Freitag, 12. August 2011

Historische Dörfer






Überall in Portugal gibt es alte historische Dörfer (port.: „aldeias históricas“), die eine Menge Geschichten und Traditionen zwischen ihren Mauern aus Granit und Schiefer hüten.
Die meisten von ihnen sind schon von weitem an den hohen Türmen ihrer mittelalterlichen Burgen und Kirchen zu erkennen.

Innerhalb ihrer Mauern geht es heute zumeist ruhig und friedlich zu.
Aber es war nicht immer so!
Nicht umsonst wurden diese historischen Dörfer früher auf Anhöhen und strategisch wichtigen Punkten entlang der Grenze zu Spanien errichtet.
Nur so war das umliegende Land leichter zu überwachen.

Könige und Landesherren fühlten sich in diesen wehrhaften, landschaftlich herrlich gelegenen Ortschaften, meistens sicher.
Doch zuweilen irrten sie sich.
Araber und Christen, Spanier und Portugiesen, alle versuchten sie nämlich die Dörfer und die Burgen die die anderen bewachten, in ihren Besitz zu bringen.
Und so hat jedes dieser Orte seine eigene uralte Geschichte.

Selbst in verhältnismäßig jüngerer Zeit strotzten die Festungen vehement dem Eroberungsdrang der ausländischen Feinde.
Noch im 19. Jahrhundert hielten z.B. die Burgmauern von dem Ort Almeida einem heldenhaften, siebzehn Tage währenden Widerstand gegen die französisch-napoleonischen Truppen unter General Massena.
Erst am achtzehnten Tag musste der Ort kapitulieren.

Wie Almeida, so gibt es zahllose Orte in Portugal, die ein wichtiger Bestandteil der portugiesischen Geschichte und Kultur sind.
Ich habe hier einmal die historischen Dörfer aufgezählt, die ich persönlich am schönsten und sehenswertesten finde.

• Marialva: Aufgrund seiner herrlichen Lage war Marialva im Mittelalter ein wichtiges Militärlager, dank dem schwer zugänglichen Berg auf dem es liegt. Der Ort besitzt sehr alte Wurzeln. Bereits im 6. Jahrhundert war er besiedelt vom Stamm der Aravos. Römer, Sueben und Araber besetzten ihn dann in Folge. Von der Burg von Marialva hat man einen herrlichen Panoramablick.
Angeblich geht der Name des Ortes auf König Afonso II zurück, der Marialva 1217 einer seiner Geliebten, einer gewissen Dona Maria Alva, geschenkt hat. Ob dem wirklich so ist, bleibt ein Geheimnis der Geschichte.

• Almeida: Almeida, im Distrikt Guarda gelegen, hat knapp 1.400 Einwohner. Gegründet wurde der Ort von den arabischen Mauren. Sie gaben ihm auch seinen Namen. „Al-meída“ heißt im arabischen nämlich so viel wie „ebenes Land“. Das hat auch seinen Sinn, denn Almeida liegt, nicht wie die meisten anderen historischen Dörfern auf einem Berg oder Hügel, sondern auf einer Ebene. Im Jahre 1296 erhielt der Ort von König Dinis I die Stadtrechte.

• Castelo Novo: Eingebettet in die herrliche Berglandschaft der Serra da Gardunha, überrascht Castelo Novo durch die prächtigen Herrenhäuser der vielen Adelsfamilien der Region. Seiner Burg aus dem 12. Jahrhundert gab man den Namen „novo“ (dt.: neu), da in der Umgebung bereits eine andere bestanden hatte, die jedoch aufgrund ihrer unzureichenden Verteidigungskapazität mit der Zeit aufgeben worden war. So kommt es, dass das Dorf den Namen Castelo Novo erhielt.
Am Hauptplatz des Ortes, dem Largo da Bica, steht das mittelalterliche Rathaus, dahinter der ehemalige Bergfried der Burg. Seiner kriegerischen Aufgaben entledigt, zeigt er heute der Bevölkerung des Dorfes nur noch die Zeit an.
Vom ehemaligen Gemeindeleben, das die Zeit auslöschte, ist nur doch die Gemeindekelterei erhalten, eine riesige in den Stein gehauene Kelteranlage, in der, während vieler Jahrhundert der Wein von den Dorfbewohnern mit den eigenen Füßen gepresst wurde.

• Castelo Mendo: Castelo Mendo ist ein historisches Dorf, mit mittelalterlichen Mauern, das auf dem Gipfel eines Berges errichtet worden ist. Im Jahre 1281 gewährte König Dinis I dem Ort das Recht einen Markt abzuhalten und bestimmte, dass dieser dreimal pro Jahr zu veranstalten sei. Somit war der erste Markt geboren, der regelmäßig im Königreich Portugal abgehalten wurde.
Der Name der Ortschaft geht auf den ersten Gouverneur Mendo Mendes zurück, der von König Dinis I im 13. Jahrhundert eingesetzt worden war.
Das sehr authentische Dorf, eingebettet in einer Landschaft mit tiefen Tälern, bewahrt noch heute seine schlichten Steinhäuser und engen Gassen. Die Ruhe, die hier herrscht ist so groß, dass man sich nur schlecht vorstellen kann, dass Burg und mittelalterliche Mauern einst Schauplätze vieler kriegerischer Auseinandersetzungen waren.

• Belmonte: In diesem wunderschönen Ort, überragt vom massiven Granit seiner alten Burg, wurde der Seefahrer Pedro Álvares Cabral, der im Jahre 1500 Brasilien entdeckte, geboren. Die Straßen dieses alten Ortes, dem zum ersten Mal 1199 von König Sancho I eigene Rechte verliehen wurden, führen zur Spitze des Berges, auf dem sich die alte Burg befindet, die früher im Familienbesitz der Cabrals war.
Gleich neben der Burg befindet sich eine kleine gotisch-romanische Kirche, die dem Heiligen Jakobus geweiht ist. Belmonte ist berühmt wegen seiner alten, und noch heute intakten jüdischen Gemeinde, die sich hier im 15. Jahrhundert niederließ, auf der Flucht vor den vom Königreich Kastilien organisierten Verfolgungen. Ihre Mitglieder wohnten in Häusern außerhalb der Stadtmauern im Viertel Bairro de Marrocos, in dem man noch heute die Symbole der von Mitgliedern der Gemeinde ausgeübten Berufe sehen kann, wie etwa die Schere, die auf den Schneider hinweist, und in die Läden vor der Tür eingraviert ist. Noch heute bewahrt Belmonte sein mittelalterliches Ambiente, das so einzigartig ist, zumal die Jüdischen Bewohner im Geheimen ihre Gebete, Traditionen und Gebräuche Jahrhunderte lang ausübten und bis in unsere heutige tolerantere Zeit retten konnten. Die Eröffnung der neuen Synagoge Bet Eliahu vor einigen Jahren ist der beste Beweis dieser lebendigen jüdischen Gemeinde in Belmonte.

• Sortelha: Überragt von der Burg, die auf einer mächtigen Felsengruppe errichtet wurde, bewahrt Sortelha noch heute, dank der Architektur seiner Granithäuser, das mittelalterliche Erbe.
Der Zauber dieses Dorfes liegt in seiner einzigartigen Atmosphäre, dank der vollständig aus Granit errichteten normalerweise einstöckigen Häuser, die direkt auf den Felsen errichtet wurden und die Beschaffenheit des Geländes begleiten.

• Piodão: Wie ein Amphitheater umschließen die Hänge die harmonisch in die Landschaft eingefügten Häuser dieses Dorfes, die an eine kleine Weihnachtskrippe am Fuße eines Berges erinnern.
Die Häuser und Straßen aus Schiefergestein bilden ein hübsches, einfarbiges Bild, aus dem das kräftige Blau der Fenster und Türen einiger Häuser hervorsticht. Piodão liegt sehr abgeschieden, und dies ist auch der Grund, weshalb diese uralte Siedlung sich ihr ursprüngliches Aussehen bewahrt hat. Aus den eng zusammenstehenden, zweistöckigen Häuschen ragt die hübsche, weiß gekalkte Pfarrkirche mit ihren einzigartigen, zylindrischen Strebepfeilern hervor. Sie wurde Anfang des 19. Jahrhunderts mit dem Geld und Gold der Dorfbevölkerung erbaut.

• Castelo Rodrigo: In Castelo Rodrigo, wo der Blick über Spanien und das Douro-Tal schweift, verlief die portugiesisch-spanische Geschichte nicht immer friedfertig. Der Ort, der von Afonso IX. von Leon gegründet wurde und der ihn später dem Graf Rodrigo Gonzalez de Girón zur Schenkung machte, behielt den Namen seines ersten Herren. Mit dem Vertrag von Alcanices, der von König Dinis I im Jahre 1297 unterzeichnet wurde, ging Castelo Rodrigo in die Hand der Portugiesischen Krone über.
In dem Ort, der noch heute Zwischenstation der Pilger auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela ist, soll der Überlieferung nach, der Heilige Franziskus von Assisi, auf seiner Pilgerreise zum Grabmal des Heiligen, übernachtet haben.

• Trancoso: Der Ort Trancoso, dessen Vergangenheit eng mit der Geschichte Portugals verknüpft ist, hat sich innerhalb seiner Stadtmauern das mittelalterliche Aussehen bewahrt. Beim Betreten des Ortes ist man beeindruckt von den mächtigen Stadtmauern, in die das alte Stadttor Porta d’El Rei eingelassen ist. Im Inneren dominiert das Grau des Steines, aus dem die Altstadt und die Hauptsehenswürdigkeiten von Trancoso, wie der Pranger, die Burg und die Kirche São Pedro, erbaut wurden. Das mittelalterliche Kirchtor huldigt König Dinis I, der im Jahre 1282 hier in Trancoso, Isabel von Aragon ehelichte. Er schenkte der Königin den Ort zur Hochzeit und führte einen freien Markt ein, aus dem sich der große Markt entwickelt hat, der heute noch alljährlich Mitte August stattfindet.

Die als historische Dörfer geltenden Ortschaften befinden sich alle ausnahmslos in den Regionen der Beiras und im Gebirge Serra da Estrela.
Einen Besuch dieser landschaftlich und kulturell sehr reichen Gegend, vielleicht schon in diesen Sommerferien, kann ich nur jedem wärmstens empfehlen!

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