Dienstag, 20. Oktober 2009

Garage oder Kirche?


Dieser Tage hatten wir im Büro Besuch einer Kollegin aus Deutschland.
Da diese Kollegin nur fünf Tage in Lissabon war, und von diesen die meiste Zeit im Büro verbrachte, blieb ihr nichts anderes übrig, als Lissabon in der wenigen freien Zeit die ihr blieb, im „Schnelldurchlauf“ zu entdecken.

Also ging ich nach Büroschluss mit ihr los, und versuchte ihr ein wenig meiner Heimatstadt zu zeigen, und zwar nicht die üblichen Touristenhighlights die in den verschiedenen Reiseführern beschrieben sind, sondern das Lissabon der Lissabonner.

Es gelang mir ihr einige Plätze und Orte der Stadt zu zeigen, die mir persönlich ans Herz gewachsen sind und die ihr, so glaube ich, sehr gefallen haben.

An der Praça do Município, dem Rathausplatz, war Katrin, so der Name meiner Kollegin, nicht nur vom Rathaus und dem Pflastermuster begeistert, sondern auch von einer Kirche, die genau am Rathausplatz steht.

Diese Kirche, die eigentlich keine Kirche mehr ist, sondern eine Garage (oder sagt man in Deutschland Parkhaus dazu?), hat Katrin regelrecht mit offenem Mund dastehen lassen.

Aber wie wurde aus einer katholischen Kirche ein Parkhaus?

Nun, um es vorweg zu nehmen, in Lissabon ist es nichts Außergewöhnliches, das Gebäude aus Kirchenbesitz zu Öffentlichen Gebäuden werden.
Eine Kirche die zu einem Parkhaus wird, ist hier in Lissabon so „normal“ wie ein ehemaliges Kloster das zu einem Einkaufszentrum umfunktioniert wird oder eine kleine Kapelle die in ein schmuckes Wohnhaus verwandelt wird.

Die aus dem 14. Jahrhundert stammende Kirche Sankt Julian (port.: „Igreja de São Julião“) wurde nach dem großen Erdbeben von 1755 wieder aufgebaut, musste aber dann im 20. Jahrhundert von der katholischen Kirche aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden.

São Julião wurde in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts von der Römisch-Katholischen Kirche an die Portugiesische Nationalbank (port.: Banco de Portugal) verkauft, denn im Stadtteil Baixa gab es damals 34 Kirchen aber kaum Kirchengänger.
Und die Bank von Portugal, die ihren Hauptsitz am Rathausplatz hat, suchte händeringend nach Parkmöglichkeiten für ihre Angestellten.

Nach dem Erwerb des Gebäudes, lies die Bank die Bänke (Sitzbänke!) entfernen, die Treppen am Eingang durch eine Rampe ersetzen und machte eine Garage für 30 Autos aus ihr.
Eigentlich hatte die Bank die Kirche erworben, um sie abzureißen und an ihrer Stelle einen Neubau zu errichten.
Doch man war in den achtziger Jahren nicht mehr so skrupellos wie noch ein paar Jahrzehnte zuvor.

Zum Glück.
Denn so blieb Lissabon einer der schönsten Kirchengebäude und einer der kuriosesten Parkhäuser weltweit erhalten.

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