Dienstag, 29. November 2011

Das brasilianische Exil der portugiesischen Königsfamilie


Heute vor 204 Jahren, am 29. November 1807, ging die portugiesische Königsfamilie, mit einem Teil ihres Hofstaates, ins brasilianische Exil. Königin Maria I, ihr Sohn der Thronfolger Infant João, die königlichen Infanten und Infantinnen, ein Teil des Hochadels, mehrere Minister und Staatsbeamte, sowie Militärs, Hofdamen, Ärzte, Handwerker, Kirchenmänner, Köche und Diener, alle machten sie sich an diesem Tag, über den Atlantik, nach Rio de Janeiro.

Zu diesem Exil war es gekommen, weil sich Frankreich unter Napoleon Bonaparte einen Monat zuvor, am 27. Oktober 1807, im Vertrag von Fontainebleau mit Spanien, das militärische Durchmarschrecht nach Portugal zugesichert hatte.
Der französische General Junot überschritt daraufhin die spanisch-portugiesische Grenze und begann das Land zu besetzen.
Schnell kamen die napoleonischen Truppen voran und die Portugiesen konnten der französischen Invasion kaum einen nennenswerten Widerstand entgegenbringen. Die Truppen Generals Junot kamen so der portugiesischen Hauptstadt von Tag zu Tag näher. Da der Regent und Sohn der Königin, Infante João, sich weigerte zu kapitulieren, und da er nicht ein Gefangener und somit eine Marionette Napoleons sein wollte, beschloss er, nach einer Abmachung mit England, mit seinem gesamten Hofstaat in die damalige Kolonie Brasilien zu ziehen und von dort aus die Regierungsgeschäfte über Portugal, so weit wie möglich, zu übernehmen.
Die Behörden in Lissabon stellen daraufhin in den ersten Novembertagen über 11.000 Pässe für jeweilige Überfahrten nach Brasilien aus.

Es muss damals genauso ein trister und nebeliger Tag gewesen sein, wie es heute einer war. Die Flotte, die die damals schon geistig umnachtete Königin Maria I und ihr Gefolge an diesem Tag nach Brasilien brachte, bestand aus den folgenden 16 königlichen Segelschiffen:

• Nau (dt.: Karacke) „Principe Real“ – unter dem Kommando von Kapitän Francisco José do Canto Castro e Mascarenhas

• Nau „Afonso de Albuquerque“ – unter dem Kommando von Kapitän Inácio da Costa Quintela

• Nau „Rainha de Portugal“ – unter dem Kommando von Kapitän Francisco Manuel Souto-Maior

• Nau „João de Castro“ – unter dem Kommando von Kapitän Manuel João Loccio

• Nau „Medusa“ – unter dem Kommando von Kapitän Henrique da Fonseca de Sousa Prego

• Nau „Principe do Brasil“ – unter dem Kommando von Kapitän Francisco de Borja Salema Garção

• Nau „Conde Dom Henrique“ – unter dem Kommando von Kapitän José Maria de Almeida

• Nau „Martins de Freitas“ unter dem Kommando von Kapitän Manuel de Menezes

• Fregatte (port.: Fragata) „Minerva“ – unter dem Kommando von Kapitän Rodrigo José Ferreira Lobo

• Fregatte „Golfinho“ – unter dem Kommando von Kapitän Luis da Cunha Moreira

• Fregatte „Urânia“ – unter dem Kommando von Kapitän João Manuel

• Brigg (port.: Brigue) „Lebre“ – unter dem Kommando von Kapitän Daniel Tompsom

• Brigg „Voador“ – unter dem Kommando von Kapitän Maximiliano de Sousa

• Brigg „Vingança“ – unter dem Kommando von Kapitän Diogo Nicolau Keating

• Schoner (port.: Escuna) „Furão“ – unter dem Kommando von Kapitän Joaquim Martins

• Schoner „Curiosa“ – unter dem Kommando von Kapitän Isidoro Francisco Guimarães

An die 10.000 Personen wurden an diesem nebeligen Novembertag auf diesen 16 königlichen Segelschiffen evakuiert. Die königliche Familie war, im Vergleich zu anderen königlichen Familien der damaligen Zeit, recht klein. Sie bestand nur aus 14 Personen, wovon die Hälfte Kinder waren. Laut Zeugenberichten von damals, brach an diesem Tag der Abreise der komplette Chos aus. Tausende Menschen versuchten am Hafen von Lissabon einen Platz auf einem der Schiffe zu ergattern, die sie nach Brasilien bringen sollten. Ein wunderschönes Gemälde im Lissabonner Kutschenmuseum (port.: Museu dos coches), das den Titel „A partida da Familia Real para o Brasil“ (dt.: „Abreise der königlichen Familie nach Brasilien“) trägt, zeigt auf eindrucksvolle Weise diesen Moment der Abreise.

Die 14 Mitglieder der königlichen Familie, die an jenem 29. November 1807 die Überfahrt nach Brasilien antraten, waren:


• Königin Maria I – geboren in Lissabon am 17.12.1734. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Principe Real“. Sie stirbt am 20.03.1816 in Rio de Janeiro, ohne jemals wieder portugiesischen Boden zu betreten

• Infante João – geboren am 13.05.1767 in Lissabon. Kronprinz und Regent seiner Mutter Maria I, späterer König João VI. Er macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Príncipe Real“

• Infantin Carlota Joaquina – geboren am 25.04.1775 in Aranjuez / Spanien. Kronprinzessin und Ehefrau von Infante João. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Afonso de Albuquerque“

• Infante Pedro – ältester Sohn von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren am 12.10.1798 in Queluz bei Sintra. Zukünftiger König Pedro IV von Portugal und Kaiser Pedro I von Brasilien. Er macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Principe Real“

• Infante Miguel – zweitältester Sohn von Infahte João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren am 26.10.1802 in Queluz bei Sintra. Er macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Príncipe Real“

• Infantin Maria Teresa – älteste Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren am 29.04.1793 in Lissabon. Verheiratet mit Infante Pedro Carlos. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Afonso de Albuquerque“

• Infantin Maria Isabel Francisca – Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren am 19.05.1797 in Queluz bei Sintra. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Afonso de Albuquerque“

• Infantin Maria Francisca de Assis – Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren in Queluz bei Sintra, am 22.04.1800. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Rainha de Portugal“

• Infantin Isabel Maria – Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren am 04.07.1801 in Queluz bei Sintra. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Rainha de Portugal“

• Infantin Maria da Assunção – Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren in Queluz bei Sintra am 25.07.1805. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Afonso de Albuquerque“

• Infantin Ana Jesus Maria Assunção – Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren in Mafra am 23.10.1806. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Afonso de Albuquerque“

• Infantin Maria Francisca Benedita – Schwester von Königin Maria I. Geboren in Lissabon am 25.07.1746. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Rainha de Portugal“

• Infantin Maria Anna de Jesus – Schwester von Königin Maria . Geboren am 07.10.1736 in Lissabon. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Rainha de Portugal“. Sie stirbt am 16.05.1813 in Rio de Janeiro

• Infante Pedro Carlos de Borbon e Bragança – Geboren am 18.06.1786. Schwager von Infante João, verheiratet mit dessen Schwester Infantin Maria Teresa. Er macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Principe Real“. Er stirbt am 26.05.1812 in Rio de Janeiro

Als General Junot an diesem Tag um kurz nach 9:00 Uhr früh in Lissabon einmarschierte, konnte er von dem Stadthügel „Alto de Santa Catarina“ nur noch in der Ferne die Flotte auf ihrem Weg nach Rio de Janeiro sehen. Er hatte zwar Lissabon, und somit ganz Portugal, vorerst für Napoleon Bonaparte eingenommen, aber die Königin und ihr Gefolge waren ihm praktisch in letzter Minute entkommen. Portugal sollte, in den kommenden Jahren, von Brasilien aus regiert werden und die Hauptstadt des Königreiches und alle politischen und kulturellen Institutionen wurden ab diesem Tag der Abreise nach Rio de Janeiro verlegt. Erst im Jahre 1821 sollte João VI, der nach dem Tode seiner Mutter Maria I, in Rio de Janeiro zum König gekrönt worden war, nach Lissabon und Portugal zurückkehren.

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