Dienstag, 15. September 2009
Schuhputzer, ein Relikt aus vergangener Zeit
„Schusters Rappen“ ist eine scherzhafte Beschreibung, von anno dazumal, für die Schuhe und das Zu-Fuß-Gehen im generellen.
Die Bezeichnung „Schusters Rappen“ ist ein Hinweis auf den sehr begrenzten Besitz von Schuhen, denn Rappen, also schwarze Pferde, waren früher ein Zeichen von Reichtum.
Wer aber Schusters Rappen bemühte, also zu Fuß ging, hatte nichts dergleichen aufzuweisen. Er war einfach arm!
Fußbekleidung hatte früher folglich auch nicht mit Mode zu tun, so wie heute.
Schuhe mussten früher robust, zweckmäßig, langlebig und – schwarz sein.
Der normale Bürger hatte selten mehr als ein Paar daheim.
Und dieses Paar wollte gepflegt sein.
Schuhputzer hatten daher Konjunktur als Spezialisten, die ramponiertes Schuhwerk wieder aufmöbelten, ihm eine lange Lebensdauer garantierten und Glanz polierten, der dem ordentlich gekleideten Städter den letzten Schliff gab.
Das galt in Deutschland, genauso wie hier in Portugal.
Heute haben nur wenige Menschen ein paar schwarze Lederschuhe zuhause, denn die sind meistens out.
Meistens hat man heute Flipflops, Turnschuhe, Riemchensandalen und Stoffschuhe im Schuhschrank stehen.
Aber Schuhputzer gibt es heute trotzdem noch hier in Portugal, obwohl sie eher eine aussterbende Berufsspezies sind.
In ganz Portugal gibt es heute nämlich schätzungsweise nur an die 100 Schuhputzer (port.: engraxadores), davon in Lissabon gut zwei Dutzend.
Der offizielle Berufstitel lautet zwar „polidor de calçado“ (deutsch: Schuhpolierer), aber jedes Kind kennt sie als die „engraxadores“.
Die Schuhputzer der Hauptstadt arbeiten vorwiegend in der Lissabonner Unterstadt Baixa, dem Rossio, der Avenida da Liberdade und ihren Querstraßen, dort wo es viele Banken und Büros gibt.
Viele Börsenleute und Banker lassen sich heute noch regelmäßig ihre Schuhe bei „ihrem“ Schuhputzer für zwei Euro auf Vordermann bringen. Wenn sie dann nicht gerade durch Pfützen laufen, hält die fachmännische Schuhpflege gut eine Woche an.
Leider sind Schuhputzer ein Relikt aus vergangener Zeit.
Trotzdem möchte ich sie nicht aus dem Lissabonner Stadtbild missen.
Die Kundschaft beschränkt sich heute hauptsächlich auf Herren über Vierzig, die überdurchschnittlich verdienen und die genau wissen, dass ungepflegte Schuhe schlimmer sind, als ein Fleck auf ihrer Krawatte.
Auch viele Touristen nehmen heutzutage die Dienste eines Schuhputzers an, obwohl meistens nur, um ein originelles Foto schießen zu können.
Manche Touristen finden aber auch, es schadet ihrem Image, wenn sie sich von einem Schuhputzer bedienen lassen. Dabei vergessen sie, dass alleine die Tatsache, dass sie den Dienst des Schuhputzers in Anspruch nehmen, diesen Berufszweig am Leben erhält.
Deshalb, wenn sie das nächste Mal nach Lissabon kommen, lassen sie sich von einem dieser älteren Herren ihre Schuhe putzen.
Sie haben danach nicht nur Schuhe, in denen sie sich spiegeln können, sondern haben teilweise auch ein Lissabonner Original vor dem Aussterben bewart!
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