Laut der
amerikanischen Tageszeitung „New York Times“ sind die portugiesischen Azulejos
eines der zwölf Kostbarkeiten Europas (lesen sie hierzu meinen vorherigen
Blogeintrag
„12 Schätze Europas“, vom 26. Oktober 2014).
„12 Schätze Europas“, vom 26. Oktober 2014).
Zweifellos sind die
Azulejos, diese bunten Kacheln, eines der bedeutendsten Symbole der
portugiesischen Hauptstadt und des ganzen Landes.
Heute wurde ich
gefragt wie die Azulejos denn nach Portugal kamen, wie alt die Kachelkunst hier
zulande ist und welchen Stellenwert sie hatte und noch heute hat?!?
Nun, ursprünglich waren
es die Mauren, die die bemalten Kacheln aus Arabien auf die Iberische Halbinsel
brachten. Sie dekorierten mit ihnen die Alhambra in Granada und den Alcázar in
Sevilla. Von Spanien wurden die mit geometrischen Dekormustern und
orientalischen Ornamenten bemalten Kacheln dann nach Portugal importiert.
Der Name Azulejo
stammt nicht, wie viele glauben, vom portugiesischen Wort „azul“ (dt.: blau),
sondern basiert auf dem arabischen Wort für „kleiner polierter Stein“ (arab.:
al-zulij), denn der Ursprung des Azulejos liegt in der Mosaikkunst Arabiens.
Als König João I um 1400 seinen königlichen Palast in Sintra auf den
Fundamenten des alten Maurenpalastes errichtete, gab er bei arabischen
Kunsthandwerkern Azulejos in Auftrag.
König Manuel
I ließ etwa hundert Jahre später, um 1500, Kacheln im Mudéjarstil herstellen
und damit die Innenhöfe des Palastes von Sintra verkleiden.
Mudéjares
waren Araber, die im Verlauf der Reconquista unter der Herrschaft der
christlichen Königreiche in Portugal und Spanien lebten, die aber weiterhin
ihren muslimischen Glauben ausüben konnten.
Die
Azulejos im Mudéjarstil wurden damals mit dem Zeichen der Weltkugel dekoriert,
dem königliches Symbol für Seefahrt und Entdeckungen zur Zeit Manuels I.
Da im
Islam die Darstellung von Menschen verboten war und ist, zeichneten die
Mudejár-Künstler abstrakte oder florale Muster auf die Kacheln und füllten die
Flächen zwischen den geritzten Vertiefungen mit glasierter Farbe.
Diese
Kacheln können heute bei einem Besuch des Nationalpalastes von Sintra (port.:
Palácio Nacional de Sintra) bewundert werden.
Nach der
Vertreibung der Mauren aus Portugal und später aus Spanien, fertigte man
Kacheln in der aus Italien stammenden Majolika-Technik (ital.: Maiolica /
port.: Maiólica) an: Flachkacheln auf die direkt mit dem Pinsel Figuren,
Pflanzen und Landschaften aufgetragen wurden.
Anfang
des 16. Jahrhunderts, als der Handel mit Flandern zu florieren begann, hatte
sich der Einfluss flämischer Kachelkunst verstärkt.
Aber
bereits Mitte des 16. Jahrhunderts machte sich ein individueller
portugiesischer Stil vom ausländischen Einfluss frei.
Kachelbilder
entstanden, die ganze Wände bedeckten. Ihre Szenen in Blau und Gelb auf weißem
Grund erinnern an orientalische Teppiche.
Die
Kombination aus kühlen Kacheln und „Talha dourada“, dem vergoldeten
Holzschnitzwerk als typischem Dekorationselement, wurde im 17. Jahrhundert zum
typischen Gestaltungsmerkmal für die Innenräume der Kirchen Portugals.
Die
Farbpalette wurde um Grün, Rosa, Rot, Violett und Braun erweitert, und die
Entwürfe reichten von naturalistischen bis zu phantastischen Bildern.
Gegen
Ende des 17. Jahrhunderts wurden flämische Kacheln immer beliebter; binnen
kurzer Zeit setzten sich die feingezeichneten blau-weißen Kacheln in Portugal
durch.
Die
ersten Importe damals waren „azulejos de motivo solto“ (dt.: Kacheln mit
lockerem Motiv), d.h. jede Kachel war mit einer einzelnen Figur bemalt.
Die
portugiesische Vorliebe für das Monumentale führte dazu, dass damals ganze
Räume mit großen Kachelwandbildern, wahren Fliesengobelins, verkleidet wurden.
Die große
Nachfrage nach Kacheln förderte die Konkurrenz und die Herausbildung eines
Stils von hoher Qualität und Sensibilität.
Der aus
dem Alentejo stammende António de Oliveira Bernardes, der der „Michelangelo der
portugiesischen Kachelmalerei“ genannt wurde, gründete an der Wende zum 18.
Jahrhundert eine Schule, die sich auf Lissabonner Szenen spezialisierte. Die
Azulejos aus seiner Werkstatt waren später für die Rekonstruktion einer Ansicht
Lissabons vor dem Erdbeben 1755 von unschätzbarem Wert.
Eines
dieser Kachelwandbilder, das größte und sicherlich eines der Schönsten, aus der
Werkstatt von António de Oliveira Bernardes, ist knappe 23 m lang und trägt den
Namen „Grande panorama de Lisboa“ (dt.: Großes Panorama von Lissabon). Man kann
dieses imposante Kachelgemälde heute im nationalen Kachelmuseum (port.: Museu
Nacional do Azulejo), der im ehemaligen Kloster Madre de Deus in Lissabon
untergebracht ist, bewundern.
Der
Wiederaufbau nach dem großen Erdbeben 1755 steigerte den Bedarf an Kacheln,
sowohl für die Dekoration von Kirchen und Palästen als auch für Profanbauten,
wie Krankenhäuser, Bäckereien, Gasthäuser, Tabakläden, etc.
Die
Azulejos waren nicht nur attraktiv, sondern auch pflegeleicht und – ganz im
Gegensatz zur Wandfarbe – bedurften nach der Anbringung keiner weiteren
Instandhaltung mehr.
Unausweichlich
führte die erhöhte Produktion zu einer Verminderung der Qualität.
Der
Marques de Pombal ließ im Lissabonner Stadtteil Rato die königliche
Kachelmanufaktur (port.: Real Fábrica de Louça do Rato) erbauen, um der immer
stärker werdenden Nachfrage gerecht zu werden. In der Real Fábrica de Louça do
Rato wurden z.B. die Kacheln für den Palácio Nacional de Queluz hergestellt
(lesen sie hierzu bitte auch meine Blogeinträge „Der königliche Palast von
Queluz, vom 27.03.2014 und „Die Wasserfontainen im Schlosspark von Queluz, vom
27.11.2010).
Um 1750
war der Import flämischer Ware fast zum Stillstand gekommen, und man fand zu
mehrfarbigen Kacheln zurück.
Entsprechend
dem Zeitgeschmack tauchten Ende des 19. Jahrhunderts Kränze, Vögel, Bäume,
Segelschiffe, Blumen und oftmals Heilige oder ganze biblische Geschichten als
dominierende Motive auf.
Wichtig
sei zu erwähnen, dass die Azulejos damals, trotz Massenproduktion in den
Fabriken, weiterhin handbemalt wurden.
Doch ab
1860 begann die Herstellung im Siebdruckverfahren und die großen
Produktionszahlen konnten die hohen Preise mindern und den gestiegenen Bedarf
decken, denn nun wurden auch die Fassaden ganzer Gebäude mit Kacheln
verkleidet.
Bei der
zeitgenössischen Kachelkunst lassen sich zwei Strömungen ausmachen: einerseits
die Replika alter Entwürfe und andererseits die Ausführung individueller
moderner Werke.
Viele
namhafte portugiesische Künstler haben Kachel-Editionen produziert und
produzieren sie noch, unter ihnen die Maler Rolando Sá Nogueira und Julio Pomar,
die Grafikerin Maria Helena Vieiera da Silva und das Künstlerehepaar Francisco
Keil do Amaral und Maria Keil.
Viele der
Werke moderner Künstler können heute z.B. in den einzelnen Lissabonner Metrostationen
oder auf dem ehemaligen Expo-Gelände bewundert werden.
Heute
bieten viele Antiquitätenhändler alte Kacheln an, und auch auf dem berühmten
Lissabonner Flohmarkt Feira da Ladra werden alte Azulejos für gutes Geld zum
Verkauf angeboten.
Bei
diesen angebotenen Azulejos handelt es sich aber oftmals um von den Hauswänden
alter Gebäude entwendeter Kacheln.
Es ist
eine Tragödie das heutzutage soviel Geschichte und Identität Portugals auf
Flohmärkten verramscht wird.
Aber da
letztendlich die Nachfrage das Angebot bestimmt und Azulejos in den letzten
Jahren vor allen Dingen bei ausländischen Touristen sehr gefragt sind, wird
sich an diesem Ausverkauf portugiesischer Geschichte und Identität in nächster
Zeit leider kaum etwas ändern.
Jeder muss selber
wissen, in wie weit er zur Zerstörung historischen Erbes beisteuern will!