Vor einpaar Tagen
fragte mich eine deutsche Urlauberin, ob ich ihr die Adresse der Deutschen
Evangelischen Kirche in Lissabon nennen könne. Sie wollte gerne am
sonntäglichen Gottesdienst teilnehmen.
Also habe ich ihr die
Adresse aufgeschrieben:
Deutsche Evangelische Kirche Lissabon – DEKL
Avenida Columbano Bordalo Pinheiro n° 48
1070-064 Lisboa
Sie schaute sich die
Adresse an und fragte mich dann ob Columbano vielleicht die portugiesische
Version des Namens Kolumbus sei.
Ich erklärte ihr
daraufhin das, obwohl die Namen ähnlich klingen, sie wahrlich nichts, aber auch
gar nichts, miteinander zu tun haben.
Der eine – Columbano
– war ein portugiesischer Maler des Realismus, der von 1857 bis 1929 gelebt
hat, und der einer der größten und talentiertesten bildenden Künstler Portugals
des frühen 20. Jahrh. war.
Der andere – Kolumbus
(port.: Colombo) – hat angeblich Amerika entdeckt.
In der Familie
Bordalo Pinheiro waren eigentlich alle künstlerisch begabt.
Der Vater Manuel
Maria Bordalo Pinheiro, geboren im Jahre 1815, war mit Maria Augusta do Ó
Carvalho Prostes, der Mutter seiner Kinder, verheiratet.
Er war ein kleiner
Beamter, der nach den vielen Stunden im Büro zahllose Genrebilder malte, Bücher
illustrierte und auch Büsten modellierte. Eines seiner schönsten Werke, eine
Camões-Büste, steht heute noch in der ehemaligen
portugiesischen Kolonie und heutigen chinesischen Metropole Macau.
Auch die
Tochter Maria Augusta Bordalo Pinheiro, die zwischen 1841 und 1915 gelebt hat,
malte. Am liebsten verewigte sie farbenfrohe Herbstblumen auf Leinwände.
Außerdem entwickelte
sie sich zur Expertin für Spitzenklöppelei, der sie in Peniche, einem Städtchen
etwa 100 km nördlich von Lissabon, zu einem neuen Aufschwung verhalf, als sie
dort an der Gewerbeschule unterrichtete. Später wurde sie an dieser Schule
Direktorin.
Für ihren
Bruder Rafael arbeitete Maria Augusta ab und zu als Porzellanmalerin.
Rafael
Bordalo Pinheiro war der originellste unter allen Geschwistern. Er war u. a. Zeichner,
Aquarellist, Illustrator, Dekorateur, Theaterschauspieler, Journalist,
Politiker und Keramiker.
Im Jahre
1846 geboren, begann Rafael Bordalo Pinheiro im Jahre 1870, nach einem Studium
an der Lissabonner Kunstakademie, eine berufliche Laufbahn als Karikaturist. 1875
erschuf er die populäre Figur des „Zé Povinho“, des kleinen Mannes, der immer
der Dumme ist, und seiner Frau „Maria da Paciência“, der ewig geduldigen Maria.
Im
gleichen Jahr ging er nach Brasilien, wo er in Rio de Janeiro bis 1879 bei
verschiedenen Zeitungen Karikaturen zeichnete.
Nach
seiner Rückkehr nach Portugal fing er an, sich für Keramik zu interessieren.
Nach
ersten töpferischen Versuchen gründete er 1884 seine eigene Manufaktur in der
Thermalstadt Caldas da Rainha, wo er mit oft überschwänglicher Phantasie Azulejos,
Vasen, Tafelaufsätze, Geschirr und Tonfiguren entwarf.
Unbekümmert
griff er die verschiedensten Einflüsse auf – von der arabischen Kunst über den
Manuelismus, die Renaissance, das Rokoko bis zum Jugendstil – oder er nutzte
seine eigene karikaturistische Dynamik.
Das von
ihm entworfene Gebrauchsgeschirr fand damals jedoch nicht den rechten Absatz;
es sprang zu leicht und nahm Gerüche an, so das Rafaels Firma „Fabrica de Faianças“
um 1890 erstmals in finanziellen Schwierigkeiten geriet – ein Zustand, der sich
bis zu seinem Tod im Jahre 1905 nicht mehr änderte.
Heute
sind seine Kreationen dafür umso beliebter, ablesbar z. B. an dem auf einen
Entwurf Rafaels zurückgehenden Kohlblättergeschirr, das man heute praktisch in
jedem portugiesischen Porzellangeschäft käuflich erwerben kann.
Im Museu
Rafael Bordalo Pinheiro im Lissabonner Stadtteil Campo Grande, dem ehemaligen
Wohnsitz des populären Karikaturisten und Töpfers, kann man etwa 500 Keramiken
und zahlreiche Karikaturen des phantasiereichen Gestalters bewundern, die einen
Querschnitt seiner Arbeiten zeigen.
Ein weiteres
Mitglied der Künstlerfamilie war Tomás Bordalo Pinheiro.
Tomás
studierte von 1879 bis 1823 am renommierten Lissabonner Institut für Industrie
und Gewerbe (port.: Instituto Industrial e Comercial de Lisboa) und schloss
sein Studium als Technischer Zeichner ab.
Nachdem
er die ersten Berufsjahre als Technischer Zeichner bei verschiedenen
Industrieunternehmen tätig war, u. a. in der damals königlichen staatlichen
Kanonengießerei, gründete er im Jahre 1893 sein eigenes Unternehmen, die Firma „Progresso
Mecânico“, wo er ziemlich erfolgreich verschiedene Eisen- und
Messingaccessoire, w. z. B. Haken, Stifte und Spangen für Haare, Bärte und
Damenkorsetts, entwarf und produzierte.
Er
schrieb mehrere Bücher und Nachschlagewerke über die Industrie und verschiedene
Leitfäden und Lehrbücher über die damals aufkommenden Industrieberufe.
Seine
wichtigste literarische Publikation war aber eine Zeichentrickserie mit dem
Titel „O gafanhoto“, das Tomás Bordalo Pinheiro mit dem Chronisten und
Historiker Henrique de Mendonça herausbrachte.
Die
Zeitschrift „O gafanhoto“ erschien von 1903 bis 1910 und war das erste Comic
das in Portugal publiziert wurde.
Der
vierte und jüngste Bruder war schließlich der schon erwähnte Columbano Bordalo
Pinheiro.
Im Jahre
1857 geboren, gilt Columbano, der seinen Vornamen einem irischen Heiligen
verdankt und nicht Kolumbus, als bedeutendster portugiesischer Maler des späten
19. Jahrh. und als hervorragender Porträtist.
Er ging
zunächst beim Vater in die Lehre, bewarb sich dann zweimal umsonst erfolglos um
ein Stipendium an der renommierten Kunsthochschule von Paris, bis ihn
schließlich der Witwer von Königin Maria II, Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha,
1881 den Studienaufenthalt in der französischen Hauptstadt aus eigener Tasche
finanzierte.
Er vervollkommnte
in seiner Zeit in Frankreich seine Maltechnik und vor allem Manet und Edgar
Degas beeinflussten ihn künstlerisch sehr.
Von 1900
bis 1924 unterrichtete er an der Lissabonner Kunstakademie und war schließlich bis
zu seinem Tod im November des Jahres 1929 Direktor des Museu Nacional de Arte
Contemporânia (dt.: Museum für Zeitgenössische Kunst), das wichtige Werke von
ihm besitzt.
Heute ist
nach Columbano Bordalho Pinheiro eine wichtige Arterie der portugiesischen
Hauptstadt – an der wie gesagt sich u. a. die Deutsche Evangelische Kirche befindet
– benannt.
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