Mittwoch, 26. November 2014

Lissabon ist für Archäologen eine Last


In einem portugiesischen Fernsehkanal sah ich dieser Tage eine Reportage in dem sich englischsprachige Touristen – so weit ich verstanden habe handelte es sich bei diesen um Archäologiestudenten – begeistert über Lissabon als Reiseziel äußerten, sich aber darüber enttäuscht zeigten, dass die portugiesische Hauptstadt archäologisch so wenig zu bieten hatte.
Nun, um ehrlich zu sein, materielle Hinterlassenschaften der kulturellen Entwicklung der Menschen des „vorportugiesischen“ Altertums sind in Lissabon tatsächlich eher Mangelware.

Fakt ist, das seit über viertausend Jahren Menschen an der Tejomündung siedeln.
Man weiß heute nicht mehr mit Sicherheit wer als erster den kleinen Ort an der lieblichen Bucht „Olisippo“ nannte. Tatsache ist aber, dass die Geschichte der Stadt weit zurück in eine Zeit reicht, als die heutige Unterstadt, die Baixa, noch vom Wasser einer Tejobucht überflutet war. Wo heute der als Rossio bekannte Platz liegt, vereinigten sich in grauer Vorzeit zwei Seitenarme des Tejo. Der Verlauf der beiden Flussbetten ist heute noch deutlich zu erkennen: ihm folgen in einem auslaufenden V die blaue und die grüne U-Bahnlinien der Lissabonner Metro.

Die Phönizier, die Karthager und die Griechen benutzten Lissabon einstmals als idealen Naturhafen, als Ankerplatz und Handelsstation auf ihrem Weg vom Mittelmeer in den Norden Europas. Sie fühlten sich hier höchstwahrscheinlich sehr wohl und auch die Kelten und die Iberer scheinen sich hier geborgen gefühlt zu haben.

Im Zuge ihrer Auseinandersetzung mit dem nordafrikanischen Reich Karthago machten sich die Römer 218 v. Chr. an die Eroberung der Iberischen Halbinsel und standen bereits 13 Jahre später, 205 v. Chr., auch vor „Olisippo“, das sie später, wohl um Julius Cesar zu schmeicheln, in „Felicitas Julia“ umtauften.
Die Römer blieben dann über mehrere Jahrhunderte und ganz sicher frönten sie ihrer Baulust. So vermutet man heute unter den Grundmauern der Stadtburg Castelo de São Jorge Reste eines römischen Kastells, aber wie gesagt, man vermutet es nur.

Mit Sicherheit gefunden wurden, aber das auch nur per Zufall nach dem großen Erdbeben von 1755, z.B. in der Travessa do Almada, im heutigen Stadtteil Madalena, die Reste einer Therme und in der Rua da Prata, im Stadtteil Baixa, die Reste römischer Galerien. Von einem römischen Friedhof, der heute unter der Praça da Figueira liegt, hat man auch Kenntnisse, ebenso von einem Theater unweit der Rua de São Mamede.
Man kann sich das römische Lissabon mit Tempeln und Foren, Theater und Thermen vorstellen, vielleicht auch mit Parks über dem Wasser und mit den eitlen Standbildern des alten Rom.
Alleine beweisen lassen sich diese ganzen Bauwerke heute nur sehr schwer.

Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert n. Chr. wurde auch Lissabon von den Wirren der germanischen Völkerwanderung erfasst. Beim Ringen um die Vorherrschaft behielten schließlich die Westgoten die Oberhand.
Sie nannten die Stadt fortan „Ulixippona“ und bauten aus den Römersteinen die erste Stadtmauer. Die Mauer war wuchtig, plump und stabil, scheinbar war sie uneinnehmbar. Doch als sie den arabischen Mauren unter dem Feldherren Tariq Ibn Ziyad widerstehen sollte, widerstand sie nicht.

Die Mauren, die neuen Herren der Stadt, nannten „Ulixippona“ ab 711 n. Chr. „Al-Ushbuna“ (dt.: liebliche Bucht). Auf dem Alkazar, dem Vorläufer der Stadtburg Castelo de São Jorge, wehte für vierhundert Jahre die Fahne des Propheten. Die maurisch-islamische Kultur in „Al-Ushbuna“ strahlte hell und weit.
Das maurische Lissabon war, wie andere arabische Städte dieser Zeit auf der Iberischen Halbinsel, ein Kulturzentrum, mit dem sich die christlichen Niederlassungen nicht im entferntesten messen konnten.
Aber von all dieser arabischen Pracht, die immerhin 4 Jahrhunderte andauerte, blieb letztendlich weniger übrig als von den Römern.

Die eigentliche portugiesische Geschichte Lissabons begann erst im 12. Jahrhundert, als König Afonso Henriques aus dem Hause Burgund (port.: Borgonha) die Stadt mit Hilfe eines Kreuzfahrerheeres eroberte. „Al-Ushbuna“ wurde zu Lisboa, die Moscheen wurden zu Kirchen und man tauschte Allah gegen den christlichen Gott.
Kein Gebäude aus maurischer Zeit blieb original erhalten.
Nur die schmalen Treppenwege und die steinernen Bögen der Alfama verraten heute noch das vergangene arabische Erbe.

Es fehlen heute die Möglichkeiten und es fehlt aktuell vor allem das Geld um die Vergangenheit Lissabons vollends zu verifizieren.
So bleibt die Frühgeschichte Lissabons weiterhin im Dunkeln und ist oftmals nichts weiter als eine vage Vermutung.
Wahrlich, Lissabon ist für alle Archäologen eine Last!

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