte sich in einen Soldatenkollegen, dessen Namen nicht übermittelt ist,
und ehelichte diesen dann später in der Kirche Igreja de Nossa Senhora da Assunção
in Mazagão.
Das
Ehepaar blieb in Mazagão bis schätzungsweise um das Jahr 1615 herum.
Als
Antonia 35 Jahre alt war, kehrte sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn, den sie in der
Zwischenzeit geboren hatte, nach Lissabon zurück.
Als König
Felipe III von Spanien, der als Filipe II gleichzeitig auch König von Portugal war, im Jahr 1619 Lissabon besuchte, wollte er
unbedingt die Frau kennen lernen, um die sich schon damals so viele Legenden
rankten.
Felipe II
soll von Antonias Präsenz sehr angetan gewesen sein und so zeichnete er sie,
für ihre geleisteten militärischen Dienste in Afrika, mit verschiedenen Ehrungen
aus und gewährte Ihr und ihrer Familie zahlreiche Privilegien.
Nach 1620
ist nichts mehr über Antonia
Rodrigues, der Heldin von Mazagão, bekannt.
Man
vermutet, dass Antonia in Gesellschaft ihres Sohnes nach Spanien,
wahrscheinlich Madrid, gezogen ist. Wo sie letztendlich starb und wann sie von
dieser Welt ging, ist ebenso ein Mysterium, wie so viele Ereignisse im Leben
dieser Frau.
Man
könnte heute glauben, dass Frauen unter Waffen im Mittelalter etwas ganz
seltenes und ungewöhnliches waren. Tatsache ist aber, dass es sehr wohl weibliche
Soldaten gegeben hat. Hier in Portugal vielleicht weniger als z.B. in Italien,
in Frankreich oder den Niederlanden, aber es hat sie gegeben.
Antonia
Rodrigues aus Aveiro hat tatsächlich gelebt, sie war eine reale Person, keine
fiktive Erfindung der Geschichte!
Nichtsdestotrotz
sind ihr Leben und ihre militärische Karriere heute geheimnisvoll.
So
geheimnisvoll, das Antonia Rodrigues mit den Jahrhunderten eine Legende wurde.