Dienstag, 23. Juli 2013

Sintra




Das 25 km von Lissabon entfernte romantische Städtchen Sintra liegt etwa 200 m über dem Meer, in den waldreichen Granitbergen der Serra de Sintra, auf einem von zwei Schluchten begrenzten Bergvorsprung.
Die heutige Kleinstadt wurde im November 1147 von König Afonso Henriques den Arabern abgerungen und diente seit dem 14. Jahrhundert, nicht zuletzt wegen seines angenehm ausgeglichenen Klimas, den portugiesischen Königen aus dem Hause Avis als Sommerresidenz.
Erst im 18. Jahrhundert wurde das Schloss von der nachfolgenden Bragança-Dynastie zugunsten von Mafra und Queluz vernachlässigt.

Wiederentdeckt wurde die Serra de Sintra und der abgeschiedene Ort in der Romantik, besonders von englischen Reisenden, die es auch zu schätzen wussten, wenn sich die „Gipfel“ der Umgebung in 500 m Höhe dramatisch in Wolken hüllten, so wie der englische Schriftsteller William Thomas Beckford, der 1787 die Serra de Sintra in den höchsten Tönen in seinen Tagebüchern pries.

Der britische Adlige George Gordon Noel Byron, der unter dem Namen Lord Byron weltberühmt wurde, sprach 1809 bewundernd von Sintra als einen „glorious Eden“ (dt.: glorreiches Eden), und in einem Brief an einen Freund schrieb er einmal über Sintra:

„…unter jedem Aspekt der entzückendste Ort Europas, mit Schönheiten jeder Art gesegnet, natürlicher wie künstlerischer. Paläste und Gärten breiten sich inmitten Felsen, Katarakten und Abgründen aus. Klöster stehen auf erstaunlichen Höhen, diese mit Aussicht auf den Atlantik und den Tejo. Es vereint sich hier die Wildheit der schottischen Westen Highlands mit dem grün des Südens Frankreichs…“

Und auch der Dichter Robert Southey, ebenfalls ein Brite, beschreibt Sintra, in einem Schreiben aus dem Jahre 1800, als ein „Paradies auf Erden, dem es nur an frischer Butter und guter Gesellschaft fehle“.
Also Butter, so kann ich aus eigener Erfahrung sagen, bekommt man heutzutage in Sintra problemlos!

In Wahrheit wird die Schönheit der Landschaft, in Verbindung mit dem prächtigen subtropischen Pflanzenwuchs und der Nähe zum Meer, wirklich nicht leicht übertroffen, so dass Sintra mit Recht als einer der schönsten und charmantesten Orte Portugals, ja der ganzen Iberischen Halbinsel, gilt.

Mittelpunkt von Sintra ist der Largo Rainha Dona Amélia, ein großer, zentraler Platz, an deren Nordseite sich der stattliche Palácio Nacional de Sintra (dt.: Nationalpalast von Sintra) erhebt.
Der geschichtsträchtige königliche Palast ist ein verwirrendes Konglomerat der Stile und Jahrhunderte. Seine zwei unverwechselbaren kegelförmigen Küchenschornsteine sind heute das Wahrzeichen Sintras.
König João I baute im frühen 15. Jahrhundert den alten gotischen Palast von König Dinis aus. Seine Nachfolger nahmen dann noch zahlreiche Erweiterungen und Änderungen vor. König Manuel I fügte um 1510 den Ostflügel mit den charakteristischen Doppelfenstern hinzu.
Weitere Umbauten folgten dann im 17. und 18. Jahrhundert.
Das Innere des Nationalpalastes ist reich an seltenen alten Azulejos, wie man sie im Arabischen Saal (port.: sala árabe), im Elsternsaal (port.: sala das pegas) oder im Meerjungfrauensaal (port.: sala das sereias) bewundern kann, reich an wunderbaren Kassettendecken, wie die in der Schlosskapelle (port.: capela do palácio), die im Wappensaal (port.: sala dos brasões) und die im Schwanensaal (port.: sala dos cisnes) bestaunt werden können und überraschenden, maurisch-inspirierten Innenhöfen.

Das Schloss von Sintra, mit all seiner Pracht und seinem Glanz – für einen König aus dem Hause Bragança wurde es zum Gefängnis; der seit Kindestagen gelähmte und geistesschwache Afonso VI, der von 1656 bis 1662 unter der Vormundschaft seiner Mutter, Königin Luisa de Gusmão, stand, wurde hier zum Spielball der Hofintrigen, in denen auch seine junge Frau, Königin Maria Francisca Isabela von Savoyen – die ihren Schwager Pedro, den nachfolgenden König Pedro II, viel interessanter fand als ihren Ehemann – eifrig mitmischte.
Afonso VI, so wurde damals von seinem Bruder Pedro in die Welt gesetzt, sei nicht im Stande die Ehe mit seiner Frau zu vollziehen.
Dies war dann schließlich der Grund weshalb die Ehe zwischen Afonso VI und Maria Francisca Isabella von Savoyen annulliert wurde und Afonso zum Thronverzicht 1668 gezwungen wurde.
Die letzten Jahre seines Lebens, bis zu seinem Tod am 12. September 1863, verbrachte Afonso VI als Verbannter und Gefangener im Schloss von Sintra.

Vor dem Nationalpalast steht ein zu einem Brunnen umgestalteter spätgotischer Pelourinho (port.: Pranger).
Südwestlich schließt sich an den Largo Rainha Dona Amélia die Praça da República an.
Dieser Platz wird von der ursprünglich aus dem 12. Jahrhundert stammenden, später jedoch mehrfach umgebauten Igreja de São Martinho und dem Stadtmuseum (port.: Museu Municipal) begrenzt.
Einige hundert Meter weiter westlich ist das unvergleichliche Spielzeugmuseum (port.: Museu do Brinquedo), in einem ehemaligem Feuerwehrhauptquartier, untergebracht.

Außer diesen zentralen Highlights hat Sintra noch viele andere bedeutende und schöne Sehenswürdigkeiten die entdeckt werden wollen.
Die für mich wichtigsten Attraktionen in Sintra sind:

- Palácio de Monserrate (dt.: Palast von Monserrate) – dieser exotische Mogulschloss liegt in dem prächtigen Parque de Monserrate, die Beide alleine Dank der Phantasie des Engländers Sir Francis Cook, einem bedeutenden Kunstsammler seiner Zeit, entstanden sind

- Palácio de Seteais (dt.: Palast von Seteais) – dieser klassizistische Riesenpalast, dessen Name ins deutsche übersetzt so viel wie „Sieben Seufzer“ bedeutet, ließ sich der niederländische Konsul und Diamantenhändler Daniel Guildemeester im Jahre 1787 bauen. Heute ist in dem Palast ein Luxushotel untergebracht

- Palácio Nacional da Pena (dt.: Nationalpalast von Pena) – Dieser Palast erinnert an ein maurisch-manuelistischen Schloss Neuschwanstein. 1511 ließ König Manuel I, an der Stelle an der heute der Palast steht, ein Kloster errichten, das 1755 schwer unter dem Erdbeben litt und daraufhin verlassen wurde. Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha, Prinzgemahl der portugiesischen Königin Maria II, kaufte 1838 die romantisch überwucherten Ruinen, und machte aus ihnen seine Sommerresidenz. In seinem Auftrag schuf der weit gereiste Ingenieur und Geologe Wilhelm Ludwig von Eschwege in zehn Jahren Bauzeit eine Phantasieburg, in der sich zahllose Details berühmter portugiesischer Gebäude wieder finden. Die alte maurische Klosterkirche mit Azulejos aus dem Jahre 1619 und einem Renaissance-Altar aus Alabaster und Marmor wurde dabei in den Neubau mit einbezogen. Der Park um den Palast sollte ursprünglich im englischen Stil angelegt werden, ist dann aber letztendlich so phantasievoll geraten wie der Palast

- Castelo dos Mouros (dt.: Maurenburg) – Im 8. Jahrhundert errichteten die arabischen Mauren hier eine Burg, die sie auch bis zu ihrer Eroberung durch König Afonso Henriques im November 1147, bewohnten. Nach ihrer Eroberung nutzten die portugiesischen Könige die Anlage kaum, obwohl sie nachweislich noch bis zum 14. Jahrhundert bewohnbar war. Von der ursprünglichen Burganlage ist heute leider nicht mehr viel erhalten, und das wenige was man heute noch bewundern kann, haben wir dem Ruinenverliebten Prinzgemahl Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha zu verdanken, der die Ringmauern einstmals, entsprechend dem Zeitgeschmack des 19. Jahrhunderts, restaurieren ließ

- Quinta da Regaleira (dt.: Landgut Regaleira) – Die Quinta da Regaleira ist ein etwa 4 ha großes Landgut, indem ein riesiges, luxuriöses Herrschaftshaus steht, das einstmals von dem visionären italienischen Architekten Luigi Manini für den Kaffeeplantagenbesitzer und Millionär António Augusto Carvalho Monteiro entworfen und gebaut wurde. Sowohl das Herrschaftshaus als auch der exotische Park, mit seinen vielen tropischen Pflanzen, den blauen Seen und den dunklen Grotten, sind wunderschön anzusehen

- Convento dos Capuchos (dt.: Kapuzinerkloster) – Bei dieser tief im Wald gelegenen Klosterruine handelt es sich um ein ehemaliges Kloster der Franziskaner aus dem Jahre 1560

- Museu do Ár (dt.: Luftfahrtmuseum) – Das interessante und sehenswerte Luftfahrtmuseum liegt im Ort Pêro Pinheiro, einer Gemeinde von Sintra, auf dem Gelände der Luftbasis Nr.1 (port.: Base Aérea n°1). Hier kann man zahlreiche historische Flugzeuge, Hubschrauber und viele andere aeronautische Objekte besichtigen (bitte lesen sie hierzu auch meinen Blogeintrag „Das Luftfahrtmuseum von Sintra“, vom 13.07.2013)

Zu Sintra gehören – last but not least – die Queijadas, kleine, süße Törtchen mit einer Frischkäsefüllung, deren Geschmack trotz des Namens, mit dem deutschen Käsekuchen nichts zu tun hat, auch wenn viele ausländische Reiseführer das Gegenteil behaupten. Die Queijadas de Sintra sind zweifelsohne der kulinarische Höhepunkt der Stadt Sintra.

Die ganze Serra de Sintra wurde im Jahre 1995 auf die Weltkulturlandschaftsliste der UNESCO aufgenommen, und deshalb empfehle ich jedem, der mit dem Auto und einer guten Straßenkarte oder einem brauchbaren Navigationssystem unterwegs ist, die Serra auf jeden Fall selber auf eigene Faust zu erforschen.
Er wird es auf keinen Fall bereuen!

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