Samstag, 4. Juli 2009

Römische Vergangenheit unterm Gullideckel



Auch wenn heute leider nur noch ein paar wenige alte Steinbrücken, Tempel und Kastelle davon zeugen: die Römer waren einmal für Jahrhunderte hier in Portugal.

Natürlich waren sie auch in Lissabon. Als die römischen Legionäre im zweiten Jahrhundert vor Christus, das damalige Lusitanien besetzten, machten sie die Stadt Olissipo zur Hauptstadt ihrer westlichsten Provinz. Wahrscheinlich um Julius Cäsar zu schmeicheln, nannte der Stadthalter Roms die Stadt alsbald Felicitas Julia (Glückliches Julia). Und das muss Lissabon damals auch gewesen sein, um Christi Geburt: eine glückliche, wohlhabende und lebenswerte Stadt. Heute weiß man nämlich, aus alten Schriften, dass viele römische Beamte alles dafür taten, um nach Felicitas Julia versetzt zu werden; viel lieber als nach Gallien, Britannien oder Germanien, wo die Barbaren lebten. Die Römer fühlten sich im damaligen Lusitanien nicht nur wohl, sondern auch geborgen!

Die Lissabonner Altstadt Baixa ist von weitläufigen Galerien aus jener Römerzeit untertunnelt („Galerias romanas“), die bis heute das Fundament vieler Häuser der Baixa bilden. Die unterirdischen Gewölbe kann man heute nicht mehr genau bestimmen. Es können Wände von Lagerhäuser gewesen sein, Wasserkanäle oder Wasserzisternen. Keiner weiß es heute mehr. Entdeckt wurden diese Galerien nach dem großen Erdbeben von 1755, als der Marquês de Pombal die zerstörte Innenstadt im heutigen schachbrettartigen Muster neu aufbauen ließ. Die pragmatischen Konstrukteure der damaligen Zeit nutzten die offensichtlich noch bestens erhaltenen und robusten römischen Galerien einfach zur Stabilisierung der Neubauten. So kann man heute behaupten, das die halbe Baixa auf den Ruinen römischer Bauten steht.

Nur selten haben Touristen die Möglichkeit, diese Gewölbekeller zu besichtigen. Nämlich nur einmal im Jahr, meistens im August oder im September, öffnet sich dann mitten auf der belebten Rua da Conceição ein Loch, das direkt in die Lissabonner Unterwelt führt. Im Lissabon von heute findet man leider, wie im ganzen Land, nur noch vereinzelt Spuren der römischen Vergangenheit. Außer den erwähnten Galerien in der Baixa findet man in Lissabon nur noch das alte römische Theater, direkt neben der Kathedrale Sé.

Die Galerien, dank dem Bau der Baixa, stehen heute das ganze Jahr unter Wasser (so wie in der Stadt Venedig die meisten Gebäude ihre Fundamente ebenfalls unter Wasser haben).

Da das Auspumpen der Gewölbegänge mit großem Aufwand verbunden ist, öffnet das verantwortliche Stadtmuseum (Museu da Cidade) die Galerien nur einmal im Jahr. Der Besuch erfolgt in kleinen, geführten Gruppen. So selten der Blick in die Galerien möglich ist, so riesig ist dementsprechend der Andrang an dem einzigen Wochenende an dem sie dem Publikum zugänglich sind, zumal die Führungen kostenlos sind.

Wer die Galerien besichtigen will, muss eine Menge Geduld mitbringen und die vielen mitleidigen Blicke der Passanten, die nicht verstehen können, wie man anstehen kann, „nur“ um ein paar alte Kellergewölbe zu sehen, über sich ergehen lassen.

Ich selber habe einmal 3 Stunden angestanden, für eine etwa 20-minütige Führung. Aber das Warten hat sich ohne Zweifel gelohnt. Wenn man an der Einstiegsluke steht, einem einfachen Gullideckel, der zwischen zwei Straßenbahngleisen mitten auf der Rua da Conceição liegt, die steile Steintreppe hinabstolpert, so kommt man sich vor, als ob man in eine andere Welt hinabsteigt.

Man bekommt ein Teil Lissabons zu sehen, dass nur ganz wenige Auserwählte sehen dürfen. Denn eines darf man nicht vergessen: sobald man aus der Tiefe wieder hinaufsteigt, so werden diese Kellergewölbe für wieder mindestens ein Jahr unter Wasser verschwunden sein.

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