Donnerstag, 11. August 2011

Eselsohren: „Die Sprache der Schatten“


Diesen Urlaub habe ich von meiner kleinen Nichte Lorena ein Buch, mit dem Titel „Die Sprache der Schatten“, geschenkt bekommen.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich die ersten Seiten des Buches mit einer gewissen Langeweile gelesen habe.
Ab einer bestimmten Stelle aber, es muss so um die Seite 25 gewesen sein, habe ich angefangen mit mehr Aufmerksamkeit zu lesen.

Das Buch erzählt die Geschichte der jungen Frederike, Rika genannt, die erst Mitte zwanzig ist, als ihr wesentlich älterer Ehemann, ein bekannten Berliner Industrieller, im Jahr 1874 stirbt.
Die junge Witwe muss sich fortan nicht nur um ihre unwesentlich jüngeren Stiefkinder kümmern, sondern teilweise auch um die Belange der Firma.
Sie findet als Ausgleich Gefallen an der Kunst und erwirbt selbst gelegentlich das eine oder andere Gemälde.

Als sie von ihrem Stiefsohn Alexander das Bild eines unbekannten Malers geschenkt bekommt, ist sie fasziniert. Da der Name des Künstlers nicht klar ersichtlich ist, versucht sie auf eigene Faust, den geheimnisvollen Mann zu finden. Doch die Suche ist nicht ganz einfach für eine Dame aus besserem Hause, denn die Spur führt sie in das Herz von Berlin, wo in den verruchten Gassen damals allerlei zwielichtige Gestalten zuhause sind.
Eine spannende Suche nach dem Maler und Außenseiter Anthonis beginnt.
Im Laufe der Geschichte verliebt sie sich in den Künstler und am Schluss gibt es so etwas wie ein Happy End.

Anthonis leidet an der seltenen Krankheit Prosopagnosie (port.: Prosopagonia), die im Volksmund auch „Gesichtsblindheit“ genannt wird.
Da ich noch nie in meinem Leben von dieser Krankheit gehört hatte, habe ich mit Spannung das Buch weiter gelesen und mich mit der Zeit sogar über Prosopagnosie informiert.

So habe ich erfahren, dass Prosopagnosie die Unfähigkeit ist, Menschen die man eigentlich kennt, anhand ihres Gesichts zu erkennen.
Für Menschen die an dieser Krankheit leiden, hat das Gesicht einer bekannten Person genauso viel Identitätswert, wie für gewöhnliche Menschen der Arm, das Bein oder der Rücken eines geliebten Menschen. Viele können in den Gesichtern anderer noch nicht einmal das Geschlecht oder Emotionen erschließen. Sie besitzen einfach nicht die Fähigkeit sich an Gesichter zu erinnern und zuzuordnen – und das jeden Tag aufs Neue!

Da der Held dieses historischen Romans ein Portraitmaler ist, kann man sich vorstellen, in welche kniffeligen Situationen er während der ganzen Geschichte gerät.

Was ich auch nicht wusste ist, dass schätzungsweise 2 % der portugiesischen Bevölkerung an dieser Krankheit leidet.
Bei einigen ist Prosopagnosie durch einen Unfall oder Schlaganfall zustande gekommen, aber viele haben auch Prosopagnosie von Geburt an. Und weil viele Prosopagnosie seit ihrer frühesten Kindheit haben, wissen viele gar nicht, dass sie an dieser seltsamen Behinderung leiden.
Den Namen Prosopagnosie hat sich übrigens im Jahre 1947 der deutsche Neurologe Joachim Bodamer ausgedacht.

Aber die Krankheit Prosopagnosie ist nicht das einzige heikle Thema welches die Autorin in ihrem Werk behandelt.
Auch die Homosexualität und die Judenfeindlichkeiten der damaligen Zeit sind in diesem Buch unter anderem ein Thema.

Die Autorin Susanne Goga wirft mit ihrem Roman einen authentischen Blick auf das Berlin des späten 19. Jahrhunderts, in jene Zeit, als die Hauptstadt des jungen deutschen Reichs förmlich explodierte, Kunst und Kultur in Blüte standen und auch Frauen ganz allmählich begannen, sich aus ihrem engen gesellschaftlichen Korsett zu befreien und zu emanzipieren und ihr Terrain in Beruf, Literatur oder Malerei zu erobern.

Sie hat mit diesem historischen Roman eine faszinierende, spannende und gefühlsvolle Geschichte geschrieben, die voller Liebe, Freundschaft, Vertrauen und Opulenz aber auch Eifersucht, Hass, Gier und Neid ist.

Susanne Goga, die 1967 in Mönchengladbach geboren wurde, ist von Hause aus eine renommierte Literaturübersetzerin.
Sie schrieb zwei historische Kriminalromane, bevor sie sich mit „Das Leonardo-Papier“ und jetzt „Die Sprache der Schatten“, beide im Diana Verlag erschienen, dem klassischen historischen Roman zuwandte.
Susanne Goga lebt mit ihrer Familie in Mönchengladbach.

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