Freitag, 7. Juni 2013
Miradouro da Senhora do Monte
Hügelstädte sind immer unordentliche Städte.
Sie sind unbequem, sie zerfallen in Quartiere und nie kann man sie an einem Zug durchwandern.
Auch Lissabon ist solch eine unordentliche Stadt, die von Hügeln gekrönt wird!
Einer dieser Hügel ist der Hügel von Graça (port.: Colina da Graça), der vom Miradouro da Senhora do Monte (dt.: Aussichtspunkt Unserer Lieben Frau auf dem Berg) gekrönt wird.
Zweifellos hat man von diesem atemberaubenden Aussichtspunkt den, meiner Meinung nach, schönsten Panoramablick über Lissabon, von der Georgsburg (port.: Castelo de São Jorge) hinüber zur Baixa und den Tejo.
Seinen Namen verdankt der Miradouro da Senhora do Monte einer alten Kapelle, die an diesem Ort steht.
Die ursprüngliche Kapelle geht auf den Bau eines kleinen Gotteshauses, der bereits im Jahre 1147, gleich nach der Eroberung von Lissabon durch die Portugiesen von den arabischen Mauren, zurückgeht.
Sie wurde damals dem katholischen Heiligen Sankt Genesius gewidmet.
Dieser Sankt Genesius, den die Portugiesen São Gens nennen, war der erste Erzbischof Lissabons, und predigte bereits zu Zeiten der Römer das Wort Gottes in der Stadt am Tejo.
Die ursprüngliche Kapelle stand einstmals, vom Mittelalter bis zum großen Erdbeben von 01. November 1755, etwa 130 Meter weiter südlicher als die heutige Kapelle gleichen Namens.
Die Capela da Senhora do Monte, so wie wir sie heute kennen, wurde im Jahre 1796 von Augustinermönchen neu erbaut.
Sie ist sehr klein, und sie ist heute nur sehr sporadisch zu Gottesdienstzeiten geöffnet.
Obwohl sie, im vergleich zu anderen Lissabonner Gotteshäusern, winzig ist, verbirgt sie in ihrem Inneren einen sehr ausgefallenen „Kirchenschatz“.
Unmittelbar gleich nach dem Eingang der Kapelle, auf der rechten Seite, fällt dem Besucher eine dunkele Holztür auf.
Hinter dieser Holztür befindet sich ein Stuhl, der aus einem einzigen Stein gehauen ist, und eine Reliquie ist.
Dieser Steinstuhl soll der Stuhl sein, auf dem einstmals Sankt Genesius als Erzbischof saß.
Er wurde nach dem Erdbeben von 1755 aus der alten, zerstörten Kapelle gerettet und dann 1796 in dem neuen Gotteshaus wieder aufgestellt.
Als Reliquie ist dieser Stuhl seit dem 12. Jahrhundert ein Gegenstand religiöser Verehrung, denn dem Glauben nach kann jede schwangere Frau, die sich auf ihn vor ihrer Niederkunft hinsetzt, mit einer ruhigen, entspannten und unkomplizierten Geburt rechnen.
Ob Legende oder nicht – Fakt ist, das noch heute einige schwangere Frauen, aus vielen entlegenen Orten Portugals, vor ihrer Niederkunft, in dieser Lissabonner Kapelle vorbeischauen, um sich auf den Stuhl von Sankt Genesius (port.: Cadeira de São Gens) zu setzen.
Das Aufsuchen dieser Kapelle und des Stuhls durch schwangere Frauen hat eine lange Tradition, durch alle Altersgruppen und sozialen Schichten der Gesellschaft hinweg.
Selbst die Gemahlin des portugiesischen Königs João V, Königin Maria Ana von Österreich, soll jedes Mal vor der Geburt eines ihrer sechs Kinder, den Stuhl des Heiligen Genesius aufgesucht haben.
Wie ich schon erwähnt habe, ist die Capela da Senhora do Monte, und somit natürlich auch der Stuhl, nur sehr selten zu besuchen, da die Kapelle die meiste Zeit verschlossen ist.
Nur ab und zu wird sie heute noch als Bet- und Andachtsraum von den Augustinermönchen des nahen Convento da Graça (dt.: Kloster von Graça) benutzt.
Aber vielleicht hat ja der eine oder andere Leser dieses Blogs einmal Glück und findet die Tür dieses Gotteshauses geöffnet.
Dann empfehle ich ihm auf alle Fälle einen Besuch der Kapelle und des Stuhls.
Er wird diesen Besuch, verbunden mit der einzigartigen Aussicht vom Miradouro, für immer in Erinnerung behalten!
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