Freitag, 29. Oktober 2010
Mit den eigenen Augen gesehen
Als ich heute mit der Metro (dt.: U-Bahn) vom Cais do Sodré bis nach Praça de Espanha gefahren bin, saß mir der Führer der Kommunistischen Partei im portugiesischen Parlament, Jerónimo Sousa, schräg gegenüber.
Jerónimo Sousa „predigt“, jedes mal wenn ich ihn im Fernseher sehe, über die Gleichheit, über das Gute im sozialistischen Menschen, über das Teilen, über die Brüderlichkeit, und alles dem, was er und seine politischen Freunde für richtig halten.
Dagegen ist nichts einzuwenden, denn jeder hat das recht in Portugal seine politische Meinung zu äußern.
Auch wenn er Kommunist ist, und ich genau weiß, das wenn ich in seinem Land leben würde, und unter seinem politischen Regime, ich bestimmt nicht diese Freiheit hätte.
Aber, das eine scheint das zu sein, was Jerónimo Sousa immer „predigt“, das andere scheint wirklich das zu sein, was er tagtäglich „lebt“.
Heute wurde ich Zeuge eines Vorfalls, der es verdient hier erwähnt zu werden.
In der Metrostation „Avenida“ stieg ein Bettler ein (einer der vier oder fünf, die regelmäßig in der blauen U-Bahnlinie betteln) und fing an die Sitzreihen abzuklappern, und die Menschen nach einer Münze zu fragen.
Als er sich Jerónimo Sousa und mir näherte, sah ich mit meinen eigenen Augen, wie der Kommunistenführer die Augen schloss und so tat als ob er schlafen würde.
Ein Almosen bittend, ging der Bettler schließlich an uns vorbei.
Ich habe ihm aus Prinzip nichts gegeben, denn ich weigere mich jemanden eine Münze zu geben, der es sich leisten kann jeden Monat eine Monatskarte zu kaufen (oder dachten sie die Bettler in Lissabon fahren schwarz?) und der bessere Turnschuhe anhat, als ich!
Als der Bettler an uns vorbeigelaufen war, wachte Jerónimo Sousa von seinem „freiwilligen Sekundenschlaf“ auf und fuhr den Rest der Strecke, mit offenen Augen weiter.
Und da wurde mir eines klar:
da können diese Kommunisten noch so viel Gleichheit und gerechtes Teilen „predigen“ wie sie wollen.
Angesichts der Realität in der wir alle Leben, ist es anscheinend manchmal besser die Augen vor der Krise und der Misere zu schließen, als dem Elend offen zu begegnen!
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