Samstag, 22. November 2014

Das Museum im Haus der grünen Fenster



In einem imposanten Stadtpalast, genau gegenüber den Docks von Alcântara im Stadtteil Santos-o-Velho, befindet sich heute eines der schönsten und bedeutendsten Museen Lissabons, das Nationalmuseum für Alte Kunst (port.: Museu Nacional de Arte Antiga).
„Casa das janelas verdes“ (dt.: „Haus der grünen Fenster“) hat der Volksmund das Haus einstmals wegen seiner grasgrünen gestrichenen Fensterläden getauft. Auch heute nennen es viele so und die Straße an dem das Museum liegt heißt ebenso, Rua das Janelas Verdes.

Der Bau des Palastes wurde einstmals Ende des 17. Jahrhundert von dem Adeligen Francisco de Tavora, dem ersten Grafen von Alvor (port.: Conde de Alvor), in Auftrag gegeben.
Als die Familie Tavora in Ungnade fiel und fast alle Mitglieder dieses Adelsgeschlecht auf Befehl König Josés und seines Prämierministers Sebastião José de Carvalho e Melo, dem Marques de Pombal, verhaftet, enteignet und hingerichtet wurden, kam der stattliche Palast in den Besitz von Paulo António de Carvalho e Mendonça, dem Bruder des Prämierministers.
Als Paulo António de Carvalho e Mendonça im Jahre 1770 starb, wurde sein Bruder Hausherr.
Ein großes Erdbeben legte Lissabon am 01. November 1755 in Schutt und Asche und zerstörte die meisten Gebäude der Stadt. Der Marques de Pombal befand sich an diesem Tag im Haus. Er hatte Glück, denn die Mauern seines Palastes waren fest und hielten Stand.

Als im Jahre 1782 Prämierminister Pombal starb vermachte er den Palast der Krone.
Diese konnte zuerst mit der Immobilie nichts anfangen, aber nachdem ab 1834 alle kirchlichen Besitztümer und Vermögen in Portugal eingezogen wurden, benutzte man das Haus als Depot für die zahlreichen Kunstwerke der vielen Klöster und Kirchen.

Im Jahre 1881 fand im Londoner Victoria and Albert Museum, auf Wunsch von Queen Victoria, die Ausstellung „Portuguese ans Spanish decorative arts“ (dt.: Portugiesische und Spanische dekorative Kunstausstellung / port.: Exposição retrospectiva de arte ornamental Portuguesa e Espanhola) statt, bei der besonders schöne Kunstwerke aus dem Fundus der „Casa das janelas verdes“ gezeigt wurden.
Im Jahr darauf, 1882, wurden diese Kunstwerke auch in Lissabon gezeigt – Ausstellungsort war das „Haus der grünen Fenster“.
Nachdem die Ausstellung sehr erfolgreich war, entschloss sich die Krone die Exponate fortan einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
So wurde am 11. Mai 1884 das „Nationalmuseum der Schönen Künste und der Archäologie“ (port.: Museu Nacional de Bellas Artes e Arquelogia), der Vorläufer des heutigen Museums, von König Luis I im Palast eröffnet.
1893 wurde die archäologische Abteilung des Museums ausgegliedert und das Museum hieß fortan „Museu Nacional de Arte Antiga“ (dt.: Nationalmuseum für alte Kunst).

Als die Republik 1910 ausgerufen wurde, beschlossen die neuen Machthaber das Museum zu reformieren, d.h. es zu vergrößern.
Man war zu dem Entschluss gekommen, dass das Museum mit den Jahren nicht mehr genug Ausstellungsfläche hatte.
Durch viele Schenkungen und den nun beschlagnahmten Kunstobjekten des Königshauses war die Sammlung mit den Jahren zu einer stattlichen Größe angewachsen.
Dennoch dauerte es noch gut 40 Jahre, bis mit dem Bau eines neuen Museumsflügels im Jahre 1942 begonnen wurde. 1947 wurde dieser Flügel feierlich eröffnet.

Über die Jahrzehnte kamen dann immer mehr Schenkungen hinzu, und so ist das Museu Nacional de Arte Antiga heute einer der bedeutendsten und besuchenswertesten seiner Art, nicht nur in Portugal, sondern auf der gesamten Iberischen Halbinsel.
Aus zwei Gründen ist ein Besuch des Kunstmuseums anzuraten:
Erstens, man begegnet hier Werken aus portugiesischen Malerschulen, die man sonst kaum in dieser Vollendung sehen kann,
und zweitens, viele dieser Bilder, die von Malern wie z.B. Nuno Gonçalves, Gregório Lopes, Frei Carlos oder Cristovão de Morais stammen – ein jeder von ihnen ein großartiger Portraitist – sind sehr wertvolle historische Dokumentationen.

Nuno Gonçalves, der bedeutendste portugiesische Maler des 15. Jahrhunderts, ist im Museum mit einem grandiosen sechsteiligen Flügelaltar zu ehren des Stadtpatrons Lissabons, dem Heiligen Vinzenz (port.: Painéis de São Vicente), vertreten.
Noch heute streitet man sich um das Who´s Who der 60 vom Maler abgebildeten Figuren des Altars, in denen man aber mit Sicherheit König Afonso V und seine Frau Isabel, Heinrich den Seefahrer (port.: Henrique o Navegador), sowie Adlige, Ritter, Mönche, Botschafter, einen jüdischen Bankier, den Chronisten Fernão Lopes und Nuno Gonçalves selbst erkennen kann.
Der Flügelaltar wurde erst 1910 bei Umbauarbeiten am Kloster São Vicente de Fora wiederentdeckt und dann mit viel Sorgfalt restauriert. Er ist das wichtigste und wertvollste Bildwerk des Museums und ohne Übertreibung kann man sagen, dass dieses sechsflüglige Gemälde so etwas wie „Portugals Mona Lisa“ ist.

Auch Gregório Lopes, der Hofmaler der Könige Manuel I und João III, malte nach dem Leben und portraitierte viele Persönlichkeiten am Hof – von ihm ist im Museum ein authentisches Bild Vasco da Gamas zu sehen.

Cristovão de Morais, auch er Maler am portugiesischen Hof, verewigte ebenfalls Persönlichkeiten seiner Zeit auf Leinwand.
Sein berühmtestes Bild trägt den Namen „O Desejado“ (dt.: der sehnsüchtig erwartete) und zeigt den jungen König Sebastião.
Sebastião wurde mit nur drei Jahren auf den portugiesischen Thron gesetzt, nachdem sein Vater Infante João zwei Monate vor seiner Geburt gestorben war. Mit 14 übernahm er die Regentschaft und bereits mit 24 Jahren fiel er in einem unglücklichen Kreuzzug gegen die Mauren im marokkanischen Ksar-el-Kebir (port.: Alcácer-Quibir).
Nach der Schlacht von Ksar-el-Kebir wollten viele nicht an den Tod des Königs glauben, und so wurde er „sehnsüchtig erwartet“ – daher der Beiname „O Desejado“.
Aber Sebastião, ein phantastischer Träumer und finsterer Glaubenseiferer, tauchte nie wieder auf!

Da Sebastião auf dem Schlachtfeld ohne eigne Nachkommen starb, wurde sein nächster Verwandter, sein Onkel König Filipe II von Spanien, zwei Jahre nach seinem Tod zum König von Portugal proklamiert.
Über Filipe II, dem spanische Habsburger, glaubt man sei ein besonders wichtiges Bild nach Lissabon gelangt, nämlich „Die Versuchung des Heiligen Antonius“ (port.: „A tentação de Santo Antão“), von Hieronymus Bosch. Genau weiß man es nicht, aber was man weiß, ist das der spanische König mit Passion die unbequemen, gespenstigen, phantastischen Bilder des Niederländers gesammelt hat.

Verschiedene Werke von Albrecht Dürer, Hans Holbein dem Älteren, Lucas Cranach oder Francisco de Zubarán begründen ebenfalls den renommierten Ruf des Museums.
Im selben Stockwerk wie die Gemäldegalerie ist auch die prachtvolle Monstranz von Belém (port.: Custódia de Belém) untergebracht, die Gil Vicente 1506 aus dem ersten Gold formte, welches der Seefahrer Vasco da Gama aus seiner zweiten Indienreise mitbrachte.

Zur umfangreichen Sammlung des Museums gehören über 40.000 Exponate, unter anderem, antike Möbel, wertvolles Porzellan, wunderschöne Skulpturen, erlesene Wandteppiche und zahlreiche Kunstobjekte aus Brasilien, Portugiesisch-Indien, China, Japan und Afrika.

Ich kann jedem nur einen Besuch in diesem eindrucksvollen Museum, voller einzigartiger historischer Kunstobjekte, empfehlen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen