Dienstag, 18. August 2009
Ein Vertrag und zwei die sich nicht vertragen
Wie überall in Europa, so markierten auch hier auf der Iberischen Halbinsel seit Alters her Grenzsteine königliche Herrschaftsbereiche.
Das Überschreiten dieser Herrschaftsbereiche war gleichzusetzen mit einer Kriegserklärung, konnte der Reisende nicht glaubhaft machen, dass er in friedlicher Absicht durch die Felder zog.
Die Grenzsteine, einfache Steinquader, trugen häufig die Insignien von König und Nation und waren nummeriert.
Die Grenze zwischen Portugal und Kastilien (dem heutigen Spanien) entstand nach dem 12. September 1297.
An jenem Tag unterzeichneten Dom Dinis, König von Portugal und der Algarve, und Fernando IV, Herrscher über Kastilien, Leon und Toledo, den „Tratado de Alcanizes“ (Vertrag von Alcanizes).
Dieser Vertrag, benannt nach dem Ort in Kastilien in dem es unterschrieben wurde, legte die Grenze zwischen beiden Ländern fest. Sie gilt bis heute, immerhin seit 712 Jahren – und ist somit die älteste und stabilste Grenze in Europa.
Jedenfalls fast!
Portugal hat diese vertraglich festgelegte Grenze zwischen den zwei Nationen nie überschritten. Spanien dagegen mehrere Male!
Würde sich heute jemand die Mühe machen, die Inschriften auf den verwitterten Grenzsteinen zwischen Portugal und Spanien zu entziffern, stellte er fest, dass zwischen dem Stein mit der Nummer 804 und dem mit der Nummer 912, mitten im Alentejo östlich von Alandroal und Elvas eine kilometerlange Lücke klafft – Folge des Grenzstreits um die Stadt Olivença (spanisch: Olivenza).
Spanien hält die Stadt Olivença und acht Dörfer des Kreises, ein Gebiet mit 750 Quadratkilometern immerhin gut viereinhalb Mal so groß wie Liechtenstein, seit über 200 Jahren besetzt.
Die Besetzung von Olivença ist zwar kein Dauerthema bei gesamt-iberischen Politikertreffen.
Doch wer schweigt, stimmt noch lange nicht zu!
Zuletzt schickten portugiesische Diplomaten 1995, bei der Planung der Alqueva-Talsperre, die an spanisches Territorium grenzt, dreizehn Bände historisch-juristischer Studien nach Madrid die unmissverständlich betitelt waren mit: „Über die Territorien von Spanien und Olivença“.
Spanien schickte daraufhin diese Studie kommentarlos an Portugal zurück.
Vielen in Portugal gilt der Vertrag von Alcanizes als wichtigstes Kapitel der Landesgeschichte und Identifikationsbasis.
Portugal überließ damals den Spaniern die Städte Arouche, Aracena und Ayamonte (alle in der heutigen spanischen Provinz Huelva).
Einige bis dahin spanische Landstriche wurden portugiesisch. Dazu gehören Sabugal, Bom Castelo und Vilar Maior, aber auch die Orte Campo Maior, Serpa und Moura und das umstrittene Olivença selbst, das portugiesische Ritter des Templerordens einstmals von den arabischen Mauren befreit hatten.
Wie ein Dorn, in der Form und auch sprichwörtlich, ragte der Landstrich in spanisches Territorium hinein.
Im Orangenkrieg von 1801, in dem Spanien und Frankreich auf der einen und Portugal auf der anderen Seite stand und dort verlor, eroberte die Kriegskoalition Olivença.
Die Sieger pflückten damals in Elvas Orangen und schickten sie per Boten ans Königshaus in Lissabon als Wink, wo die Frontlinie verlaufen würde, sollte Portugal seine Häfen nicht für britische Handelsschiffe sperren, Olivença an Spanien und Teile der Kolonie Brasilien an Frankreich abtreten.
Natürlich ließ sich das portugiesische Königshaus nicht erpressen, und die Spanier verkündeten daraufhin den „Frieden von Badajoz“.
In diesem „Frieden von Badajoz“ beschlossen die Spanier, dass Olivença fortan zur spanischen Extremadura und nicht mehr zum portugiesischen Alentejo gehöre.
1815, in der Folge des Wiener Kongresses, wurde die Rückgabe von Olivença an Portugal vereinbart.
Aber bis heute weigert sich Spanien dieses Territorium an Portugal zurückzugeben.
Beseelt von Nationalgefühl und Tradition, fechten deshalb im Grenzland immer wieder Bürgervereine jeden Kulturkampf für ein portugiesisches Olivença aus.
Anhänger des „Grupo de Amigos de Olivença“ (Gruppe der Freunde von Olivença) und der Bewegung „31 da Armada“ fahren gerne mal rüber nach Spanien und entrollen in der Stadt ein paar portugiesische Flaggen und Transparente.
Von „Erniedrigung“ ist dann dort die Rede.
Jeder 20. Mai ist dann ein Trauertag: Der „Beginn der Besatzung“.
Die Monarchen Dom Dinis und Fernando IV waren weitsichtig und schätzten das Temperament ihrer Untertanen richtig ein. Sie schrieben in ihren Vertrag, dass er für „immer und alle Zeit den Grenzverlauf bestimmt und von allen nachfolgenden Herrschern respektiert werden muss“. Sie verfügten weiter, wer „diesen Vertrag nicht achtet, ist ein Verräter und muss ernsthaft bestraft werden“.
Leider hielten sich spätere Generationen nicht an diese markanten Vertragssätze.
Mittlerweile haben Portugal und Spanien genug damit zu tun, sich in der Europäischen Gemeinschaft durchzusetzen.
Gegen die Wirkung vieler EU-Verträge ist der „Tratado de Alcanizes“ eine „reine Folklore“.
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