Donnerstag, 27. August 2009
Wie wär's mal mit Lissabon?
Torreros, Musik und Kastanien,
Gitarren und Gesang im Mondenschein.
Und Spanien und immer nur Spanien!
Ja, Kinder, fällt Euch denn nichts Bess'res ein?
Torreros und olé -
Das ist doch längst passé.
Wie wär's mal mit Lissabon?
Das ist grad' so schön wie Spanien:
Wein, Oliven und Geranien
Blühn an Fenstern und Balkon.
Also, auf nach Lissabon,
In die Stadt der Portugiesen!
Du wirst sicher Freund mit diesen
Und Du hast sehr viel davon.
Zwar sprichst Du noch nicht fließend Portugiesisch
Doch das Land ist paradiesisch.
Voller Pracht umsäumen Palmen jeden Platz.
So manche Portugiesin hat für deine Sympathie Sinn
Und zum Abend unter Palmenbäumen sicher einen Schatz.
Zauberhaft ist dieser Ort,
Und du willst nie wieder fort.
Bist du fern von Lissabon,
Träumst Du immer noch davon,
Von der Stadt der Portugiesen.
Olé
(COMEDIAN HARMONISTS, 1928)
Bei diesem, zugegeben etwas gewöhnungsbedürftigen und künstlerisch nicht gerade sehr wertvollem Beispiel deutscher Dichtkunst, handelt es sich nicht um ein Werk von Goethe oder Schiller, sondern um ein Liedtext der Comedian Harmonists, die in den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts ihre größten musikalischen Erfolge feierten.
Die Comedian Harmonists, mit Ari Leschnikoff, Erich Collin, Harald Frommermann, Roman Cycowski, Robert Biberti und Erwin Bootz wohl die erste deutsche Boygroup, waren eine Berliner Vokal-Gesangsgruppe die weltberühmte Titel, wie „Ein Freund, ein guter Freund“, „Mein kleiner grüner Kaktus“ und „Veronika der Lenz ist da“ hervorbrachten.
Wie schon geschrieben, hatten sie auch das Lied „Wie wär´s mal mit Lissabon“ in ihrem Repertoire.
Der Liedtext zeigt, welche naive Vorstellung die Menschen in Deutschland vor fast 100 Jahren, von Portugal und seiner Hauptstadt hatten.
Obwohl, meiner Meinung nach, der Text bei aller Naivität doch etwas gewitztes hat.
Denn allein die Unterscheidung Lissabons von dem folkloristisch besetzten Spanienbild (Torreros, Kastanien, Gitarren) als etwas „Bess'res“ überzeugt in ihrer Pfiffigkeit, spielt sie doch gleichzeitig auf die alte iberische Spannung zwischen uns Portugiesen und unseren Nachbarn, den Spaniern, an.
Auch die wenigen weiteren Details zeugen von etwas Einblick: der Hinweis auf die Freundlichkeit der Portugiesen, die Schwierigkeiten des Spracherwerbs, die Schönheit der Blumen- und Pflanzenwelt, schließlich auch noch das grundsätzliche und ewige Heimweh der Portugiesen, all das ist im Text vorhanden.
Ein paar Wissenssplitter immerhin;
jedoch - das macht uns der Text deutlich - sie überlebten nicht.
Wer allerdings überlebte, das waren die Comedian Harmonists.
Nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland, wurde die Gruppe zwar verboten, da drei ihrer Mitglieder (Erich Collin, Harald Frommermann, Roman Cycowski) Juden waren, hatten aber außerhalb Deutschlands, vor allem in Amerika, weiterhin großen Erfolg.
Collin, Frommermann und Cycowski flohen 1930, kurioser Weise über Lissabon, nach Amerika. In Lissabon angekommen mussten sie feststellen, wie „kindisch-naiv“ ihr Jahre zuvor komponierter Text „Wie wär´s mal mit Lissabon“, eigentlich war.
Und heute?
Es findet sich wohl kaum eine zweite europäische Großstadt, die in der Unterhaltungs- und Werbeindustrie so sehr ignoriert wird wie Lissabon.
Ob Wien, Paris, Rom oder München, all diese und viele andere Städte lassen sich ohne weiteres mit standardisierten Bildern zu Filmen, Schlagern und Werbespots verarbeiten. Wien z.B. durch seine Küß-die-Hand-Gesten, Fiaker und Walzer, Paris durch den Eifelturm, die Liebe und den Chanson, Rom durch seine vielen Brunnen, la dolce vitta und viel amore und München durch sein Hofbräuhaus, die Biergeselligkeit und den Viktualienmarkt, usw.
Und Lissabon?
Lissabon ist heute, wie vor 100 Jahren, nichts weiter als ein weißer Fleck auf der internationalen folkloristischen Landkarte.
Es wird Zeit, dass sich ein gewisser Dieter Bohlen dieser Sache annimmt!
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