Sonntag, 27. Januar 2013

Das Landgut Quinta de Vale do Rosal

Unweit meines Wohnortes, im kleinen Ort Charneca da Caparica, gibt es ein altes, in den letzten Jahren leider etwas heruntergekommenes Landgut, das den Namen „Quinta de Vale do Rosal“ (dt.: Landgut des Tales des Rosenstockes) trägt, und das sehr idyllisch gelegen ist.
Einige, vor allem Brasilianer, kennen das Landgut auch unter seinem zweiten Namen „Quinta dos Quarenta Mártires“ (dt.: Landgut der Vierzig Märtyrer).
Wie die Quinta zu diesem Namen kommt, werde ich etwas später hier im Text erklären.

Als ich gestern Mittag an dem Landgut vorbeifuhr, musste ich traurig feststellen, das der Orkan, der vor genau acht Tagen hier in Portugal heftig gewütet und mancherorts für viele Zerstörungen gesorgt hat, auch die Quinta de Vale do Rosal nicht verschont hat.
Eine riesige Zypresse, die majestätisch an der Toreinfahrt gestanden hatte, ragte nun, umgeknickt, über die Mauer des Landgutes, und ist nun wohl unwiderruflich verloren.
Sicherlich, man findet im Park der Quinta de Vale do Rosal viele schöne und seltene Bäume, aber diese über 300 Jahre alte prächtige Zypresse war wohl eines der schönsten ihrer Art hier in Portugal.

Die Quinta de Vale do Rosal geht auf das Jahr 1559 zurück, als Mitglieder der Gesellschaft Jesu (port.: Companhia de Jesus / lat.: Societas Jesu) hier ein Kloster mit Spital und Kolleg gründeten, den sie das Kloster Unserer Lieben Frau zur Rose (port.: Convento de Nossa Senhora da Rosa) nannten.
Hier pflegten sie Kranke und bildeten später auch ihre Novizen aus, bevor diese nach Indien, China, Japan und Lateinamerika gingen, um dort zu missionieren.

Mitte des 16. Jahrhunderts errichteten die Jesuiten auf dem Gebiet der Quinta, auf einer Anhöhe die im Volksmund bis heute Monte da Cruz genannt wird, ein Holzkreuz, wo sie oft zum beten zusammenkamen.
Im 19. Jahrhundert wurde dann das hölzerne Kruzifix durch ein Kreuz aus Stein ersetzt.
Dieses Kreuz ist auch heute noch ein wichtiger geistiger Treffpunkt, nicht nur für die Bevölkerung von Charneca da Caparica, sondern auch für viele andere Gläubige aus ganz Portugal und Übersee.

Im Januar 1570 ließ sich der Jesuitenpater Inácio de Azevedo mit 40 jungen Schülern des Ordens für fünf Monate auf der Quinta de Vale do Rosal nieder, und sicherlich haben auch sie dann auch vor besagten Holzkreuz gebetet.
Hier wollten sie körperliche, selige und geistige Kraft tanken, bevor sie sich alle auf dem Weg nach Brasilien machten, wo sie im Süden der damaligen portugiesischen Kolonie die Indios bekehren wollten.
Diese 40 Gottesmänner, die im Juli 1570 alle den Märtyrertod vor den kanarischen Inseln sterben sollten und somit niemals bis nach Brasilien kamen, sind in die Geschichtsbücher als die „Die Vierzig Märtyrer Brasiliens“ (port.: „Os Quarenta Mártires do Brasil“) eingegangen.
Papst Pius IX sprach sie alle, 284 Jahre später, am 11. Mai 1854, in Rom selig.

Als im September 1759 auf Anweisung des Marques de Pombal, seines Amtes Premierminister von König José I, die Jesuiten aus Portugal und seinen Kolonien vertrieben und die ganzen Güter und Besitztümer des Ordens beschlagnahmt wurden, fiel auch, genau 200 Jahre nach ihrer Gründung, die Quinta de Vale do Rosal in den Besitz des portugiesischen Staates.
Erst nach über 120 Jahren, nachdem es den Jesuiten wieder erlaubt war sich in Portugal niederzulassen, wurde die Quinta de Vale do Rosal 1880 dem Jesuitenorden wiedergegeben.
Sie sollte aber nie wieder die geistige und Bedeutung für den Orden erlangen, die sie einmal hatte.

Als am 04. Oktober 1910 in Almada die Republik in Portugal ausgerufen wurde, einen Tag bevor dies in Lissabon geschah, wurde das Landsgut von Revolutionären und Antiklerikalen überfallen, die Kapelle und das Gutshaus in Brand gesetzt und das ganze Anwesen geplündert und mutwillig zerstört.
Die Quinta de Vale do Rosal gelang wieder einmal in den Besitz des portugiesischen Staates.

Vier Jahre nach der Republikgründung stand die Quinta zum Verkauf.
Doch erst zwei Jahre später erwarb der Lissabonner Kaufmann João Carlos die Quinta de Vale do Rosal bei einer öffentlichen Versteigerung.
Am 16. Oktober 1916 unterschrieb er den Kaufvertrag und macht das Anwesen fortan zu seinem neuen Wohnsitz.
Bis zum heutigen Tag ist die Quinta de Vale do Rosal im Besitz der Familie Carlos geblieben.

Viele Portugiesen, auch viele Einwohner von Almada, wissen heute nicht mehr welchen wertvollen geschichtlichen Schatz sich im Umkreis ihrer Stadt befindet.
Aber die Quinta de Vale do Rosal ist nicht völlig vergessen, denn viele Brasilianer besuchen heute noch die Quinta regelmäßig um den 40 Märtyrern, Inácio de Azavedo und seine Begleiter, zu gedenken.

Es ist traurig, aber wahrscheinlich muss erst wohl die Katholische Kirche die 40 Märtyrer heilig sprechen, damit die kulturelle, geistige und geschichtliche Bedeutung dieses Landgutes hier, von den portugiesischen Behörden und der Stadt Almada, endlich richtig gewürdigt wird.

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