Meine lieben Freunde Anika
und Christian aus Pforzheim, die diesen Herbst zum ersten Mal gemeinsam Lissabon,
den Alentejo und die Algarve entdeckten, haben mich vor einpaar Tagen gefragt,
warum in so vielen portugiesischen Dörfern und Städte Gartenpavillons stehen.
Nun, ich habe nicht
lange überlegen müssen um zu wissen was sie mit den „Gartenpavillons“ meinten.
Die Bauwerke die Anika
und Christian hier auf ihrer Reise durch das südliche Portugal entdeckt haben
und die sie als Gartenpavillons bezeichnen, heißen auf portugiesisch „coretos“
(sing. coreto / plural coretos) und sind, obwohl man sie oftmals in Parkanlagen
oder anderen Grünflächen vorfindet, doch eigentlich eher Musikpavillons als Gartenpavillons.
Es wird wohl in ganz
Portugal mehr als Tausend dieser leichten und freistehenden Bauwerke geben – keiner
hat sich jemals die Mühe gemacht diese urbanen architektonischen Schätze zu
zählen.
Lediglich 44 von
ihnen stehen heute unter Denkmalschutz!
Auf unzähligen
Briefmarken und alten Postkarten verewigt stehen die meisten Coretos
hierzulande in öffentlichen Parks oder auf zentralen Plätzen, wie z.B. dem
Marktplatz oder vor der Dorfkirche.
Charakteristisch für
einen Coreto ist das er immer überdacht, nach allen Seiten rundherum offen und
im Grundriss entweder rund, vier-, sechs- oder achteckig ist.
Obwohl schon zu
Zeiten der Römer – und später der Mauren – im früheren Portugal solche
Pavillons anscheinend schon existierten und obwohl den Portugiesen durch ihre
vielen Seereisen nach China und Japan die Architektur des Pavillons sehr wohl bekannt
war, sind die Coretos, so wie wir sie heute kennen, erst in der Epoche des
Barock in Portugal populär geworden.
In dieser Zeit, so
Ende des 18. Jahrhunderts herum, fingen die Musikkapellen an, die bis dahin
zumeist nur kirchenmusikalischen Stücke spielten, auch weltliche Aufführungen
zu geben.
Um diese Auftritte
vor Publikum aufzuführen, wurden dementsprechend – in einer Zeit in der es kein
Radio, keine Schallplatte, kein Fernseher und kein Internet gab – die Coretos
gebaut, damit eine breite Öffentlichkeit den Musikaufführungen lauschen konnte.
Kein Coreto aus
dieser Zeit, die reine verschnörkelte und mit Ornamente verzierte und bemalte Kunstobjekte
aus Holz waren und die eher an überdimensionale Spieldosen erinnerten,
existiert heute noch.
Sie sind alle ein
Opfer der „Moderne“ geworden und wurden aufgegeben, vandalisiert, dann
abgerissen oder an einem anderen Ort neu aufgebaut.
Die Coretos, die im 19.
Jahrhundert dann überall im Land aus Eisen errichtet wurden, wurden fast alle während
des Ersten Weltkrieges demoliert und zu Kriegswerkzeug verarbeitet.
In Lissabon gibt es
heutzutage in den verschiedenen Stadtteilen 22 Coretos und alle werden sie
heute noch genutzt.
Der älteste steht im
Zoologischen Garten und wurde um das Jahr 1830 errichtet.
Der Coreto der heute
im Park Jardim da Estrela steht, ist um 1840 erbaut worden und stand ehemals
auf dem „Passeio Publico“, der heutigen Avenida da Liberdade.
Auf dem Land bilden
die Coretos weiterhin das kulturelle Zentrum einer jeden portugiesischen Gemeinde.
In allen Dörfern in
denen diese Pavillons stehen, sind sie praktisch der Mittelpunkt eines jeden
Volksfestes, eines jeden Freiluftkonzerts und einer jeden kirchlichen Walfahrt.
Coretos sind hier, wie ehedem, die kleine aber besondere Bühne für die lokalen
Musikkapellen, für Chöre, für Folkloregruppen, für Dichterlesungen und manchmal
sogar für kleine politische Veranstaltungen.
Über viele Jahrzehnte
vernachlässigt und dem Verfall preisgegeben, fangen in unserer Zeit Coretos
wieder an das zu sein, was sie traditionell immer waren:
Orte der Musik, der
Kultur, der Fröhlichkeit, des Feierns und des Beisammenseins.
Hallo,
AntwortenLöschenIch würde gerne noch etwas zu den Coretos hinzufügen. In Custóias, auf den alten Platz der Feira, steht der obligatorische Coreto. Ich kann mich daran erinnern das in den 70er wenn die Feira (der Markttag) mit wichtigen Festen zusammen fiel (z.B. S. João oder dem örtlichen "padroeiro"), das da noch gespielt wurde. Die alte Feira wird heute als öffentlicher Park das zum verweilen einlädt. Naja, eines Tages, während eines Spazierganges, fiel mir auf das sich am unteren Rand des Coretos ein paar vergitterte Fenster befanden und das an der einen Seite, eine Treppe zu einer alten hölzernen Tür herunter führte. Danach habe ich darauf geachtet ob andere Coretos auch solche Fenster hatten. Tatsächlich habe in der Gegend von Braga, Guimarães und Aveiro noch ein paar entdeckt die auch über solche vergitterte Fenster verfügten. Eines Tages fiel mir ein mal meine "vovó" (Großmütterchen), die damals schon 82 war, zu fragen ob sie wusste was es damit auf sich hatte. Da erzählte sie mir das es da unten zwei räume gab, bzw. gibt. Einen Raum der dazu genutzt wurde um die Einnahmen aus den Lizenzgebühren und Registrierung der Feira zu lagern, bis diese zur "junta" (Gemeinde Verwaltung) gebracht werden konnten, der andere Raum war eine art Zelle wo erwischte Taschendiebe temporär untergebracht wurden. Vor allem wurde es als Ausnüchterungszelle benutzt.
Ich fand das sehr interessant und wollte es mit euch teilen.