Bei einem Gespräch in dieser Woche mit meiner Arbeitskollegin Lili, erwähnte ich eher bei läufig, dass sich das Denkmal für den portugiesischen Auswanderer vor dem Lissabonner Hauptbahnhof Santa Apolónia (port.: Estação de Caminhos de Ferro de Santa Apolónia) in einem verwahrlosten Zustand befindet.
Lili schaute mich überrascht
an, und fragte mich dann so etwas wie:
„Was? – Es gibt in
Lissabon ein Auswandererdenkmal?“
Ich muss sie wohl
ungewollt ziemlich vorwurfsvoll angeschaut haben, denn sie meinte daraufhin,
schon fast entschuldigend, sie sei ja „so ignorant…“
Natürlich ist Lili
das nicht – im Gegenteil, sie ist eine hochintelligente und sehr kompetente
Persönlichkeit, die einfach die wunderbare Gabe besitzt, unnutzes von
nützlichem Wissen zu unterscheiden.
Und diese Fähigkeit
zu haben finde ich keineswegs verwerflich, sondern eher durchaus beneidenswert
– zumal ich sie selber nicht besitze!
Also beschrieb ich
Lili, wo sich das Denkmal genau befindet, und sie versprach das nächste Mal,
wenn sie am Hauptbahnhof vorbei fahren würde, aufmerksamer danach zu schauen,
denn es wäre ihr nie aufgefallen.
Aber seien wir einmal
ehrlich, obwohl das Denkmal nicht gerade klein ist, so steht es doch, zugegebenermaßen,
eher schlicht und unscheinbar auf dem großen Bahnhofvorplatz, der voller parkender
Taxis, hektischem Autoverkehr und ruhelosen Menschen ist, die zu ihren Zügen
eilen.
Das Denkmal trägt den
offiziellen Namen „Homenagem ao emigrante Português“ (dt.: „Ehrung für den
portugiesischen Auswanderer“) und ist ein Werk der zeitgenössischen Künstlerin
Dorita de Castel-Branco, eine der angesehensten modernen Bildhauerinnen
Portugals.
Dorita Castel-Branco,
die am 13. September 1936 in Lissabon geboren wurde, studierte moderne Kunst, zuerst
an der Lissabonner Hochschule der Schönen Künste (port.: Escola Superior de
Belas Artes de Lisboa) und später an der renommierten Pariser Kunsthochschule „École
Supérieure de Beaux Arts“ und an der ebenfalls in Paris ansässigen
Kunstakademie „Académie de Feu de Paris“.
Ende der 70er Jahre
des letzten Jahrhunderts trat die Lissabonner Tageszeitung „O Tempo“ an Dorita
Castel-Branco heran, und bat die Bildhauerin ein Denkmal zu erschaffen, welches
sie sponsern wollten, und das die vielen portugiesischen Auswanderer des
letzten Jahrhunderts symbolisieren sollte.
Anfang 1981 übergab
Castel-Branco ihr Werk, das sie „Homenagem ao emigrante Português“ nannte, an die
Lissabonner Stadtverwaltung, die die Skulptur von der Tageszeitung „O Tempo“
geschenkt bekommen hatte.
Am 10. Juni 1981, dem
portugiesischen Nationalfeiertag „Dia de Camões“, weihte
der damalige Oberbürgermeister Nuno Krus Abecassisvor das Denkmal vor dem Platz
des Bahnhofs Santa Apolónia feierlich ein.
Von
diesem Platz und diesem Bahnhof aus waren über Jahrzehnte hinweg tausende
Portugiesen nach Spanien, Frankreich, Luxemburg und auch nach Deutschland aufgebrochen.
Über viele, viele Jahre hinweg war dies der Ort an dem für viele Portugiesen
die Reise in eine ungewisse Zukunft in der weiten Ferne begann.
Die Bronzeskulptur
von Dorita Castel-Branco
steht auf einem rechteckigen weißen Granitblock und stellt eine Familie von
Auswanderern dar, bestehend aus einem Vater, der einen Koffer trägt, eine
Mutter und einer Tochter, die alle gemeinsam in Richtung Bahnhof Santa Apolónia
gehen, in Richtung Emigration.
Das Denkmal ist 340
cm hoch, 138 cm breit und 217 cm lang.
Dorita Castel-Branco hat
ihr Werk sehr einfach und schnörkellos gehalten, aber trotz seiner Simplizität drückt
es auf seine künstlerische Art die Symbolik der portugiesischen Auswanderungsgeschichte
aus.
Als Dorita Castel-Branco am 23. September
1996, zehn Tage nach ihrem 60. Geburtstag, in Lissabon verstarb, hinterließ sie
ihrer Heimatstadt mit diesem Auswandererdenkmal eines ihrer bedeutendsten
Werke.
Aber Lissabon ist
nicht die einzige portugiesische Stadt, in der sich solch ein Denkmal befindet.
Auch in Vila Verde
(Braga), Tondela (Viseu), Meimão (Penamacor), Tarouca
(Viseu), Laundos (Póvoa de Varzim), Montalegre (Vila Real), Melgaço (Viana do
Castelo) oder in Ponta Delgada auf den Azoren sowie in Funchal auf Madeira stehen
solche Monumente anderer zeitgenössischer Künstler.
Und es werden wohl einstmals in der Zukunft noch weitere solche Denkmäler dazukommen, denn die Geschichte Portugals als Auswanderungsland ist gegenwärtig aktueller denn je.
Und es werden wohl einstmals in der Zukunft noch weitere solche Denkmäler dazukommen, denn die Geschichte Portugals als Auswanderungsland ist gegenwärtig aktueller denn je.
Genauso
wie früher, so sind auch heutzutage viele tausende junge Portugiesen gezwungen
ihre Heimat unfreiwillig aus wirtschaftlichen und perspektivlosen Gründen zu
verlassen.
Um zu
überleben müssen sie emigrieren, so einfach ist das.
Ob sie wollen
oder nicht – sie müssen!
Es ist
eine Schande!
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