Samstag, 29. November 2014

Zum Ersten Advent: Filhóses, frittierte Kürbiskrapfen


Meine Mutter Luisa ist wahrlich keine Fünf-Sterneköchin in der Küche und auch ich gehöre eher zur Fraktion der guten Esser anstatt zu der der guten Köche.
Nichtsdestotrotz wird bei uns sehr gerne gekocht und gegessen.
So kommt bei uns, vor allem jetzt in der Vorweihnachtszeit, immer die eine oder andere köstliche und traditionelle portugiesische Weihnachtsleckerei auf den Tisch.

Auf Anfragen und Bitten vieler meiner Freunde, die die Koch- und Backkünste meiner Mutter schon genießen durften, werde ich heute, und eventuell auch in den nächsten Adventswochenenden, das eine oder andere traditionelle Weihnachtsrezept meiner Mutter hier im Blog preisgeben.

Keines der Rezepte die ich hier posten werde ist – obwohl jedes von ihnen sehr wohl als Familienrezept gelten kann – ein Geheimrezept, d.h.: jeder kann diese Weihnachtsrezepte leicht nachkochen oder nachbacken.
Das größte Problem das ich beim niederschreiben der jeweiligen Rezepte hatte war letztendlich der, immer die genaue Mengenangabe der einzelnen Zutaten zu errechnen.
Da meine Mutter die Gabe hat ohne Kochbuch zu kochen und ohne Backbuch zu backen – sie wiegt und misst die Zutaten nie ab, sondern verwendet diese immer nach Augenmaß und Gefühl – war es zunächst vor allem schwierig hier die genauen Mengenangaben für die Rezepte zu finden.

Nach einigem Abwiegen und Abmessen und viel Geduld – Geduld ist wirklich die Zutat die meiner Mutter in der Küche am meisten fehlt – habe ich hier nun einige Weihnachtsrezepte zusammengetragen.
Für das Fehlschlagen beim ausführen dieser Rezepte übernehme ich keine Verantwortung, wogegen ich bei gutem Gelingen natürlich gerne alles auf meine Kappe nehme ;-)
Hier also ein Rezept zum Ersten Advent:

Filhóses, frittierte Kürbiskrapfen

Zutaten:

1 kg Kürbisfleisch
1 Prise Salz
Etwas Wasser zum Kochen des Kürbisfleisches
2 Orangen
10 g frische Hefe
4 Esslöffel Zucker
3 Eier
½ bis 1 halbes Glas Milch
1 Gläschen Schnaps oder 1 Glas Portwein
400 g Mehl
Olivenöl oder Fett zum frittieren
Zimt und Zucker zum bestreuen

1. Kürbisfleisch in kleine Stücke schneiden und mit einer Prise Salz in etwas Wasser weich kochen
2. nach dem kochen, das Kürbisfleisch aus dem Wasser nehmen und erkalten lassen
3. nun das erkaltete Kürbisfleisch mit der Hilfe eines Mixstabes pürieren
4. die frische Hefe im Saft der zwei Orangen auflösen und dann mit dem Zucker dem pürierten Kürbis hinzugeben
5. sodann die ganzen Eier, die geraspelte Schale der zwei Orangen, die Milch und zum Schluss den Schnaps oder den Portwein hinzufügen
6. dann das Mehl unter die entstandene Masse heben und alles zu einem eher dickflüssigen Teig zusammenmischen
7. nun den Teig bei normaler Zimmertemperatur zugedeckt gut eine Stunde gehen lassen
8. das Olivenöl oder Fett zum frittieren auf gut 180°C erhitzen und dann den Teig mit einer kleinen Kelle oder einem großen Esslöffel portioniert im heißen Öl ausbacken
9. wenn die eine Seite goldbraun gebacken ist, dann bitte die Filhós einmal wenden und nun von der anderen Seite goldbraun backen.
10. dann die Filhóses auf Küchenpapier abtropfen lassen und solange sie noch warm sind, in einem Zimt-Zucker-Gemisch wälzen

Die Filhóses können lauwarm gegessen werden, schmecken aber erkaltet genauso lecker.

Ich wünsche allen einen schönen und leckeren Ersten Advent!

Donnerstag, 27. November 2014

Weltkulturerbe Cante Alentejano


Nach einer zweijährigen Bewerbungszeit ist heute morgen in Paris der „Cante Alentejano“ (dt.: Alentejo-Gesang) in die UNESCO-Liste des Immateriellen Weltkulturerbes (port.: Lista do Património Imaterial da Humanidade da UNESCO) aufgenommen worden.
Insgesamt 58 Volksbräuche, Traditionen und Kulturpraktiken aus aller Welt bewarben sich wieder einmal bei der UNESCO um eine Aufnahme in die berühmte Liste und glücklicherweise wurde der regionale Musikstil des Alentejo heute in Paris vom UNESCO-Komitee einstimmig anerkannt.

Als Portugiese, und vor allem als großer Freund des Alentejo, habe ich mich über die heutige Wahl der UNESCO sehr gefreut!
Nach dem Fado im Jahre 2011 ist der Cante Alentejano die zweite portugiesische Musikform die es auf die begehrte Liste des Weltkulturerbes geschafft hat.

Der Cante Alentejano, ein mehrstimmiger Chorgesang der immer von Amateuren ohne instrumentale Begleitung und fast immer in Tracht vorgetragen wird, erzählt in kleinen poetischen Versen über die Alltagsereignisse, die Liebe, die Freundschaft und den schweren Arbeitsalltag im ländlichen Alentejo.
Dieser Musikstil unterscheidet sich von anderen Chorgesängen vor allem durch sein langsames Tempo und seinen charakteristisch harmonisch-monotonen Takt.
Ohne Übertreibung kann man sagen, dass dieser sehr typische Chorgesang, durch die Kraft seiner Melodien und die ausdrucksstarke Poetik seiner Verse, auf ganz besondere Art und Weise die Seele des Alentejo und seiner Menschen widerspiegelt.

Über die Herkunft des Cante Alentejano weiß man heute leider wenig.
Man vermutet das dieser jahrhundertealte Musikstil entweder eines der kulturellen Erben der maurischen Herrschaft in Portugal ist oder aber das gregorianische Mönche, die im Alentejo im Mittelalter mehrere Gesangsschulen gründeten, die Vorfahren des Cante Alentejano sind.

Heute ist der Cante Alentejano, trotz vieler Versuche der Modernisierung und Kommerzialisierung, vor allem als die traditionelle Musik des Volkes der Alentejanos bekannt und wird von diesem mit Stolz vorgetragen und gesungen.
Aber immer mehr Nicht-Alentejanos – Portugiesen und Ausländer – verlieben sich in den Klang dieses sehr originellen Musikstils und fangen an diese „Volksmusik“ zu schätzen und anzuerkennen – so wie heute auch die Damen und Herren das Komitees der UNESCO.

Wer mal eine kurze Klangimpression des Cante Alentejano hören will, hier eines von vielen You-Tube-Links:



Mittwoch, 26. November 2014

Lissabon ist für Archäologen eine Last


In einem portugiesischen Fernsehkanal sah ich dieser Tage eine Reportage in dem sich englischsprachige Touristen – so weit ich verstanden habe handelte es sich bei diesen um Archäologiestudenten – begeistert über Lissabon als Reiseziel äußerten, sich aber darüber enttäuscht zeigten, dass die portugiesische Hauptstadt archäologisch so wenig zu bieten hatte.
Nun, um ehrlich zu sein, materielle Hinterlassenschaften der kulturellen Entwicklung der Menschen des „vorportugiesischen“ Altertums sind in Lissabon tatsächlich eher Mangelware.

Fakt ist, das seit über viertausend Jahren Menschen an der Tejomündung siedeln.
Man weiß heute nicht mehr mit Sicherheit wer als erster den kleinen Ort an der lieblichen Bucht „Olisippo“ nannte. Tatsache ist aber, dass die Geschichte der Stadt weit zurück in eine Zeit reicht, als die heutige Unterstadt, die Baixa, noch vom Wasser einer Tejobucht überflutet war. Wo heute der als Rossio bekannte Platz liegt, vereinigten sich in grauer Vorzeit zwei Seitenarme des Tejo. Der Verlauf der beiden Flussbetten ist heute noch deutlich zu erkennen: ihm folgen in einem auslaufenden V die blaue und die grüne U-Bahnlinien der Lissabonner Metro.

Die Phönizier, die Karthager und die Griechen benutzten Lissabon einstmals als idealen Naturhafen, als Ankerplatz und Handelsstation auf ihrem Weg vom Mittelmeer in den Norden Europas. Sie fühlten sich hier höchstwahrscheinlich sehr wohl und auch die Kelten und die Iberer scheinen sich hier geborgen gefühlt zu haben.

Im Zuge ihrer Auseinandersetzung mit dem nordafrikanischen Reich Karthago machten sich die Römer 218 v. Chr. an die Eroberung der Iberischen Halbinsel und standen bereits 13 Jahre später, 205 v. Chr., auch vor „Olisippo“, das sie später, wohl um Julius Cesar zu schmeicheln, in „Felicitas Julia“ umtauften.
Die Römer blieben dann über mehrere Jahrhunderte und ganz sicher frönten sie ihrer Baulust. So vermutet man heute unter den Grundmauern der Stadtburg Castelo de São Jorge Reste eines römischen Kastells, aber wie gesagt, man vermutet es nur.

Mit Sicherheit gefunden wurden, aber das auch nur per Zufall nach dem großen Erdbeben von 1755, z.B. in der Travessa do Almada, im heutigen Stadtteil Madalena, die Reste einer Therme und in der Rua da Prata, im Stadtteil Baixa, die Reste römischer Galerien. Von einem römischen Friedhof, der heute unter der Praça da Figueira liegt, hat man auch Kenntnisse, ebenso von einem Theater unweit der Rua de São Mamede.
Man kann sich das römische Lissabon mit Tempeln und Foren, Theater und Thermen vorstellen, vielleicht auch mit Parks über dem Wasser und mit den eitlen Standbildern des alten Rom.
Alleine beweisen lassen sich diese ganzen Bauwerke heute nur sehr schwer.

Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert n. Chr. wurde auch Lissabon von den Wirren der germanischen Völkerwanderung erfasst. Beim Ringen um die Vorherrschaft behielten schließlich die Westgoten die Oberhand.
Sie nannten die Stadt fortan „Ulixippona“ und bauten aus den Römersteinen die erste Stadtmauer. Die Mauer war wuchtig, plump und stabil, scheinbar war sie uneinnehmbar. Doch als sie den arabischen Mauren unter dem Feldherren Tariq Ibn Ziyad widerstehen sollte, widerstand sie nicht.

Die Mauren, die neuen Herren der Stadt, nannten „Ulixippona“ ab 711 n. Chr. „Al-Ushbuna“ (dt.: liebliche Bucht). Auf dem Alkazar, dem Vorläufer der Stadtburg Castelo de São Jorge, wehte für vierhundert Jahre die Fahne des Propheten. Die maurisch-islamische Kultur in „Al-Ushbuna“ strahlte hell und weit.
Das maurische Lissabon war, wie andere arabische Städte dieser Zeit auf der Iberischen Halbinsel, ein Kulturzentrum, mit dem sich die christlichen Niederlassungen nicht im entferntesten messen konnten.
Aber von all dieser arabischen Pracht, die immerhin 4 Jahrhunderte andauerte, blieb letztendlich weniger übrig als von den Römern.

Die eigentliche portugiesische Geschichte Lissabons begann erst im 12. Jahrhundert, als König Afonso Henriques aus dem Hause Burgund (port.: Borgonha) die Stadt mit Hilfe eines Kreuzfahrerheeres eroberte. „Al-Ushbuna“ wurde zu Lisboa, die Moscheen wurden zu Kirchen und man tauschte Allah gegen den christlichen Gott.
Kein Gebäude aus maurischer Zeit blieb original erhalten.
Nur die schmalen Treppenwege und die steinernen Bögen der Alfama verraten heute noch das vergangene arabische Erbe.

Es fehlen heute die Möglichkeiten und es fehlt aktuell vor allem das Geld um die Vergangenheit Lissabons vollends zu verifizieren.
So bleibt die Frühgeschichte Lissabons weiterhin im Dunkeln und ist oftmals nichts weiter als eine vage Vermutung.
Wahrlich, Lissabon ist für alle Archäologen eine Last!

Samstag, 22. November 2014

Das Museum im Haus der grünen Fenster



In einem imposanten Stadtpalast, genau gegenüber den Docks von Alcântara im Stadtteil Santos-o-Velho, befindet sich heute eines der schönsten und bedeutendsten Museen Lissabons, das Nationalmuseum für Alte Kunst (port.: Museu Nacional de Arte Antiga).
„Casa das janelas verdes“ (dt.: „Haus der grünen Fenster“) hat der Volksmund das Haus einstmals wegen seiner grasgrünen gestrichenen Fensterläden getauft. Auch heute nennen es viele so und die Straße an dem das Museum liegt heißt ebenso, Rua das Janelas Verdes.

Der Bau des Palastes wurde einstmals Ende des 17. Jahrhundert von dem Adeligen Francisco de Tavora, dem ersten Grafen von Alvor (port.: Conde de Alvor), in Auftrag gegeben.
Als die Familie Tavora in Ungnade fiel und fast alle Mitglieder dieses Adelsgeschlecht auf Befehl König Josés und seines Prämierministers Sebastião José de Carvalho e Melo, dem Marques de Pombal, verhaftet, enteignet und hingerichtet wurden, kam der stattliche Palast in den Besitz von Paulo António de Carvalho e Mendonça, dem Bruder des Prämierministers.
Als Paulo António de Carvalho e Mendonça im Jahre 1770 starb, wurde sein Bruder Hausherr.
Ein großes Erdbeben legte Lissabon am 01. November 1755 in Schutt und Asche und zerstörte die meisten Gebäude der Stadt. Der Marques de Pombal befand sich an diesem Tag im Haus. Er hatte Glück, denn die Mauern seines Palastes waren fest und hielten Stand.

Als im Jahre 1782 Prämierminister Pombal starb vermachte er den Palast der Krone.
Diese konnte zuerst mit der Immobilie nichts anfangen, aber nachdem ab 1834 alle kirchlichen Besitztümer und Vermögen in Portugal eingezogen wurden, benutzte man das Haus als Depot für die zahlreichen Kunstwerke der vielen Klöster und Kirchen.

Im Jahre 1881 fand im Londoner Victoria and Albert Museum, auf Wunsch von Queen Victoria, die Ausstellung „Portuguese ans Spanish decorative arts“ (dt.: Portugiesische und Spanische dekorative Kunstausstellung / port.: Exposição retrospectiva de arte ornamental Portuguesa e Espanhola) statt, bei der besonders schöne Kunstwerke aus dem Fundus der „Casa das janelas verdes“ gezeigt wurden.
Im Jahr darauf, 1882, wurden diese Kunstwerke auch in Lissabon gezeigt – Ausstellungsort war das „Haus der grünen Fenster“.
Nachdem die Ausstellung sehr erfolgreich war, entschloss sich die Krone die Exponate fortan einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
So wurde am 11. Mai 1884 das „Nationalmuseum der Schönen Künste und der Archäologie“ (port.: Museu Nacional de Bellas Artes e Arquelogia), der Vorläufer des heutigen Museums, von König Luis I im Palast eröffnet.
1893 wurde die archäologische Abteilung des Museums ausgegliedert und das Museum hieß fortan „Museu Nacional de Arte Antiga“ (dt.: Nationalmuseum für alte Kunst).

Als die Republik 1910 ausgerufen wurde, beschlossen die neuen Machthaber das Museum zu reformieren, d.h. es zu vergrößern.
Man war zu dem Entschluss gekommen, dass das Museum mit den Jahren nicht mehr genug Ausstellungsfläche hatte.
Durch viele Schenkungen und den nun beschlagnahmten Kunstobjekten des Königshauses war die Sammlung mit den Jahren zu einer stattlichen Größe angewachsen.
Dennoch dauerte es noch gut 40 Jahre, bis mit dem Bau eines neuen Museumsflügels im Jahre 1942 begonnen wurde. 1947 wurde dieser Flügel feierlich eröffnet.

Über die Jahrzehnte kamen dann immer mehr Schenkungen hinzu, und so ist das Museu Nacional de Arte Antiga heute einer der bedeutendsten und besuchenswertesten seiner Art, nicht nur in Portugal, sondern auf der gesamten Iberischen Halbinsel.
Aus zwei Gründen ist ein Besuch des Kunstmuseums anzuraten:
Erstens, man begegnet hier Werken aus portugiesischen Malerschulen, die man sonst kaum in dieser Vollendung sehen kann,
und zweitens, viele dieser Bilder, die von Malern wie z.B. Nuno Gonçalves, Gregório Lopes, Frei Carlos oder Cristovão de Morais stammen – ein jeder von ihnen ein großartiger Portraitist – sind sehr wertvolle historische Dokumentationen.

Nuno Gonçalves, der bedeutendste portugiesische Maler des 15. Jahrhunderts, ist im Museum mit einem grandiosen sechsteiligen Flügelaltar zu ehren des Stadtpatrons Lissabons, dem Heiligen Vinzenz (port.: Painéis de São Vicente), vertreten.
Noch heute streitet man sich um das Who´s Who der 60 vom Maler abgebildeten Figuren des Altars, in denen man aber mit Sicherheit König Afonso V und seine Frau Isabel, Heinrich den Seefahrer (port.: Henrique o Navegador), sowie Adlige, Ritter, Mönche, Botschafter, einen jüdischen Bankier, den Chronisten Fernão Lopes und Nuno Gonçalves selbst erkennen kann.
Der Flügelaltar wurde erst 1910 bei Umbauarbeiten am Kloster São Vicente de Fora wiederentdeckt und dann mit viel Sorgfalt restauriert. Er ist das wichtigste und wertvollste Bildwerk des Museums und ohne Übertreibung kann man sagen, dass dieses sechsflüglige Gemälde so etwas wie „Portugals Mona Lisa“ ist.

Auch Gregório Lopes, der Hofmaler der Könige Manuel I und João III, malte nach dem Leben und portraitierte viele Persönlichkeiten am Hof – von ihm ist im Museum ein authentisches Bild Vasco da Gamas zu sehen.

Cristovão de Morais, auch er Maler am portugiesischen Hof, verewigte ebenfalls Persönlichkeiten seiner Zeit auf Leinwand.
Sein berühmtestes Bild trägt den Namen „O Desejado“ (dt.: der sehnsüchtig erwartete) und zeigt den jungen König Sebastião.
Sebastião wurde mit nur drei Jahren auf den portugiesischen Thron gesetzt, nachdem sein Vater Infante João zwei Monate vor seiner Geburt gestorben war. Mit 14 übernahm er die Regentschaft und bereits mit 24 Jahren fiel er in einem unglücklichen Kreuzzug gegen die Mauren im marokkanischen Ksar-el-Kebir (port.: Alcácer-Quibir).
Nach der Schlacht von Ksar-el-Kebir wollten viele nicht an den Tod des Königs glauben, und so wurde er „sehnsüchtig erwartet“ – daher der Beiname „O Desejado“.
Aber Sebastião, ein phantastischer Träumer und finsterer Glaubenseiferer, tauchte nie wieder auf!

Da Sebastião auf dem Schlachtfeld ohne eigne Nachkommen starb, wurde sein nächster Verwandter, sein Onkel König Filipe II von Spanien, zwei Jahre nach seinem Tod zum König von Portugal proklamiert.
Über Filipe II, dem spanische Habsburger, glaubt man sei ein besonders wichtiges Bild nach Lissabon gelangt, nämlich „Die Versuchung des Heiligen Antonius“ (port.: „A tentação de Santo Antão“), von Hieronymus Bosch. Genau weiß man es nicht, aber was man weiß, ist das der spanische König mit Passion die unbequemen, gespenstigen, phantastischen Bilder des Niederländers gesammelt hat.

Verschiedene Werke von Albrecht Dürer, Hans Holbein dem Älteren, Lucas Cranach oder Francisco de Zubarán begründen ebenfalls den renommierten Ruf des Museums.
Im selben Stockwerk wie die Gemäldegalerie ist auch die prachtvolle Monstranz von Belém (port.: Custódia de Belém) untergebracht, die Gil Vicente 1506 aus dem ersten Gold formte, welches der Seefahrer Vasco da Gama aus seiner zweiten Indienreise mitbrachte.

Zur umfangreichen Sammlung des Museums gehören über 40.000 Exponate, unter anderem, antike Möbel, wertvolles Porzellan, wunderschöne Skulpturen, erlesene Wandteppiche und zahlreiche Kunstobjekte aus Brasilien, Portugiesisch-Indien, China, Japan und Afrika.

Ich kann jedem nur einen Besuch in diesem eindrucksvollen Museum, voller einzigartiger historischer Kunstobjekte, empfehlen!

Donnerstag, 20. November 2014

Parabéns Carlos do Carmo


Gestern fand im großen Hollywood MGM Theatre, in Las Vegas, im US-Bundesstaat Nevada, die seit 2000 alljährlich stattfindende Latin-Grammy-Verleihung statt.
Die „Latin Academy of Recording Arts and Sciences“ vergab dieses Jahr einstimmig den Latin Grammy Award an den wohl besten Fado-Sänger Portugals, Carlos do Carmo.

Der 74jährige Sänger erhielt als erster portugiesischer Musiker den renommierten Preis für sein Lebenswerk.
Die Akademie würdigte ihn als einen der größten und vielfältigsten Fadosänger unserer Zeit und bestätigte ihm eine der symbolträchtigsten Stimmen Portugals zu haben.

Carlos do Carmo hat eine 51 Jahre lange Karriere hinter sich und ist Interpret solcher melancholischer Fadoklassiker wie „Lisboa, menina e moça“, „Canoas do Tejo“ oder „Bairro Alto“.
Glückwunsch an einen erstklassigen Künstler!

Parabéns Carlos do Carmo!

Dienstag, 18. November 2014

Damião de Góis – Humanist, Historiker und Diplomat


Am 16. Oktober Anno Domini 1572 verhängte das Inquisitionsgericht (port.: tribunal do Santo oficio) zu Lissabon die Strafe „carcere perpetuo“ gegen den Humanisten, Historiker und Diplomaten Damião de Góis. Wegen Ketzerei und Abwendung von der römisch-katholischen Kirche wurde er zuerst zum Tode verurteilt, dann aber begnadigt und seine Strafe wurde in lebenslange Haft umgewandelt.
18 Monate dauerte damals das Gerichtsverfahren gegen den 70jährigen Damião de Góis.
Gleich nach seiner Verurteilung wurde er ins Kloster von Batalha (port.: Mosteiro da Batalha) gesteckt, durfte dann aber nach einiger Zeit seine Haftstrafe unter Hausarrest in seinem Geburtshaus in Alenquer verbringen.
Hier in Alenquer verstarb er dann drei Tage vor seinem 72. Geburtstag, am 30. Januar 1574.

Damião de Góis wurde als Sohn des adligen Gutsherren und Viehzüchters Rui Dias de Góis und seiner vierten Ehefrau, der Flämin Isabel de Limi, am 02. Februar 1502 in der portugiesischen Stadt Alenquer geboren.
Als Damião neun Jahre alt war verstarb sein Vater und er wurde von seiner Mutter an den Hof in Lissabon geschickt um dort König Manuel I als Pagen zu dienen.

Die Regentschaft von Manuel I, am Anfang des 16. Jahrhunderts, war wirtschaftlich und kulturell das „goldene Zeitalter“ der portugiesischen Entdeckungs- und Expansionspolitik.
Damião de Góis wuchs damals an einem Hof auf, an dem sich die verschiedensten Seefahrer, Kartografen, Schriftsteller, Theologen, Dichter, Maler, Mathematiker und Astronomen die Klinke in die Hand gaben.
Damião wollte zuerst Seefahrer werden, aber als König Manuel I im Jahre 1521 stirbt und sein Sohn João III den Thron übernimmt, sieht der es nicht ein, warum er einen so klugen Kopf wie Damião de Góis zur See fahren lassen soll, wenn der ihm von viel größerem Nutzen an Land sein kann.

Und so wurde Damião im Jahre 1523, im Alter von 21 Jahren, von König João III nach Antwerpen geschickt – dem führenden Handelsplatz und Finanzzentrum des damaligen Europas – um dort Sekretär des Königs am Handelskontor (port.: feitoria) zu werden. Er führte seine Arbeit in Antwerpen zur vollsten Zufriedenheit des Monarchen aus, aber mit der Zeit fand Damião die Schreibarbeit recht monoton und sie erfüllte ihn nicht.

Damião nahm jede Gelegenheit wahr sich weiterzubilden. Unter anderem lernte er in Antwerpen bei einem Privatlehrer latein und italienisch und bei einem Besuch im schweizerischen Fribourg nahm er Theologie- und Philosophieunterricht bei seinem späteren Freund Erasmus von Rotterdam (port.: Erasmo de Roterdão).
1531 beschloss König João III ihn auf eine diplomatische Reise durch den Norden Europas zu schicken. Und so kam es, das Damião de Góis in den folgenden zwei Jahren Polen, Litauen, Dänemark, Schweden, Endland, Frankreich und auch Deutschland als Vertreter des Königs von Portugal bereiste.
In Deutschland lernte er dann in Wittenberg Philipp Melanchton (port.: Filipe Melâncton)  und Martin Luther (port.. Martinho Lutero) kennen und freundete sich mit den beiden Reformatoren an.
Später wird Damião de Góis sich aber, als er von der Inquisition in die Mangel genommen wird, vor allem von Luther und seinen revolutionären Ideen distanzieren.

Im Jahre 1533 beendete Damião de Góis seine diplomatische Reise durch Nordeuropa und kehrte an den Hof in Lissabon zurück.
König João III ernannte ihn zum Schatzmeister der „Casa da India“ (dt.: Indienhaus), der damaligen zentralen Verwaltungsbehörde aller portugiesischer Überseegebiete und des Überseehandels. Da es aber nur bei der Ernennung dieses prestigeträchtigsten Postens blieb, beschloss Damião de Góis nach ein paar Monaten wieder Portugal zu verlassen – ohne die Erlaubnis des Königs!

Damião de Góis hatte eine Einladung seines Freundes Erasmus von Rotterdam erhalten und reiste über Basel nach Fribourg, wo er dann für fünf Monate im Hause des wohl berühmten Humanisten seiner Zeit blieb.
Anfang 1534 tritt Damião eine Reise nach Italien an, wo er sich an der damals sehr renommierten Universität von Padua einschrieb um zu studieren.
Hier in Padua blieb er die nächsten vier Jahre seines Lebens und während seiner Studienzeit lernte er viele berühmte Wissenschaftler und Theologen der damaligen Zeit kennen. Eine der Bekanntschaften die er in Padua verhängnisvoller Weise machte, war die des portugiesischen Jesuitenpaters Simão Rodrigues de Azavedo.
Azavedo wird elf Jahre später derjenige sein, der Damião de Góis bei der Inquisition anschwärzt, und mit dafür sorgt, dass er lebenslänglich erhält.

Als Damião de Góis sein Studium 1538 beendete, reiste er ins flämische Leuven (port.: Lovaina / dt.: Löwen) um an der dortigen Katholischen Universität weiter zu studieren. In Leuven lernte er kurz nach seiner Ankunft die Tochter des reichen Kaufmanns André van Hargen lernen, die Bürgerstochter Johanna van Hargen.
Ein Jahr später, 1539, heiraten Damião de Góis und Johanna van Hargen.
In Leuven publiziert Damião seine ersten großen Werke:
Im Jahre 1539 „Commentani rerum gestarum in India“, 1540 „Fides, religio moresque Aethiopum“ und 1544 „Damiani a Goes eqvitis Lvsitani aliqvot opvscvla“

Als französische Truppen im Jahre 1542 Flandern überfielen und die Stadt Leuven besetzten, nahmen sie Damião de Góis, einen glühenden Verteidiger der Stadt, fest.
Nur gegen ein sehr hohes Lösegeld und ein gut eingelegtes Wort beim französischen Monarchen Franz I (franz.: François I) konnte König João III damals die Freilassung von Damião de Góis nach monatelanger Haft erreichen.

1545 kehrte Damião de Góis mit seiner Ehefrau Johanna nach Portugal zurück. Dank der sehr guten Geschäftsbeziehungen und den persönlichen Kontakten die er außerhalb Portugals besaß und pflegte konnten er und seine Familie in Portugal ein wohlhabendes und, wie es scheint, recht glückliches Leben führen.
Dieses Glück wurde damals nur dadurch gestört, das Damião de Góis wegen seiner offenen Art und Weise ab und zu mit dem Klerus und dem Adel in Konflikt kam.
So denunzierte ihn z.B. Simão Rodrigues de Azavedo, ein Jesuitenpater den er noch aus Padua kannte, bei der Inquisition als Ketzer. Diese Verleumdungen hatten aber noch keine Konsequenzen für Damião de Góis, denn er genoss damals das uneingeschränkte Vertrauen des Königs.
Erst Jahre später sollte sich das Blatt gegen Damião de Góis wenden!

König João III mochte Damião de Góis sehr und hatte zu ihm größtes Vertrauen. So kam es, dass der König ihn im Jahre 1548 zum obersten Verwalter des Zentralarchivs des Königreiches, der Torre do Tombo, ernannte.
Im Jahre 1566 erhielt Damião de Góis vom Königshaus den Auftrag ein Buch über das Leben des verstorbenen Königs Manuel I und die Entdeckungen während seiner Regierungszeit zu schreiben.

Dieses Buch, mit dem Namen „Crónica do Felicissimo Rei D. Manoel“ (dt.: „Chronik des glücklichen Königs Manuel“), galt damals – und gilt auch heute noch – als das wichtigste Werk von Damião de Góis.
Aber, so bedeutsam diese Chronik über Manuel I literarisch auch war, so verhängnisvoll sollte sie später für den Humanisten Damião de Góis sein.

Denn in einer Zeit in denen Chroniken über Monarchen immer in Lobhudelei ausarteten, wagte es Damião de Góis doch damals tatsächlich die Regierungszeit von Manuel I nicht so strahlend darzustellen wie vom Königshaus eigentlich gewünscht.
Er schrieb in seiner Chronik schonungslos über die Ausbeutung und die willkürlichen Grausamkeiten der damaligen Kolonialzeit und nannte so die Dinge beim Namen.
Viele hochrangige Adlige und Männer der Kirche – allen voran Kardinal Henrique (port.: Cardeal D. Henrique), der Onkel des Königs und Großinquisitor des Königreiches – fanden Damiãos Buch damals recht respektlos und werteten die in Auftrag gegebene Chronik nicht mehr und nicht weniger als Hochverrat – und Hochverrat wurde damals mit der Todesstrafe geahndet!
Ehe sich Damião de Góis versah, stand er plötzlich unter Beobachtung des Großinquisitors Kardinal Henrique.

1571 wurde Damião de Góis tatsächlich von der Inquisition der Ketzerei angeklagt.
In einem Gerichtsverfahren das sich über eineinhalb Jahre hinzog gestand er zermürbt und resigniert die Fehler ein, die er 35 Jahre vorher begangen haben soll, und bat das Inquisitionsgericht um Gnade.
Sein Geständnis und seine bitte um Vergebung verhinderten seinen Tod auf dem Scheiterhaufen, aber sie verhinderten nicht die Demütigung denen er fortan ausgeliefert war und die bis zu seinem Tod andauern sollten.

Damião de Góis, einer der kritischsten Zeitgeister seiner Epoche in Europa und der wichtigste Humanist der portugiesischen Renaissance, wurde nach seiner Verurteilung durch das Inquisitionsgericht unter Hausarrest gesetzt.
Die letzten Monate seines Lebens verbrachte er von allen verlassen in seinem Geburtshaus in Alenquer, wo er am 30. Januar 1574, unter bis heute recht mysteriösen Umständen, starb.

Sonntag, 16. November 2014

Heimat


Seit Freitag, dem 14. November 2014, stellt die aus Göttingen stammende deutsche Malerin Daniela Krtsch in der Lissabonner Galerie 3+1 Arte Contemporânia eine neue Serie ihrer Werke in Öl unter dem Titel „Heimat“ aus.

Daniela Krtsch, die einstmals in „meiner“ Wahlheimat Darmstadt studiert hat, lebt und arbeitet seit dem Jahre 2000 in „ihrer“ Wahlheimat Portugal und hat hier schon verschiedene öffentliche Einzel- und Gruppenausstellungen gehabt.

Obwohl die Künstlerin auch wegen ihrer Fotografien und Skulpturen bekannt ist, sind es vor allem ihre ausdrucksstarken Ölgemälde die auf besondere Art und Weise ihre moderne Kunst illustrieren.

Die Ausstellung „Heimat“ kann noch bis zum 10. Januar des kommenden Jahres in der Galerie 3+1 Arte Contemporânia, im Lissabonner Stadtteil Chiado, besichtigt werden.

Sonntag, 9. November 2014

Antonia Rodrigues, die Heldin von Mazagão


Als die Französin Jeanne dArc, auch bekannt als „die Jungfrau von Orleans“ (port.: „a donzela de Orléans“), sich Anfang des 15. Jahrhunderts daran machte gegen die Engländer im Hundertjährigen Krieg zu ziehen, schrieb sie Weltgeschichte.
Knapp 150 Jahre nach ihren heroischen Taten auf dem Schlachtfeld, machte sich eine Portugiesin daran es der Französin gleich zu tun.
Ihr Name war Antonia Rodrigues.

Vieles aus dem Leben von Antonia Rodrigues ist heute ein Rätsel, so z.B. ihr genaues Geburtsdatum, viele ihrer Abenteuer, die letzten Jahre ihres Lebens oder das Datum und den Ort ihres Todes.
Und selbst das wenige was wir heute über sie wissen, basiert fast ausschließlich auf mündliche Überlieferungen, die oftmals voller Phantasie sind und somit, obwohl viele Begebenheiten, Personen und Orte sehr wohl der Realität entsprechen, die Wirklichkeit bei weitem übersteigen.

Geboren wurde Antonia Rodrigues in sehr ärmlichen Verhältnissen in der portugiesischen Hafenstadt Aveiro um das Jahr 1580 herum – das genaue Geburtsdatum ist leider nicht überliefert.
Ihr Vater war der Seemann Simão Rodrigues und ihre Mutter hieß Leonor Dias.
Simão Rodrigues gehörte allem Anschein nach damals zu den Männern, die sich Mitte des 16. Jahrhunderts vor Neufundland (port.: Terra Nova) dem fischen von Stockfisch (port.: bacalhau) widmeten.
Aveiro hatte zu dieser Zeit eine große Flotte von Schiffen die sich in den Gewässern der neu entdeckten Welt dem Fang des Stockfisches hingaben. Luftkonservierter Stockfisch diente damals der massenhaften Versorgung der Schiffsmannschaften und der Soldatenheere. Letztendlich war dieser trockene Fisch mitverantwortlich für die erfolgreichen Entdeckungsfahrten der Portugiesen.
Die Mutter von Antonia Rodrigues, Leonor Dias, kümmerte sich um den Haushalt und um die große Kinderschar.

Als Antonia zehn Jahre alt war schickte sie ihr Vater zu einer älteren Schwester von ihr nach Lissabon. Durch die harte Arbeit auf hoher See war er mit den Jahren krank geworden und so nicht mehr in der Lage seine kinderreiche Familie zu ernähren.
Der Name dieser Schwester ist leider nicht überliefert. Man weiß aber, dass diese verheiratet war und das sie wohl in besseren Verhältnissen lebte als ihre Familie in Aveiro.
Das Verhältnis von Antonia zu ihrer Schwester scheint von Anfang an nicht das Beste gewesen zu sein, denn besagte Schwester beschwerte sich oftmals, dass Antonia sich weigere die anfallenden hausfraulichen Tätigkeiten zu erledigen.
Durch ihre eigensinnige und freiheitsliebende, ja fast revolutionäre Art wurde das zusammenleben mit ihrer Schwester und ihrem Schwager mit der Zeit praktisch unmöglich. In einer Zeit, in der Männer sich den Frauen überlegen fühlten, kam sie vor allem mit ihrem Schwager sehr oft in Konflikt, was zur Folge hatte das sie immer öfters von zuhause weglief.

So kam es das Antonia im zarten Alter von 12 Jahren, so um das Jahr 1592 herum, beschloss ihr eigenes Leben zu Leben.
Sie besorgte sich Männerkleidung, schnitt sich die Haare kurz und heuerte im Hafen von Lissabon auf einem Schiff, das Weizen nach Marokko bringen sollte, an.
Antonia stellte sich beim Kapitän des Schiffes als Antonio Rodrigues vor und dieser nahm Antonia/o als Schiffsjungen auf seiner Karavelle auf.
Alsbald verließen sie Lissabon in Richtung Marokko (port.: Marrocos).

Ihr Ziel war die Stadt Mazagão (arab.: El Jadida) an der marokkanischen Atlantikküste. Mazagão stand damals unter portugiesischem Einfluss, denn die Portugiesen hatten hier im Jahre 1502 eine mächtige und wehrhafte Festungsanlage errichtet und die Enklave dann zur Hauptniederlassung Portugals in Marokko erklärt.
Obwohl der Kapitän offenbar mit seinem neuen Schiffsjungen zufrieden war, jedenfalls wird nichts Negatives darüber berichtet, beschloss Antonio recht schnell nach seiner Ankunft in Mazagão im exotischen Marokko zu bleiben.
So kam es, dass die Karavelle die Rückreise nach Portugal antrat und Antonio Rodrigues anscheinend aus purer Abenteuerlust in Afrika zurückblieb.

Der Überlieferung nach soll sich Antonio dann persönlich an Diogo Lopes de Carvalho, dem Militärgouverneur von Mazagão gewandt haben und diesen nach einer freien Stelle in seinem Heer als einfachen Soldat gefragt haben. Der Gouverneur nahm diesen freiwilligen Dienst gerne an, und Antonio lernte fortan mit dem Schwert und der Lanze umzugehen.
Es heißt der Gouverneur wäre damals sehr von der angenehmen und eleganten Person des jungen Soldaten aus Aveiro angetan gewesen, natürlich ohne zu wissen, das sich hinter Antonio eigentlich Antonia verbarg.

Im Jahre 1592 überfielen die Mauren mehrere Male Mazagão, konnten die Festung aber nicht einnehmen.
Antonio Rodrigues, der schnell das Kriegshandwerk gelernt hatte, kämpfte bei diesen Überfällen, so ist überliefert, stets an vorderster Front und verteidigte die Festung immer mit großem Mut.

Eines Tages erfuhren die Portugiesen durch einen Spion, dass die arabischen Mauren die Getreidefelder vor der Stadt zerstören wollten, um dann die portugiesischen Besatzer in ihrer Festung auszuhungern und so zu vernichten.
Der Geschichte nach, soll Antonio damals den Militärgouverneur darum gebeten haben die für die Portugiesen so wichtigen Getreidefelder mit einpaar Mann zu verteidigen.
Der Gouverneur, der über den Mut Antonios sehr erfreut war, gab ihm drei Dutzend Männer mit und stellte die Soldaten unter Antonios Kommando.
Als die in Überzahl eigentlich viel mächtigeren Mauren es am wenigsten erwarteten, überfielen sie die portugiesischen Soldaten. Angesichts des Überraschungseffektes, der von Antonio gut organisierten Führung und des heldenhaften Mutes der Truppe, konnten die Portugiesen die Mauren in die Flucht schlagen.
Von diesem Tag an nannten alle Antonio voller Ehrfurcht den „Schrecken der Mauren“ (port.: „terror dos mouros“!
Antonio kehrte in die Festung als Sieger zurück und wurde von der Bevölkerung feierlich empfangen. Als Dank beförderte ihn Diogo Lopes de Carvalho zum Offizier und stellte die Kavallerie Mazagãos unter sein Kommando.

Antonio war nun ein Held und nicht nur bei seinen Kameraden und seinen Vorgesetzten sehr beliebt und respektiert. Auch die Damenwelt fing an sich immer stärker für ihn zu interessieren.
Er selber, so scheint es, ließ sich von den Damen gerne anschmachten, denn das erleichterte ihm anscheinend sein Versteckspiel.
Fünf Jahre konnte er so sein Doppelleben ziemlich problemlos führen.

Er spielte aber so lange mit dem Feuer, bis ein Damenherz sich wirklich unsterblich in ihn verliebte. Dieses Herz gehörte der jungen Adligen Beatriz de Meneses, Tochter von Diogo de Mendonça, einem der einflussreichsten Männern von Mazagão.
Da die Liebe von Antonio Rodrigues aber nicht erwidert wurde, und Beatriz de Meneses aus Liebeskummer schwer erkrankte, sah sich ihr Vater Diogo gezwungen Antonio um die Heirat mit seiner geliebten Tochter zu bitten.
Antonio konnte und wollte natürlich, aus verständlichen Gründen, einer Ehe mit Beatriz nicht zustimmen.

So sah sich D. Diogo gezwungen den Militärgouverneur, den obersten Dienstherren von Antonio, darum zu bitten er möge seinem Soldaten Antonio die Heirat mit Beatriz befehlen.
Da Diogo de Mendonça sehr einflussreich war und er beste Beziehungen zum Hof in Lissabon hatte, konnte er den Gouverneur von dieser „Zwangsheirat“ überzeugen.
Der Gouverneur ließ daraufhin Antonio zu sich kommen und in Anwesenheit von Beatriz, ihrem Vater und dem Vikar der Festung, der vorsorglich einbestellt worden war, befahl er seinem Offizier die Adelstochter zu ehelichen.

Angesichts seiner auswegslosen Situation, gestand der „Schrecken der Mauren“ seinem Dienstherren, das er nicht Antonio war, sondern eigentlich Antonia.
Unter Tränen beichtete er dem Militärgouverneur sein vertauschtes Leben und bat ihn um Vergebung.
Der Gouverneur war bereit Antonia zu verzeihen, verlangte von ihr aber, dass sie sich fortan nur noch in Frauenkleidern zeigen dürfe, „wie es sich für ihr Geschlecht zieme“.
Auch ihre Freunde und Soldatenkollegen waren anscheinend bereit Antonia ihr Doppelleben zu verziehen, jedenfalls soll sie nach der Bekanntgabe ihres Geheimnisses noch einige Zeit in Mazagão gelebt haben.
Lediglich Beatriz de Meneses und die anderen Frauen, die sich über die Jahre hinweg Hoffnung auf ein Leben mit Antonio gemacht hatten, waren wohl alles andere als begeistert und verständnisvoll. 

Da Antonia intelligent, schön und sehr beliebt war, fingen nach Bekanntgabe ihrer wahren Identität nun die Männer an Antonia den Hof zu machen.
Sie verliebte sich in einen Soldatenkollegen, dessen Namen nicht übermittelt ist, und ehelichte diesen dann später in der Kirche Igreja de Nossa Senhora da Assunção in Mazagão.
Das Ehepaar blieb in Mazagão bis schätzungsweise um das Jahr 1615 herum.
Als Antonia 35 Jahre alt war, kehrte sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn, den sie in der Zwischenzeit geboren hatte, nach Lissabon zurück.

Als König Felipe III von Spanien, der als Filipe II gleichzeitig auch König von Portugal war,  im Jahr 1619 Lissabon besuchte, wollte er unbedingt die Frau kennen lernen, um die sich schon damals so viele Legenden rankten.
Felipe II soll von Antonias Präsenz sehr angetan gewesen sein und so zeichnete er sie, für ihre geleisteten militärischen Dienste in Afrika, mit verschiedenen Ehrungen aus und gewährte Ihr und ihrer Familie zahlreiche Privilegien.
Nach 1620 ist nichts mehr über Antonia Rodrigues, der Heldin von Mazagão, bekannt.
Man vermutet, dass Antonia in Gesellschaft ihres Sohnes nach Spanien, wahrscheinlich Madrid, gezogen ist. Wo sie letztendlich starb und wann sie von dieser Welt ging, ist ebenso ein Mysterium, wie so viele Ereignisse im Leben dieser Frau.

Man könnte heute glauben, dass Frauen unter Waffen im Mittelalter etwas ganz seltenes und ungewöhnliches waren. Tatsache ist aber, dass es sehr wohl weibliche Soldaten gegeben hat. Hier in Portugal vielleicht weniger als z.B. in Italien, in Frankreich oder den Niederlanden, aber es hat sie gegeben.
Antonia Rodrigues aus Aveiro hat tatsächlich gelebt, sie war eine reale Person, keine fiktive Erfindung der Geschichte!
Nichtsdestotrotz sind ihr Leben und ihre militärische Karriere heute geheimnisvoll.
So geheimnisvoll, das Antonia Rodrigues mit den Jahrhunderten eine Legende wurde.

Donnerstag, 6. November 2014

Die Nürnberger Chronik von Hartmann Schedel


So manches Museumsarchiv weltweit beherbergt wahre Schätze, die mindestens genauso interessant und spannend sind, wie die eigentlichen Sammlungen und Ausstellungsstücke die in den jeweiligen Museen ausgestellt werden.

Solch ein Schatz ist nun, wie jetzt bekannt wurde, Ende September in einem Regal der nicht öffentlichen Bibliothek des Lissabonner Nationalmuseums für Alte Kunst (port.: Museu Nacional de Arte Antiga) aufgetaucht.
Es handelt sich hierbei um eines der ersten gedruckten Bücher der Weltgeschichte, dass einstmals vor 1500 mit beweglichen Lettern gedruckt wurde – eine so genannte Inkunabel (port.: incunábulo)!

Diese reich illustrierte Inkunabel ist ein Werk des Nürnberger Arztes, Humanisten und Historikers Hartmann Schedel aus dem Jahre 1493 und trägt den lateinischen Namen „Liber chronicarum“.
Die Nürnberger Chronik (port.: Crónica de Nuremberga) oder die Schedelsche Weltchronik wie das Werk auch genannt wird, gehört zu den bedeutendsten Werken der deutschen Buchdruckkunst.
Von Hartmann Schedel verfasst, mit über 1.800 wunderschönen Holzschnitt-Illustrationen der Maler Michael Wolgemut und Hans Pleydenwurff bebildert und vom Buchdrucker und Verleger Anton Koberger in seiner Werkstatt in Nürnberg gedruckt, ist „Liber chronicarum“ einstmals in einer lateinischen und einer deutschen Ausgabe erschienen. Das jetzt in Lissabon aufgetauchte 656-seitige Exemplar ist in lateinischer Sprache verfasst.

Wie die meisten Chroniken der mittelalterlichen Zeit, die die damalige bekannte Weltgeschichte zeigten, ist auch das Werk von Hartmann Schedel in Zeitaltern oder so genannten Weltaltern verfasst.
„Liber chronicarum“ ist in sieben Weltaltern unterteilt:

- Das erste Weltalter geht von der Erschaffung der Erde bis zur Sintflut.
- Das zweite Weltalter behandelt das Zeitalter von der Sintflut bis zur Geburt Abrahams.
- Im dritten Weltalter zeichnet Schedel die Welt von Abraham bis zu König David auf.
- Im vierten Weltalter geht es um die Zeit von König David bis zur Babylonischen Gefangenschaft.
- Das fünfte Weltalter behandelt die Zeit von der Babylonischen Gefangenschaft bis zur Geburt von Jesus Christus.
- Das sechste Weltalter geht von der Geburt Christi bis zur damaligen bekannten Gegenwart im ausgehenden 15. Jahrhundert.
- Im siebten und letzten Weltalter thematisiert Hartmann Schedel das Ende der Welt und das Jüngste Gericht.

Das jetzt aufgetauchte und ziemlich gut erhaltene Exemplar der Nürnberger Chronik soll zukünftig zu einem Ausstellungsstück des Lissabonner Nationalmuseums für Alte Kunst werden.
Es wäre auch schade ein solch schönes Buch in einem staubigen Regal, irgendwo in einem Museumslager, verkommen zu lassen!