Sonntag, 14. Juli 2013

João de Almeida Torto – Verrückt oder einfach nur ein Träumer?


Wenn man das Luftfahrtmuseum (port.: Museu do Ár) in Sintra besucht (lesen sie bitte hierzu auch meinen vorhergehenden Blogeintrag „Das Luftfahrtmuseum in Sintra“, vom 13.07.2013), kann man die verschiedensten aeronautischen und militärhistorischen Objekte bewundern.
Wenn man das Museum betritt, sieht man gleich, von der Eingangstür aus, die vielen verschiedenen Flugzeuge und Hubschrauber in der Ausstellungshalle stehen, so das man vom imposanten Gesamtbild der vielen Flugexponate erst einmal „erschlagen“ wird.
Erst mit der Zeit, bekommt man dann ein Gefühl für die vielen Details und Besonderheiten der einzelnen Stücke des Museums.

Und so fällt einem erst beim verlassen des Museums ein ganz besonderes Ausstellungsstück auf, das genau auf der rechten Seite des Eingangs/Ausgangs von der Hallendecke herunterhängt.
Es handelt sich bei diesem Exponat um die Attrappe eines Menschen mit Flügeln und einem Kopfhelm, der einem Vogelkopf nachempfunden ist.

Was hat es mit dieser merkwürdigen Flugattrappe, die einen sofort an Ikarus erinnert, auf sich?
Nun, das Exponat stellt João de Almeida dar, den die Geschichte später den Beinamen „o torto“ (dt.: „der Verrückte“) gab und der als der erste Flugpionier Portugals gilt.

João de Almeida Torto hat Anfang des 16. Jahrhunderts in der nordportugiesischen Stadt Viseu gelebt.
Ob er in dieser Stadt auch geboren wurde lässt sich heute nicht mehr sagen, aber sicher ist, dass er in Viseu gelebt und gewirkt hat.
João de Almeida war am dortigen Krankenhaus, dem Hospital de Santo António, Krankenpfleger und er hatte zwar nicht die Lizenz zum töten, aber sehr wohl eine Lizenz zum Aderlass, eine in der damaligen Zeit sehr verbreitete und anerkannte Art des Heilverfahrens.
Außerdem übte er den Beruf des örtlichen Barbiers aus.
Da er auch des Schreibens und Lesens mächtig war, verdiente er sich nebenbei auch ein bisschen Geld als Schreiber und verfasste hauptsächlich persönliche, nicht amtliche, Briefe und auch Liebesbriefe, für die er das doppelte Geld verlangte.
All diese vielseitigen Tätigkeiten zeugen davon, dass João de Almeida eher ein kluger und einfallsreicher Mensch war, aber keinesfalls ein „verrückter“, wie er später genannt wurde.

Aber wie kam João de Almeida zu seinem Spitznamen „o torto“, der Verrückte?
Nun, heute würde man sagen João de Almeida war ein Abenteurer, zwar einer der durchgeknallten Sorte, aber er war durch und durch ein Abenteurer.

Anfang Juni 1540 bringt João de Almeida ein selbst geschriebenes Schreiben in Umlauf, auf dem er den Bürgern der Stadt Viseu folgendes mitteilt:

„Ich tue den Einwohnern dieser Stadt kund, das noch bevor dieser Monat sich dem Ende neigt sie ein großes Wunder sehen werden, dann nämlich wenn ein Bürger dieser Stadt mit künstlichen Flügeln von der Spitze der Kathedrale bis zum Sankt Mathäusfeld fliegen wird, dies verspreche ich Euch mit meinem Wort – João de Almeida“)

(port.: „Saibam todos os senhores habitantes desta cidade, que não terminará este mês sem se ver a maior das maravilhas, a qual vem a ser um homem desta cidade voar, com asas feitiças, da torre da Sé ao Campo de São Mateus, pelo que responde por sua pessoa e bens – João de Almeida“)

Da er von der Kathedrale springen wollte, war sein Flugversuch von der Kirche genehmigt und sogar gefördert worden.
Dies war nur möglich, weil João de Almeida Torto mit der vollen Unterstützung des damaligen Bischofs von Viseu, dem Kardinal Miguel da Silva, rechnen konnte.
Kardinal Miguel da Silva war, bevor er zum Bischof von Viseu ernannt worden war, Jahre lang Botschafter Portugals beim Papst in Rom gewesen.
In Rom lernte Kardinal da Silva auch einen gewissen Leonardo da Vinci kennen und ließ sich von diesem mit Interesse dessen Ideen und Erklärungen für geplante und entworfene Flugapparate erklären.
Als der Kardinal nun in Portugal, in seiner Stadt Viseu, von einem Abenteurer hörte, der vorhatte, mit selbst gebastelten Flügeln zu fliegen, sicherte er diesem seine Unterstützung zu.
João de Almeida Torto bat also den Kardinal vom höchsten Punkt der Stadt, der Kathedrale, springen zu dürfen, und diesem, seinem Wunsch, kam der Kardinal ohne wenn und aber nach!

Und so kam es, das in den ersten Morgenstunden des 20. Juni 1540 sich eine riesige Menschenmenge vor der Kathedrale von Viseu versammelte, um dem Schauspiel, das ihnen João de Almeida Torto versprochen hatte, beizuwohnen.

Eigenhändig zog João de Almeida Torto an diesem Morgen, noch vor dem Sonnenaufgang, mit einem Seil seine selbstgebauten Flügel auf den Turm der Kathedrale hoch, auf den er alleine hochgestiegen war.
Die Flügel bestanden aus doppellagigem weißen Leinenstoff, die er mit jeweils drei Metallringen an jedem Flügel an seine Arme befestigte. Hinzu wurden die Flügel mit einem Riemen aus Rinderleder an seinem Rücken und seiner Brust angebunden. Sein Schuhwerk bestand aus dicksohligen Schuhen, die ebenfalls aus Rinderleder gefertigt waren.
Er trug zusätzlich noch einen Helm in Form eines riesigen Vogelkopfes, durch dessen geöffneten Schnabel er sehen konnte.

Er muss ziemlich exotisch und für viele damals auch angsteinflössend ausgesehen haben.
So etwas hatten die Bürger von Viseu noch nie gesehen!

Als die Uhr der Kathedrale die fünfte Stunde schlug, machte João de Almeida Torto einen Satz und sprang wie vorgehabt in Richtung des Feldes Campo de São Mateus.
Augenzeugen berichten, João de Almeida Torto wäre tatsächlich einige Meter geflogen, wäre dann aber ins trudeln geraten, da ihm der Vogelkopfhelm wohl verrutscht war, und er nichts mehr sehen konnte.
Es gelang ihm auf dem Dach der an der Kathedrale angrenzenden Kapelle São Luis unversehrt zu landen und er hätte hier seinen Flug ruhig beenden sollen.
Doch João de Almeida Torto war, wie schon erwähnt, ein Abenteurer und zwar einer der risikofreudigen.
Also beschloss er, aufgestachelt von einer grölenden Menge, seinen Flug in Richtung des nahen Campo de São Mateus fortzusetzen.

Als er vom Dach der Kapelle São Luis sprang fiel er auf die Erde wie ein Stein.
Schwer verletzt und bewusstlos wurde er in das nahe Krankenhaus Hospital de Santo António, wo er selbst als Krankenpfleger gearbeitet hatte, gebracht.
Zwei Stunden nach dem fatalen Sprung erlangte er noch einmal für kurze Zeit das Bewusstsein, fiel aber dann in ein Koma, aus dem er nie wieder erwachte.
Drei Tage nach seinem spektakulären Flugversuch, dem ersten von dem hier in Portugal berichtet wird, verstarb João de Almeida Torto in den Armen seiner Frau.

Am Tag vor seinem Sprung hatte João de Almeida Torto noch, auf Wunsch seiner Gattin, sein Testament vor einem Richter gemacht.
Da das Ehepaar keine eigenen Kinder hatte, und die wenigen Besitztümer im Todesfall von João de Almeida Torto dann automatisch an seine Brüder übergegangen wären und nicht etwa an seine Ehefrau, wollte sich diese, die einen möglichen unglücklichen Verlauf schon vorhergesehen hatte, auf alle Fälle finanziell absichern.

Vielleicht war João de Almeida Torto wirklich „verrückt“ wie ihn später alle nannten.
Aber vielleicht war er nur ein Mann, der den Menschheitstraum des Fliegens gelebt hat und für diesen Traum letztendlich mit seinem Leben bezahlen musste, getreu dem alten Sprichwort:


„Du bist nicht arm weil Du träumst, viel ärmer sind die, die noch nie geträumt haben!“ 

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