Samstag, 15. September 2012

Wenn der Staatsrat zusammentrifft




Der portugiesische Staatspräsident Anibal Cavaco Silva hat für den kommenden Freitag, den 21. September 2012, überraschend den Staatsrat (port.: Conselho de Estado) für 17 Uhr in seinen Amtssitz einberufen.

Eigentlich wird der Staatsrat, nach Artikel 145 der portugiesischen Verfassung (port.: constituição), immer nur dann vom Staatspräsidenten einberufen, wenn Portugal sich im Krieg befindet, er das Parlament (port.: Assembleia da República) oder die Regierung (port.: governo) auflösen will.
Aber der Staatspräsident kann den Staatsrat auch immer dann einberufen, wenn er den Wunsch hegt, die überparteiliche Meinung des Rates über die Lage der Nation zu erfahren.
Und solch eine überparteiliche Meinung scheint Cavaco Silva im Augenblick zu brauchen, denn ein Zusammentreffen des nationalen Staatsrates ist eine nicht alltägliche Angelegenheit.

Obwohl das Treffen am kommenden Freitag unter dem Arbeitstitel „Die europäische Antwort auf die Krise in der Eurozone und die portugiesische Situation“ (port.: „Resposta europeia à crise da Zona Euro e a situação portuguesa“) steht, wird in Wirklichkeit wohl die augenblickliche Krise in der portugiesischen Innenpolitik debattiert werden.
Nachdem Premierminister Pedro Passos Coelho diese Woche angekündigt hat die Sozialversicherungsabgaben der Arbeitnehmer von 11% auf 18% drastisch zu erhöhen und gleichzeitig die Beiträge für Unternehmer von 24% auf 18% zu senken, hat die Opposition angekündigt den kommenden Staatshaushalt im Parlament keinesfalls passieren zu lassen.

Sollte die Opposition den neuen Haushalt wirklich nicht mittragen, dann hat Regierungschef Passos Coelho ein großes Problem, denn dann kann er seinen eingeschlagenen Weg zur Sanierung der Staatsfinanzen nicht weitergehen.

Soweit mir bekannt ist, kennt man in Deutschland die Institution eines Staatsrates nicht.
In Ländern wie Belgien, Frankreich oder den Niederlanden ist er aber, so wie hier in Portugal, ein wichtiger Organ des Staates.
Der portugiesische Staatsrat besteht im Augenblick aus 20 Mitgliedern:
dem amtierenden Staatspräsidenten und 19 Staatsräten.

Außer Staatspräsident Anibal Cavaco Silva, der den Vorsitz hat, gehören ihm fünf Mitglieder an, die vom Parlament gewählt worden sind, fünf Mitglieder die vom Staatspräsidenten ernannt wurden und neun Mitglieder, die Aufgrund ihrer hohen politischen Ämter die sie gerade inne haben oder einmal ausgeübt haben.

Die vom Parlament gewählten fünf Räte des Staates sind:
- der aktuelle Oppositionsführer und Chef der Sozialistischen Partei (PS) António José Seguro
- der Schriftsteller und Abgeordnete Manuel Alegre (PS)
- der ehemalige Prämierminister Francisco Pinto Balsemão (PSD)
- der Anwalt Luís Marques Mendes (PSD)
- der Arzt Luís Filipe Menezes (PSD)

Die fünf von Cavaco Silva für das Amt eines Staatsrates ernannten Personen sind:
- der Wirtschaftswissenschaftler Vitor Bento
- der Neurochirurge João Lobo Antunes
- der Universitätsprofessor Marcelo Rebelo de Sousa
- die Juristin und ehemalige Gesundheitsministerin Leonor Beleza
- der ehemalige Finanzminister António Bagão Félix

Dem Staatsrat gehören weiterhin an:
- die Parlamentspräsidentin (port.: presidente da Assembleia da República) Maria Assunção Andrade Esteves
- der Premierminister (port.: primeiro ministro) Pedro Passos Coelho
- der Präsident des Verfassungsgerichts (port.: presidente do Tribunal Constitucional) Rui Manuel Gens de Moura Ramos
- der Justizbeauftragte (port.: provedor de Justiça) Alfredo José de Sousa
- der Präsident der Autonomen Region Madeira (port.: presidente do Governo Regional da Madeira) Alberto João Jardim
- der Präsident der Autonomen Region der Azoren (port.: presidente do Governo Regional dos Açores) Carlos César
- der ehemalige Staatspräsident António Ramalho Eanes
- der ehemalige Staatspräsident Mário Soares
- der ehemalige Staatspräsident Jorge Sampaio


Elf der Ratgeber des Präsidenten haben jetzt schon verlautbaren lassen, das sie kategorisch gegen die erneuten drastischen Sparmaßnahmen von Premierminister Passos Coelho sind.
Da der Präsident aber an den Rat seiner 19 Ratgeber nicht gebunden ist, ist abzuwarten welchen Rat er dann selber dem Premierminister geben wird, bevor diese aktuelle interne parteipolitische Krise sich zu einer Staatskrise, und somit auch zu einer Krise Europas, ausweitet.

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