Freitag, 13. Januar 2012
Capela dos Ossos
In meinem Eintrag „Évora“, den ich am 11. November 2011 gepostet habe, schreibe ich über die Klosterkirche Igreja de São Francisco in der Stadt Évora, die eines der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten des Alentejo ist.
Hauptattraktion dieser Kirche aus dem 15. Jahrhundert ist die weltberühmte „Capela dos Ossos“ (dt.: Knochenkapelle), die selber aus dem 17. Jahrhundert stammt.
Gleich am Eingang der Kapelle kann man auf einer einfachen Tafel den etwas makaberen und drohenden Spruch
„Nós ossos que aqui estamos, pelos vossos esperamos“
lesen, der ins deutsche Übersetzt so viel heißt wie
„Unsere Gebeine die hier ruhen, warten auf die Euren“.
Betritt man die „Capela dos Ossos“ so wird man regelrecht von ihrem Inneren „erschlagen“.
Sie ist dreischiffig und befinden sich dort, wo sich zu Zeiten der Mönche deren Schlafsaal (port.: dormitorio) befand.
Sie ist 18,70 m lang und 11 m breit.
Die „Capela dos Ossos“, so wie wir sie heute bewundern können, ist einzig und allein das Werk von drei Franziskanermönchen des alten Klosters.
Die drei Mönche João Emanuel, Miguel Trovado und Pedro de Voga brauchten über zehn Jahre um die Kapelle zu errichten.
Alleine haben sie die ganzen Wände und die acht Säulen vom Boden bis zum beginn der Decke über und über mit menschlichen Knochen zuzementiert.
Man schätzt heute, dass sich hier die Gebeine von mehr als 5.000 Toten befinden, die aus den umliegenden Friedhöfen der Stadt kamen.
Die dreischiffige Decke ist mit allegorischen Szenen des Todes ausgemalt.
Gewidmet ist die Kapelle dem „Senhor dos Passos“, der in einem bewundernswerten und ausdrucksstarken Gemälde eines unbekannten Malers, in der Kapelle dargestellt ist.
Das Gemälde zeigt den leidenden Jesus Christus, wie er mit dem Kreuz auf dem Rücken, den Leidensweg geht.
Zu diesem Gemälde fällt mir eine kleine persönliche Geschichte ein, die sich vor gut 30 Jahren in Évora zugetragen hat.
Als meine Schwester Carla und ich noch Kinder waren, besuchten meine Eltern mit uns die Stadt Évora und bei dieser Gelegenheit auch die Klosterkirche Igreja de São Francisco und die dazugehörige „Capela dos Ossos“.
Während ich, so makaber es auch klingen mag, mir jeden einzelnen Knochen bewundernd anschaute und von dieser ganzen Kapelle einfach nur erstaunt war, da ich bis zu diesem Tag noch nie etwas mit dem Tod und echten menschlichen Knochen zu tun hatte, blieb meine kleine Schwester Carla still auf einer der hölzernen Kirchenbänke sitzen.
Sie blieb dort still sitzen, bis zu dem Augenblick an dem sie mit einem ängstlichen und fast schon verzweifelten Unterton, nach unserer Mutter Luisa rief.
Als unser Mutter, die sich ebenfalls daran gemacht hatte die Kapelle zu erkunden, nach nur wenigen Sekunden bei meiner Schwester war und diese fragte was denn geschehen sei, sagte meine kleine Schwester ohne zu zögern:
„Der Herr Jesus hat mir soeben mit dem Auge zugezwinkert...“
Meine kleine Schwester Carla meinte doch tatsächlich, der „Senhor dos Passos“ hätte ihr vom Gemälde herab, zugezwinkert!
Meine Eltern hakten damals das ganze als eine optische Täuschung ab und versuchten meiner kleinen Schwester dieses „Wunder“, so gut es ihnen möglich war, zu erklären.
Ich aber, habe mich über meine kleine Schwester und dieses Geschehnis in Évora, noch sehr lange Zeit lustig gemacht.
Trotz allem, ließ sich meine Schwester Carla damals, genauso wie heute, von ihrer Behauptung nicht abbringen – der Herr Jesus hatte ihr zugezwinkert – Punkt, Aus, Schluss!
Auch wenn ich mich wegen dieses Ereignisses in Évora, viele Jahre hinweg, über meine Schwester lustig gemacht habe, so muss ich doch zugeben das wohl jeder von uns schon das eine oder andere Mal vor solchen „Wundern“ gestanden hat, ohne für diese so recht eine Erklärung zu finden.
Man sagt für gewöhnlich, der Glaube könne Berge versetzen.
Warum soll also meine kleine Schwester damals nicht gesehen haben wie ihr der „Senhor dos Passos“ zugezwinkert hat?
Wie auch immer, die Klosterkirche Igreja de São Francisco in Évora und die dazugehörige „Capela dos Ossos“ sind immer einen Besuch wert.
Nur, sollten sie kleine Kinder haben, dann erklären sie ihnen im Voraus was sie in dieser Kapelle erwartet.
Sonst riskieren auch sie, wie damals meine Eltern, ihrem Kind über Jahre gewisse „Wunder“ erklären zu müssen!
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