In einem imposanten
Stadtpalast, genau gegenüber den Docks von Alcântara im Stadtteil
Santos-o-Velho, befindet sich heute eines der schönsten und bedeutendsten
Museen Lissabons, das Nationalmuseum für Alte Kunst (port.: Museu Nacional de
Arte Antiga).
„Casa das janelas
verdes“ (dt.: „Haus der grünen Fenster“) hat der Volksmund das Haus einstmals wegen
seiner grasgrünen gestrichenen Fensterläden getauft. Auch heute nennen es viele
so und die Straße an dem das Museum liegt heißt ebenso, Rua das Janelas Verdes.
Der Bau des Palastes
wurde einstmals Ende des 17. Jahrhundert von dem Adeligen Francisco de Tavora,
dem ersten Grafen von Alvor (port.: Conde de Alvor), in Auftrag gegeben.
Als die Familie
Tavora in Ungnade fiel und fast alle Mitglieder dieses Adelsgeschlecht auf
Befehl König Josés und seines Prämierministers Sebastião José de Carvalho e
Melo, dem Marques de Pombal, verhaftet, enteignet und hingerichtet wurden, kam der
stattliche Palast in den Besitz von Paulo António de Carvalho e Mendonça, dem
Bruder des Prämierministers.
Als Paulo António de
Carvalho e Mendonça im Jahre 1770 starb, wurde sein Bruder Hausherr.
Ein großes Erdbeben legte
Lissabon am 01. November 1755 in Schutt und Asche und zerstörte die meisten Gebäude
der Stadt. Der Marques de Pombal befand sich an diesem Tag im Haus. Er hatte
Glück, denn die Mauern seines Palastes waren fest und hielten Stand.
Als im Jahre 1782
Prämierminister Pombal starb vermachte er den Palast der Krone.
Diese konnte zuerst
mit der Immobilie nichts anfangen, aber nachdem ab 1834 alle kirchlichen
Besitztümer und Vermögen in Portugal eingezogen wurden, benutzte man das Haus
als Depot für die zahlreichen Kunstwerke der vielen Klöster und Kirchen.
Im Jahre 1881 fand im
Londoner Victoria and Albert Museum, auf Wunsch von Queen Victoria, die
Ausstellung „Portuguese ans Spanish decorative arts“ (dt.: Portugiesische und
Spanische dekorative Kunstausstellung / port.: Exposição retrospectiva de arte
ornamental Portuguesa e Espanhola) statt, bei der besonders schöne Kunstwerke
aus dem Fundus der „Casa das janelas verdes“ gezeigt wurden.
Im Jahr darauf, 1882,
wurden diese Kunstwerke auch in Lissabon gezeigt – Ausstellungsort war das
„Haus der grünen Fenster“.
Nachdem die
Ausstellung sehr erfolgreich war, entschloss sich die Krone die Exponate fortan
einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
So wurde am 11. Mai
1884 das „Nationalmuseum der Schönen Künste und der Archäologie“ (port.: Museu
Nacional de Bellas Artes e Arquelogia), der Vorläufer des heutigen Museums, von
König Luis I im Palast eröffnet.
1893 wurde die archäologische
Abteilung des Museums ausgegliedert und das Museum hieß fortan „Museu Nacional
de Arte Antiga“ (dt.: Nationalmuseum für alte Kunst).
Als die Republik 1910
ausgerufen wurde, beschlossen die neuen Machthaber das Museum zu reformieren,
d.h. es zu vergrößern.
Man war zu dem
Entschluss gekommen, dass das Museum mit den Jahren nicht mehr genug
Ausstellungsfläche hatte.
Durch viele
Schenkungen und den nun beschlagnahmten Kunstobjekten des Königshauses war die
Sammlung mit den Jahren zu einer stattlichen Größe angewachsen.
Dennoch dauerte es
noch gut 40 Jahre, bis mit dem Bau eines neuen Museumsflügels im Jahre 1942
begonnen wurde. 1947 wurde dieser Flügel feierlich eröffnet.
Über die Jahrzehnte
kamen dann immer mehr Schenkungen hinzu, und so ist das Museu Nacional de Arte
Antiga heute einer der bedeutendsten und besuchenswertesten seiner Art, nicht
nur in Portugal, sondern auf der gesamten Iberischen Halbinsel.
Aus zwei Gründen ist
ein Besuch des Kunstmuseums anzuraten:
Erstens, man begegnet
hier Werken aus portugiesischen Malerschulen, die man sonst kaum in dieser
Vollendung sehen kann,
und zweitens, viele dieser Bilder,
die von Malern wie z.B. Nuno Gonçalves, Gregório Lopes, Frei Carlos oder Cristovão
de Morais stammen – ein jeder von ihnen ein großartiger Portraitist – sind sehr
wertvolle historische Dokumentationen.
Nuno Gonçalves, der
bedeutendste portugiesische Maler des 15. Jahrhunderts, ist im Museum mit einem
grandiosen sechsteiligen Flügelaltar zu ehren des Stadtpatrons Lissabons, dem
Heiligen Vinzenz (port.: Painéis de São Vicente), vertreten.
Noch heute streitet
man sich um das Who´s Who der 60 vom Maler abgebildeten Figuren des Altars, in
denen man aber mit Sicherheit König Afonso V und seine Frau Isabel, Heinrich
den Seefahrer (port.: Henrique o Navegador), sowie Adlige, Ritter, Mönche,
Botschafter, einen jüdischen Bankier, den Chronisten Fernão Lopes und
Nuno Gonçalves selbst erkennen kann.
Der Flügelaltar wurde
erst 1910 bei Umbauarbeiten am Kloster São Vicente de Fora wiederentdeckt und
dann mit viel Sorgfalt restauriert. Er ist das wichtigste und wertvollste Bildwerk
des Museums und ohne Übertreibung kann man sagen, dass dieses sechsflüglige Gemälde
so etwas wie „Portugals Mona Lisa“ ist.
Auch Gregório Lopes,
der Hofmaler der Könige Manuel I und João III, malte nach dem Leben und
portraitierte viele Persönlichkeiten am Hof – von ihm ist im Museum ein
authentisches Bild Vasco da Gamas zu sehen.
Cristovão de Morais,
auch er Maler am portugiesischen Hof, verewigte ebenfalls Persönlichkeiten
seiner Zeit auf Leinwand.
Sein berühmtestes
Bild trägt den Namen „O Desejado“ (dt.: der sehnsüchtig erwartete) und zeigt
den jungen König Sebastião.
Sebastião wurde mit
nur drei Jahren auf den portugiesischen Thron gesetzt, nachdem sein Vater
Infante João zwei Monate vor seiner Geburt gestorben war. Mit 14 übernahm er
die Regentschaft und bereits mit 24 Jahren fiel er in einem unglücklichen
Kreuzzug gegen die Mauren im marokkanischen Ksar-el-Kebir (port.:
Alcácer-Quibir).
Nach der Schlacht von
Ksar-el-Kebir wollten viele nicht an den Tod des Königs glauben, und so wurde
er „sehnsüchtig erwartet“ – daher der Beiname „O Desejado“.
Aber Sebastião, ein
phantastischer Träumer und finsterer Glaubenseiferer, tauchte nie wieder auf!
Da Sebastião auf dem
Schlachtfeld ohne eigne Nachkommen starb, wurde sein nächster Verwandter, sein
Onkel König Filipe II von Spanien, zwei Jahre nach seinem Tod zum König von
Portugal proklamiert.
Über Filipe II, dem
spanische Habsburger, glaubt man sei ein besonders wichtiges Bild nach Lissabon
gelangt, nämlich „Die Versuchung des Heiligen Antonius“ (port.: „A tentação de
Santo Antão“), von Hieronymus Bosch. Genau weiß man es nicht, aber was man
weiß, ist das der spanische König mit Passion die unbequemen, gespenstigen,
phantastischen Bilder des Niederländers gesammelt hat.
Verschiedene Werke
von Albrecht Dürer, Hans Holbein dem Älteren, Lucas Cranach oder Francisco
de Zubarán begründen ebenfalls den renommierten Ruf des Museums.
Im selben Stockwerk
wie die Gemäldegalerie ist auch die prachtvolle Monstranz von Belém (port.:
Custódia de Belém) untergebracht, die Gil Vicente 1506 aus dem ersten Gold
formte, welches der Seefahrer Vasco da Gama aus seiner zweiten Indienreise
mitbrachte.
Zur umfangreichen
Sammlung des Museums gehören über 40.000 Exponate, unter anderem, antike Möbel,
wertvolles Porzellan, wunderschöne Skulpturen, erlesene Wandteppiche und zahlreiche
Kunstobjekte aus Brasilien, Portugiesisch-Indien, China, Japan und Afrika.
Ich kann jedem nur
einen Besuch in diesem eindrucksvollen Museum, voller einzigartiger
historischer Kunstobjekte, empfehlen!
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