Sonntag, 28. August 2011

Ein wahrer Zaubergarten






An der Nordwestecke des Stadtparks Parque Eduardo VII, der 1903 anlässlich eines Staatsbesuches des englischen Königs Edward VII angelegt wurde, liegt die „Estufa Fria“.

Zwischen der Alameda Engenheiro Edgar Cardoso und der Alameda Cardeal Cerejeira liegt diese 1,5 Hektar große grüne Oase.
Die Anlage wird in drei Bereiche unterteilt: in die Namengebende Estufa Fria (dt.: Kaltes Gewächshaus), in die so genannte Estufa Quente (dt.: Warmes Gewächshaus) und in die Estufa Doce (dt.: Süßes Gewächshaus).

Die Estufa Fria, die mit ca. 8.100 m² der größte Bereich der Anlage ist, wird deshalb Kaltes Gewächshaus genannt, weil hier, im Gegensatz zu den anderen Gewächshäusern, kein Wärmesystem benötigt wird, um die vielen exotischen Pflanzen, wie Azaleen (port.: azáleas / lat.: Rhododendron spp.) und Kamelien (port.: cameleiras / lat.: Camellia japonica), artgerecht zu halten.
Die Estufa Quente allerdings braucht das schon erwähnte Wärmesystem, denn hier muss tropische Wärme herrschen, damit Pflanzen wie der Kaffeestrauch (port.: cafeeiro / lat.: Coffea sp.) und der Mangobaum (port.: mangueira / lat.: Mangifera indica) richtig gedeihen können.
In der Estufa Doce, dem kleinsten Gewächshaus, herrscht ein sehr trockenes Klima. Hier können Kakteen und kaktusähnliche Pflanzen, wie Aloes, prächtig wachsen.

Das es diesen wunderbaren Platz heute mitten in Lissabon gibt, haben wir einzig und allein einem einzelnen Mann zu verdanken.
Als nämlich Ende des 19. Jahrhunderts die Stadtverwaltung von Lissabon in einem alten Basaltsteinbruch ein Depot errichtete, dessen Aufgabe es war, die Bäume und Pflanzen die für die Bepflanzung der neu gebauten Avenida da Liberdade bestimmt waren,zu beherbergen, nahm sich der Stadtgärtner Manuel de Braga der liebevollen Pflege der Pflanzen in diesem Depot an.
Mit den Jahren wurde die Avenida bepflanzt und alsbald blieben einige Pflanzen im Depot zurück, als die Avenida da Liberdade bereits voller exotischer Bäume und Pflanzen war.
Da Manuel de Braga es nicht übers Herz brachte die übrig gebliebenen Pflanzen zu vernichten, richtete er mit der Zeit den alten Steinbruch her und mit den Jahren wuchsen diese zu stattlichen, prächtigen Exemplaren heran.

Um etwa 1920 bekam das alte Depot, welches bis dahin unter freien Himmel stand, ein Dach aus Holzbrettern.
Erst 1930 beschloss die Stadtverwaltung aus dem Depot ein Gewächshaus zu machen. Und so wurde Raul Carapinha, seines Zeichen eigentlich malender Künstler, damit beauftragt Zug um Zug aus dem alten Steinbruch ein gärtnerisches Paradies zu machen. Zuerst malte er eine phantastische, blühende Tropenlandschaft an die Wände, dann setzte er seine Träume mit Manuel de Brage in die Wirklichkeit um.
1933 wurde die Estufa Fria dann feierlich eingeweiht.

Nach einer zweijährigen Umbauzeit wurde die Estufa Fria im April 2011 wieder eröffnet. Im Gegensatz zu früher ist sie jetzt wesentlich heller, da sie eine neue Dachkonstruktion erhalten hat. Das alte Dach drohte nämlich einzustürzen.
Dank eines ausgeklügelten Gittersystems, das die Anlage seitlich und nach oben abschließt, bekommt das ganz große Treibhaus wie früher eine gleichmäßige Temperatur.
Alles wächst und blüht hier, alles riecht sinnverwirrend, fremd und tropisch.
Naturbelassene Wege, kleine Treppchen führen an Grotten und Wasserfällen vorüber, und rote Goldfische schwimmen in weiß blühenden Lotusteichen.

Von einem Aussichtsgang fast unter der Decke, der wie ein Wehrgang in einer alten Burg aussieht, blickt man auf brasilianischen Regenwald, auf riesige Baumfarne, mit Palmen dazwischen, reifenden Bananen, und immer auf blühende Sträucher und seltsame Blumen. Die fremden Pflanzen, mit den schwierigen Namen die man kaum aussprechen kann, kommen unter anderem aus China und Japan, aus Korea und Australien, aus Südamerika, von den Antillen und aus Mexiko.
Etwa insgesamt 180 verschiedene Pflanzen und Bäume aus aller Welt haben hier ein neues Zuhause gefunden.

Angenehm kühl ist es in der Estufa Fria alle mal.
Deshalb finden hier hin und wieder auch Theateraufführungen, Ausstellungen und Antiquitätensammlungen statt.

Es ist kaum zu glauben, dass dieser Zaubergarten den wir heute vor uns haben, durch die Liebe und Hingabe eines einzelnen Mannes entstanden ist, der wohl nicht einen, sondern eher zwei grüne Daumen hatte.

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