Mittwoch, 29. Juni 2011

Deutsche Kriegserklärung an Portugal






Als am 09. März 1916 das Deutsche Kaiserreich der jungen Portugiesischen Republik den Krieg erklärte, war das, sowohl für die Mehrheit der Portugiesen als auch für die Mehrheit der Deutschen keine allzu große Überraschung.
Durch zu viele Handlungen auf beiden Seiten, hatte sich ein drohender Krieg zwischen diesen, ehemals eng befreundeten Nationen, angekündigt.

Als die Portugiesen am 23. Februar 1916 insgesamt 72 Schiffe des Deutschen Reiches, davon 35 Schiffe im Hafen von Lissabon, beschlagnahmen, war dies „der Tropfen der das Fass zum überlaufen brachte“.
Die Schiffe, die meisten von ihnen Handelsschiffe, hatten seit Kriegsbeginn, im Jahr 1914, in den Häfen des neutralen Portugals Zuflucht gesucht.
Da die Schiffe also in den Hoheitsgewässern eines neutralen Landes ankern, war ihre Enteignung, rechtlich gesehen, ein Akt der Seeräuberei.

Deutschland erklärt darauf hin Portugal den Krieg - und mit dieser Kriegserklärung hat das Deutsche Kaiserreich nun den elften Feind!

Die deutsche Regierung wird sich damals sicherlich nicht gesagt haben:
„Auf einen Gegner mehr oder weniger kommt es nicht an!“
Aber um ehrlich zu sein, hat der Eintritt Portugals in den Krieg gegen das Kaiserreich die deutsche Kriegführung und ihre Abwehr, in einem kaum messbaren Grad beeinträchtigt.

Zwar hatte Portugal damals beinahe 6 Millionen Einwohner, und seine Truppen waren über drei Kontinente verteilt, aber es war militärisch, wirtschaftlich und finanziell nicht so beschaffen, dass es als neuer Feind Deutschlands ernsthaft in Betracht kam.

Die frühere portugiesische Regierung unter General Pimenta de Castro versuchte konsequent die Neutralität zu wahren.
Aber durch eine Revolte, wurde Pimenta de Castro gestürzt, und ihm folgte als Premierminister Afonso Augusto da Costa, der auf drängen Englands zu direkten feindlichen Handlungen gegen Deutschland keinen Widerstand mehr entgegensetzen wollte oder konnte.

England braucht für den Krieg dringend Transportschiffe, und Portugal gab sich leichtsinnig dazu her, den englischen Bedürfnissen durch die Beschlagnahme der 72 deutschen Schiffe nachzukommen.

Unmittelbar nach Bekannt werden der Beschlagnahme der deutschen Schiffe, erhielt der kaiserliche Gesandte in Lissabon, Dr. Friedrich Rosen, den Auftrag von Kaiser Wilhelm II, gegen diese Maßnahme zu protestieren und ihre sofortige Aufhebung zu verlangen.
Die betreffende Beschwerde wurde am 27. Februar der portugiesischen Regierung übergeben.

Doch ungeachtet dieser Tatsache, verbreitete die damalige portugiesische Regierung in Lissabon in einem offiziellen Pressenotiz, die Nachricht, dass eine deutsche Protestnote überhaupt nicht existiere; in der portugiesischen Kongresssitzung leugnete der damalige Justizminister sogar offiziell das Vorhandensein einer solchen Protestnote.
Die von Friedrich Rosen verlangte Richtigstellung der Pressenotiz unterblieb.

Erst knapp eine Woche später, am 4. März 1916, erschien der in Berlin akkreditierte portugiesische Gesandte, im Auftrage seiner Regierung, im Auswärtigen Amt in Berlin, um ebenso eine Note zu übergeben, welche die deutsche Forderung kategorisch ablehnte

Daraufhin verlor Wilhelm II die Geduld und Friedrich Rosen in Lissabon erhielt die Anweisung, der portugiesischen Regierung eine Kriegserklärung zuzustellen.
Die Übergabe dieser Erklärung erfolgte am 09. März 1916 in Lissabon.
Eine Abschrift derselben Kriegserklärung wurde dem portugiesischen Gesandten Dr. Paes in Berlin übermittelt.

Friedrich Rosen verließ am nächsten Tag Portugal und begab sich zuerst nach Madrid.
Der portugiesische Gesandte in Berlin, Dr. Paes, reiste am selben Tag von der deutschen Hauptstadt ab, in Richtung Schweiz.

Folgend nun, der Originaltext der deutschen Kriegserklärung an Portugal:


Lissabon, 09. März 1916

Sehr geehrter Herr Premierminister,

ich bin beauftragt im Namen meiner Regierung ihnen folgende Note zu überreichen:

Seit Kriegsbeginn hat die portugiesische Regierung durch neutralitätswidrige Handlungen die Feinde des Deutschen Reichs unterstützt. Englischen Truppen wurde in vier Fällen der Durchmarsch durch Moçambique gestattet. Die Versorgung deutscher Schiffe mit Kohlen wurde verboten. Ein neutralitätswidrig ausgedehnter Aufenthalt englischer Kriegsschiffe in portugiesischen Häfen wurde zugelassen, England die Benutzung Madeiras als Flottenstützpunkt gewährt. Der Entente wurden Geschütze und Kriegsmaterial der verschiedensten Art, England überdies ein Torpedobootzerstörer verkauft. Deutsche Kabeln wurden unterbrochen. Das Archiv des Kaiserlichen Vizekonsulats in Mossamedes wurde beschlagnahmt.
Expeditionen wurden nach Afrika entsandt und offen als gegen Deutschland gerichtet bezeichnet. An der Grenze von Deutsch-Südwestafrika und Angola wurde der deutsche Bezirksamtmann Dr. Schulde, Jena, sowie zwei Offiziere und Mannschaften durch eine Einladung über die Grenze nach Naulila gelockt, dort am 19. Oktober 1914 für verhaftet erklärt, und, als sie sich ihrer Festnahme zu entziehen suchten, zum Teil niedergeschossen, die Überlebenden mit Gewalt gefangen genommen. Retorsionsmaßnahmen unserer Schutztruppe folgten. Von Deutschland abgeschnitten, handelte die Schutztruppe in der durch das portugiesische Vorgehen hervorgerufenen Annahme, dass Portugal sich mit uns im Kriegszustand befinde. Die portugiesische Regierung demonstrierte wegen der letzteren Vorgänge, ohne die ersteren zu erwähnen, und beantwortete unser Verlangen, uns mit unseren Kolonialbehörden einen ungehinderten chiffrierten Telegrammverkehr zwecks Ausklärung des Sachverhalts zu verschaffen, überhaupt nicht.
Während der Kriegsdauer ergingen sich unter mehr oder weniger offenkundiger Begünstigung durch die portugiesische Regierung Presse und Parlament in gröblichen Beschimpfungen des deutschen Volkes. In der Kammersitzung vom 23. November 1914 sprach der Führer der Partei der Evolutionisten in Gegenwart fremder Diplomaten sowie der portugiesischen Minister schwere Beleidigungen gegen Deutschland aus, ohne dass ein Einspruch seitens des Kammerpräsidenten oder eines Ministers erfolgt wäre. Der Kaiserliche Gesandte erhielt auf seine Vorstellungen nur die Antwort, dass der betreffende Passus im offiziellen Sitzungsbericht nicht enthalten sei.
Wir haben gegen diese Vorgänge in jedem Einzelfalle protestiert, sowie verschiedentlich die ernstesten Vorstellungen erhoben und die portugiesische Regierung für alle Folgen verantwortlich gemacht. Eine Remedur erfolgte jedoch nicht. Die Kaiserliche Regierung hatte gleichwohl in langmütiger Würdigung der schwierigen Lage Portugals es bisher vermieden, ernstere Konsequenzen aus dem Verhalten der portugiesischen Regierung zu ziehen.
Am 23. Februar erfolgte auf Grund eines Dekrets vom gleichen Tage ohne vorherige Verhandlung die Beschlagnahme der deutschen Schiffe. Diese wurden militärisch besetzt und die Mannschaften von Bord geschickt. Die Kaiserliche Regierung hat gegen diesen flagranten Rechtsbruch protestiert und die Aufhebung der Beschlagnahme der Schiffe verlangt. Die portugiesische Regierung hat das Verlangen abgelehnt und ihre Gewaltmaßregel durch Rechtsausführungen zu begründen versucht. Sie geht davon aus, dass unsere durch den Krieg in den portugiesischen Häfen festgelegten Schiffe infolge der Festlegung nicht dem Artikel 2 des deutsch-portugiesischen Handels- und Schifffahrtsvertrages, sondern ebenso wie anderes im Lande befindliches Eigentum der unbeschränkten Gebietshoheit und damit dem unbeschränkten Zugriff Portugals unterlägen. Weiterhin aber meint sie sich innerhalb der Grenzen dieses Artikels gehalten zu haben, da die Requisition der Schiffe einem dringenden wirtschaftlichen Bedürfnis entspräche, auch in dem Beschlagnahmedekret eine später festzusetzende Entschädigung vorgesehen sei. Diese Ausführungen erscheinen als leere Ausflüchte. Der Artikel 2 bezieht sich auf jede Requisition deutschen, in portugiesischem Gebiete befindlichen Eigentums, so dass es dahingestellt bleiben kann, ob die angebliche Festlegung der deutschen Schiffe in portugiesischen Häfen ihre Rechtslage verändert hat. Den genannten Artikel hat aber die portugiesische Regierung nach doppelter Richtung verletzt. Einmal hat sie sich bei der Requisition nicht in den vertraglichen Grenzen gehalten, da Artikel 2 die Befriedigung eines staatlichen Bedürfnisses voraussetzt, während die Beschlagnahme offenbar unverhältnismäßig mehr deutsche Schiffe getroffen hat, als zur Beseitigung des Schiffsraummangels für Portugal erforderlich war. Sodann aber macht der Artikel die Beschlagnahme der Schiffe von einer vorhergehenden Vereinbarung mit den Beteiligten über die zu bewilligende Entschädigung abhängig, während die portugiesische Regierung nicht einmal versucht hat, sich mit den deutschen Reedereien unmittelbar oder durch Vermittlung der deutschen Regierung zu verständigen. Das ganze Vorgehen der portugiesischen Regierung stellt sich somit als ein schwerer Rechts- und Vertragsbruch dar.
Die portugiesische Regierung hat durch dieses Vorgehen offen zu erkennen gegeben, dass sie sich als Vasallen Englands betrachtet, der den englischen Interessen und Wünschen alle anderen Rücksichten unterordnet. Sie hat endlich die Beschlagnahme der Schiffe unter Formen vollzogen, in denen eine beabsichtigte Herausforderung Deutschlands erblickt werden muss. Die deutsche Flagge wurde auf den deutschen Schiffen niedergeholt, die portugiesische Flagge mit Kriegswimpel gesetzt. Das Admiralsschiff schoss Salut.
Die Kaiserliche Regierung sieht sich gezwungen, aus dem Verhalten der portugiesischen Regierung die notwendigen Folgerungen zu ziehen. Sie betrachtet sich von jetzt ab als mit der portugiesischen Nation im Kriegszustande befindlich.

Hochachtungsvoll

Dr. Friedrich Felix Balduin Rosen
Gesandter des Deutschen Reiches
und Vertreter
seiner kaiserlichen Majestät
Kaiser Wilhelm II


Es gibt auch eine portugiesische Version dieses Textes, der der portugiesischen Regierung in Lissabon und dem portugiesischen Gesandten in Berlin damals ausgehändigt wurde, und der auf der Internetseite des portugiesischen Außenministeriums (port.. Ministerio dos Negoçios Estrangeiros) runter geladen werden kann.

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