Soeben habe ich in den Nachrichten des deutschen Fernsehens erfahren, das Arcandor, der Besitzer von Karstadt Insolvenz beantragt hat. Somit ist die Zukunft von Tausenden Mitarbeiter der Karstadt AG ungewiss.
Noch ein deutsches Unternehmen, welches sich dank der anhaltenden Weltwirtschaftskrise, aus unserem Alltag verabschieden wird, wenn nicht noch ein Wunder geschieht.
Uns hier in Portugal geht es nicht besser.
Jeden Tag melden Firmen Insolvenz an, gehen Betriebe pleite und gehen Banken bankrott. Es ist unglaublich wie viele bekannte und weniger bekannte Unternehmen in letzter Zeit von der Bildfläche verschwunden sind.
Über eines dieser Unternehmen möchte ich hier heute schreiben, nämlich über die Buchhandlung Buchholz (Livraria Buchholz).
Die Buchhandlung Buchholz, die ihren Sitz in der Rua Duque de Palmela 4, im Zentrum der Hauptstadt, in der Nähe der Praça Marquês de Pombal hat, schloss nun endgültig und definitiv ihre Türen.
Die Schließung war schon seit Monaten absehbar. Nur ein Wunder oder ein starker Investor hätte die Buchhandlung Buchholz noch retten können. Aber weder das eine noch das andere geschah.
Anscheinend leben wir nicht mehr im Zeitalter der Wunder.
1943 eröffnet, der aus Berlin kommende Buchhändler Karl Buchholz, in der Avenida da Liberdade seine erste Buchhandlung. Erst 1965 zog die Buchholzbuchhandlung dahin, wo sie sich bis heute befunden hat.
Karl Buchholz war nach Lissabon gekommen, weil er in Deutschland keine Zukunft für seinen Beruf mehr sah. Als Buch- und Kunsthändler stand er ständig im Konflikt mit dem Naziregime.
Man erzählt sich, er soll während der Kristallnacht ein Bild von Picasso und ein Bild von Braque vor den Flammen gerettet haben. Und seit dieser Nacht sollen die Nazis ein Auge auf ihn gehabt haben.
Seine Buchhandlung in Berlin war durch einen Bombenangriff der Alliierten 1942 zerstört worden. Einen Wiederaufbau wollte er in Berlin nicht wagen; also ging er nach Portugal. Hier konnte er nun endlich die von den Nazis verbotenen Schriftsteller wie z.B. Thomas Mann verkaufen, was ihn unheimlich befriedigte.
Was die Buchhandlung Buchholz so besonders machte, war die Tatsache, dass sie innenarchitektisch völlig anders war, als portugiesische Buchhandlungen. Die drei Etagen wurden durch eine Wendeltreppe verbunden und man hatte auf jeder Etage Leseecken und gemütliche Sofas. Während es in portugiesischen Buchhandlungen nicht gerne gesehen wird, wenn man in den Büchern blättert und in ihnen liest, war dies bei der Buchhandlung Buchholz so gerade erwünscht.
In den 60er Jahren trafen sich im Keller der Buchholzbuchhandlung die Schriftsteller Escada, Noronha da Costa, Eduardo Nery und Malangatana zum debatieren. In den letzten Jahren wurde die Buchhandlung vor allem von Intellektuellen, Politikern und modernen Schriftstellern frequentiert.
Die Buchholz war auch die Buchhandlung mit der größten Auswahl an deutschsprachigen Büchern hier in Portugal. Oft habe ich dort echte Juwelen der Literatur gefunden und gekauft.
Zuletzt arbeiteten in der Buchholz nur noch neun Mitarbeiter, die schon seit Jahresbeginn keinen Lohn mehr erhalten haben.
Offiziell schuldet die Buchholz Buchhandlung ihren Gläubigern, Lieferanten und auch Mitarbeitern über 1,3 Millionen Euro.
In einer Zeit in der über Milliardenbeträge gesprochen wird, um Firmen und Werke zu erhalten, sollte man meinen das 1,3 Millionen Euro auftreibbar gewesen wären.
Aber leider besteht hier in Portugal kein Interesse an einer geschichtsträchtigen, alten Buchhandlung.
Es wird einfach zu wenig gelesen in diesem Land.
Es ist eine Schande!
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenDurch Zufall fand ich diesen Bericht über die Schließung der Buchhandlung Buchholz in Lissabon. Ich forsche seit Jahren im Auftrag der Forschungsstelle "Entartete Kunst" der Universität Hamburg über den Buch- und Kunsthändler Karl Buchholz und habe mich nun gerade seinen Aktivitäten in Lissabon zugewandt. Da freut es mich, hier einige Sätze zu finden, die mich zum Denken anregen. Gibt es die Möglichkeit, hier oder an anderer Stelle ausführlicher über ihn zu sprechen/schreiben? Mich interessiert insbesondere seine Anfangszeit in Portugal, seine Beweggründe und der Verbleib der Geschäftspapiere. Herzlichen Dank für jede Antwort!
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