Donnerstag, 12. Januar 2012

Vasco da Gama


Wer jemals in Sines zu Gast war, wird von der Stadt an sich enttäuscht sein.
In einer felsigen und dünenreichen Bucht der südportugiesischen Atlantikküste des Baixo Alentejo gelegen, hat Sines, architektonisch gesehen, nicht viel mehr als eine kleine Fischerkapelle, eine vor Jahren restaurierte alte Burg und eine riesige, stinkende Erdölraffinerie zu bieten.
Aber, auch wenn Sines nicht besonders sehenswert ist, so ist die Stadt in Portugal doch als der Geburtsort eines großen Portugiesen bekannt.

Der berühmte Seefahrer und Entdecker Vasco da Gama ist nämlich ein Sohn dieser Stadt.
Sein genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt, denn die Angaben in den verschiedenen Dokumenten schwanken zwischen 1460 und 1469.
Überhaupt weiß man heute recht wenig über das Leben des jungen Vasco da Gama.
Er wurde als Sohn von Estêvão da Gama und Isabel Sodré, deren Familie ursprünglich aus England stammte, geboren.
Vasco da Gama hatte mindestens vier Geschwister, darunter auch sein Bruder und Weggefährte Paulo da Gama. Einige Wissenschaftler sprechen gar von fünf oder sechs Brüdern und Schwestern.

Sein Vater Estêvão da Gama gehörte dem niederen Adel und dem Ritterorden von Santiago (port.: Ordem de Santiago) an. Er hatte das Amt eines Gouverneurs (port.: Alcaide-mor) der Städte Sines und Silves inne.
Estêvão da Gama besaß eine kleine Seifenfabrik in Estremoz, mit der er hauptsächlich den Lebensunterhalt seiner Familie bestritt.

Im Jahre 1480 trat auch Vasco da Gama in den Ritterorden von Santiago ein. Der Eintritt in diesen Orden bedeutete nicht automatisch die spätere Weihe zum Priester, sondern sie war lediglich die Voraussetzung dafür, später einmal
Einkünfte aus der Verwaltung und Bewirtschaftung der Güter des Ritterordens beziehen zu können.
Da der Eintritt in den Santiagoorden damals gewöhnlich im Alter von elf oder zwölf Jahren erfolgte, gehen heutige Historiker davon aus, das das Geburtsjahr von Vasco da Gama entweder 1468 oder 1469 war.
Aber wie schon erwähnt – sicher ist man sich nicht.

Sicher ist man sich allerdings darin, dass er im Santiagoroden ein Schüler des Mathematikers und Historikers Augusto Carlos Teixeira de Aragão war. Außerdem kam er durch den Orden zum ersten Mal mit der Seefahrt in Verbindung.
Da er den großen Astronomen Abraão ben Samuel Zacuto persönlich kannte (bitte lesen sie hierzu auch meinen Eintrag „Abraão ben Samuel Zacuto“ vom 07. Januar 2012), vermutet man, dass er von diesem auch in die Astronomie eingewiesen wurde.

Im Jahre 1492 beauftragt ihn König João II mit der Überwachung des Handels in der Hafenstadt Setúbal.
Zu seinen Aufgaben gehörte es, unter anderem, Angriffe französischer Piraten, gegenüber portugiesischen Handelsschiffen vor der Küste Westafrikas, zu unterbinden.
Einen Auftrag den Vasco da Gama, gnadenlos und mit aller Härte, zur vollsten Zufriedenheit des Königs erledigt.
Eine Tatsache die dazu führt, dass seine menschlichen Qualitäten bis heute sehr umstritten sind.
In zeitgenössischen Quellen wird Da Gama oftmals als tapfer, zäh, stolz, mutig und kompromisslos aber auch als jähzornig, hitzig und sogar brutal beschrieben.

Aber vielleicht ist gerade seine Kompromisslosigkeit der Grund, warum König Manuel I ausgerechnet ihn damit beauftragte den Seeweg nach Indien zu finden, obwohl er bis dahin nur geringe Kenntnisse in der Seefahrt hatte.
Zwar hatte er eine gute Beziehung zu Manuel I und genoss das völlige Vertrauen des Königs, aber ausschlaggebend für die Ernennung Vasco da Gamas zum Kommandanten der ersten Entdeckungsfahrt nach Indien, war wohl, das er der größte Verfechter der Suche des Seeweges nach Indien, um den afrikanischen Kontinent herum, gewesen war.

Am 08. Juli 1497 sticht Vasco da Gama vom Hafen des damaligen Lissabonner Vorortes Restelo in See.
Insgesamt vier Segelschiffe bilden die kleine Armada.
Die Nau „São Gabriel“, die eigens für diese Fahrt gebaut wurde, diente Vasco da Gama, mit Pêro de Alenquer als Steuermann, als Flagschiff.
Auf der Nau „São Rafael“, die ebenfalls eigens für diese Reise konstruiert wurde, übernahm sein Bruder Paulo da Gama, mit dem Steuermann João de Coimbra, das Kommando.
Kapitän Nicolau Coelho und Steuermann Pêro Escobar kommandieren die etwas ältere Nau „Bérrio“.
Und auf dem kleinen und alten Transportschiff „São Miguel“ hatte Kapitän Gonçalo Nunes das sagen.

Obwohl er geringe nautische Kenntnisse hatte, standen so Vasco da Gama einige der besten Steuermänner und Kapitäne der damaligen Zeit zur Verfügung.
Die gesamte Besatzung der Armada bestand aus 170 Seeleuten, sieben Priestern und 24 Sträflingen, deren Aufgabe es war, bei besonders riskanten Unternehmungen ihren Kopf hinzuhalten.
Ein Drittel dieser Männer wird die Rückkehr nach Portugal nicht mehr erleben.

Nach einer Woche auf dem Meer, passieren die Schiffe die Kanarischen Inseln und am 04. November erreichen sie die Bucht von Sankt Helena (port.: Baía de Santa Helena) an der südwestafrikanischen Küste.
Am 22. November umrundet die kleine Armada das Kap der Guten Hoffnung (port.: Cabo da Boa Esperança) und drei Tage später werfen sie vor der heutigen Moselbay die Anker.
Am Weihnachtstag des Jahres 1497 segeln sie an der südafrikanischen Küste vorbei, und taufen sie auf den Namen Natal.
Diese Küste ist heute Teil der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal.

Am 02. März 1498 ankert Vasco da Gama, nach Tagen voller schwerer Stürme und mehreren versuchten Meutereien seiner Mannschaft, in einer Bucht, die zum heutigen Moçambique gehört.

Fünf Wochen später, am 07. April 1498, erreichen sie die heutige kenianische Stadt Mombasa (port.: Mombaça), wo sie von den dortigen Bewohnern und arabischen Kauf- und Seeleuten feindlich empfangen werden.
Vasco da Gama segelt bis zur Stadt Malindi (port.: Melinde) weiter, wo sie freundlicher aufgenommen werden. In Malindi wird ihm vom Sultan der ortskundige Steuermann Ahamed ben Madjid zur Verfügung gestellt, der die Armada nach Indien bringen soll.

Dort kommt Vasco da Gama auch, am Morgen des 20. Mai 1498, nach einer zehnmonatigen Überfahrt, an dem Strand von Kappakadavu, nördlich der Stadt Calecut im heutigen indischen Bundesstaat Kerala, an.
Zum ersten Mal in der Geschichte, war es einem Menschen gelungen, den afrikanischen Kontinent zu Umfahren und so den Seeweg nach Indien zu entdecken!

Da Gama schließt mit Samutiri Manavikraman Rajá, dem Zamorin (dt.: Stadthalter) von Calecut einen Friedens- und Handelsvertrag ab, und am 29. August 1498 tritt er, mit damals wertvollen Gewürzen beladen, den Rückweg nach Portugal an.
Er lässt 18 Mann zurück, ausnahmslos Sträflinge, und gibt diesen den Auftrag, sie möchten einen portugiesischen Handelsplatz gründen.

Durch den Monsun kommt die Armada nur langsam voran. Erst am 07. Januar 1499 erreicht Vasco da Gama bei Melinde die afrikanische Küste.
Die weitere Fahrt erweist sich, auf Grund der schlechten Wetterverhältnisse, als ziemlich schwierig und langwierig.

Erst am 10. Juli 1499 erreicht das erste Schiff seiner Armada, die „Bérrio“, unter dem Kommando von Kapitän Nicolau Coelho, Lissabon.
Vasco da Gama selber, der sich wegen seines todkranken Bruders Paulo mehrere Wochen auf der Azoreninsel Terceira aufhält, kommt erst am 09. September 1499 in Lissabon an, wo er triumphal vom König empfangen wird.

König Manuel I belohnt ihn reichlich.
Er spricht ihm eine stattliche Jahresrente von 300.000 Reais zu, macht ihn im Dezember 1499 zum Gouverneur von Sines, ein Amt den zuvor sein Vater Inne hatte, und ernennt ihn zum „Almirante do Mar das Indias“ (dt.: Admiral der indischen Meere“).

Um das Jahr 1500 herum ehelicht Vasco da Gama die Adelige Catarina de Ataíde, eine Tochter des königlichen Stadthalters von Alvor, Afonso de Ataíde, und dessen Ehefrau Maria da Silva.
Mit Catarina de Ataíde hat Vasco da Gama später einmal sechs Söhne und eine Tochter.

Es sind dies:

• Pedro da Silva da Gama, der von 1548 bis 1552 Gouverneur (port.: Capitão-mor) von Malakka war
• Francisco da Gama, zukünftiger Haupterbe seines Vaters und zweiter Graf von Vidigueira
• Paulo da Gama, der zwischen 1533 und 1534 Gouverneur von Malakka war
• Isabel de Ataíde
• Álvaro da Gama
• Estêvão da Gama, der u. a. zwischen 1529-1534 Gouverneur von Elmina, zwischen 1534–1538 Gouverneur von Malakka und zwischen 1540–1542 Gouverneur des portugiesischen-indischen Staates (port.: Estado da Índia) war
• Cristovão da Gama

Am 12. Februar 1502 bricht Vasco da Gama, diesmal mit 21 Schiffen, zu seiner zweiten Fahrt nach Indien auf.
Er wird von mehreren Familienmitgliedern begleitet.
So sind seine Onkel Vicente Sodré und Brás Sodré Kapitäne auf zwei Schiffen der Flotte. Sein Cousin Estêvão da Gama und sein Schwager Lopo Mendes de Vasconcelos haben ebenfalls das Kommando auf zweien der 21 Schiffe.

Die Überfahrt nach Indien verläuft diesmal etwas zügiger. Auf dem Weg nach Calecut sichtet der Seefahrer im Juni 1502 ein paar Inseln, die er auf den Namen „Ilhas do Almirante“ (dt.: Admiralsinseln) tauft.
Diese Inseln kennen wir heute unter dem Namen Seychellen.

Als Da Gama in Calecut ankommt, muss er feststellen, dass die Männer die er bei seiner ersten Reise zurückgelassen hatte, alle auf Befehl des Zamorins ermordet worden waren.
Er rächt sich auf grausame Weise an dem Zamorin von Calecute, in dem er die Stadt bombardiert, sie völlig zerstört und dann ihre Bewohner umbringen lässt.
Seinen Jähzorn lässt Da Gama ungezügelten Lauf, er verfällt nahezu in einen Rausch von Grausamkeiten.

Er segelt nach der Vernichtung von Calecut in Richtung Süden und erreicht bald darauf die indische Stadt Cochim, dessen Stadthalter den Portugiesen sehr gewogen ist.
Im Jahre 1503 lässt er in der Stadt Cochim die erste portugiesische Festung auf indischem Boden errichten, das Fort São Miguel, und stabilisiert mit diesem so die Vormachtstellung Portugals in Indien.
Im September 1503 macht sich Vasco da Gama wieder zurück auf den Weg nach Portugal.

Als Da Gama von seiner zweiten Indienfahrt reich beladen mit Gewürzen, Seide und Gold nach Lissabon zurückkehrt, erhöht der König seine monatliche Jahresrente auf die ungeheuerliche Summe von 400.000 Reais und macht ihn obendrein zum Mitglied seines Hofstaates.

Im Jahre 1507 legt Vasco da Gama, nach jahrelangen Streitigkeiten, alle Ämter im Santiagoorden nieder und tritt aus diesem aus.
Er zieht mit seiner Familie in die Stadt Évora.
Mit Unterstützung von König Manuel I wird er in den Orden der Christusritter (port.. Ordem de Cristo) aufgenommen.
Die nächsten Jahre verbringt Vasco da Gama am Hofe des Königs und ist ihm dort als Ratgeber für die verschiedensten Angelegenheiten der indischen Überseegebiete treu ergeben.
Im Jahre 1519 verleiht ihm der König für seine geleisteten Dienste und Treue den Titel eines Grafen von Vidigueira (port.: Conde de Vidigeura).

Als König Manuel I am 12. Dezember 1521 verstirbt, besteigt sein Sohn als João III den Thron.
Da die indischen Gebiete zusehends in Korruption und Misswirtschaft versinken, beschließt der neue König erneut die reichen militärischen und diplomatischen Dienste und Erfahrungen Da Gamas in Anspruch zu nehmen.
Er ernennt Vasco da Gama zum Vizekönig von Indien (port.: Vice-Rei da India) und stattet diesen mit allerlei Vollmachten aus, bevor er ihn nach Indien schickt.

Am 05. April 1524 verlässt Da Gama zum dritten Mal Lissabon in Richtung Indien.
Begleitet wird er diesmal, unter anderem, von seinen zwei Söhnen Estêvão und Paulo.

Kaum in Calecut und Cochim angekommen beginnt er drastische Reorganisationsmaßnahmen, sowohl in der Zivil- als auch in der Militärverwaltung.
Diese harten Veränderungen sollten später einmal, weit über Da Gamas Tod hinaus, die Verwaltungsstrukturen des portugiesisch-indischen Staates (port.: Estado da India) beherrschen.

Aber Vasco da Gama ist krank, sehr krank sogar.
Kaum vier Monate nach seiner Ankunft in Indien, erkrankt Vasco da Gama, laut einem zeitgenössischen Bericht, plötzlich an einer „Infektion in der Nackengegend“, was auch immer das heißen mag. Fakt ist, das sich an seinem ganzen Nacken eitrige Geschwüre bildeten, die schlussendlich zu seinem Tod führten.
Er verstarb am 24. Dezember 1524 in der südwestindischen Stadt Cochim.

Zuerst wurde er dort, in dem von den portugiesischen Franziskanerpatern gegründeten Kloster São Francisco beigesetzt.
Doch im Jahre 1538 ließ sein Sohn Pedro da Gama seinen Leichnam ins Kloster Nossa Senhora das Relíquias ins heimatliche Vidigueira überführen.
1880 wurden seine sterblichen Überreste, auf Anweisungen König Carlos I, feierlich im Hieronymus-Kloster (port.: Mosteiro dos Jerónimos) von Belém, in Lissabon, beigelegt.

Vasco da Gama ist ohne Zweifel einer der berühmtesten Portugiesen weltweit.
Seine Entdeckungsfahrt nach Indien, seine Taten und seine Abenteuer hat Portugals Nationaldichter Luis Vaz de Camões später mit seinem Hauptwerk „Os Lusiadas“ unsterblich gemacht.

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