Westlich der Stadtgrenze von Lissabon beginnen die Schlafstädte der Hauptstadt. Gleich hinter dem riesigen Lissabonner Stadtpark Monsanto liegen u. a. Amadora, Brandoa, Alfragide, Cacém und Queluz.
Diese
Satellitenstädte bestehen zumeist aus gigantischen Hochhaussiedlungen mit
hellen, modernen und sachlichen Bauten die tagsüber wie ausgestorben sind; nur
morgens und abends finden Auszug und Heimkehr auf völlig verstopften Straßen
statt.
Der Vorort Queluz hat
schätzungsweise 80.000 Einwohner und verdankt seinen Ruhm und Bedeutung einzig
und alleine dem reizvollen ehemaligem Sommersitz der portugiesischen Könige aus
dem Hause Bragança, dem königlichen Nationalpalast von Queluz (port.: Palácio Nacional
de Queluz), der nur 15 km von Lissabons Zentrum entfernt liegt.
Viele behaupten der
Ort Queluz verdankt seinen Namen diesem kapriziösen Rokokoschloss, der
einstmals für seine rauschenden Feste und Bälle, seine strahlenden
venezianischen Kristalllüster, den goldbemalten Stuck und den Widerschein im
Geschmeide der Damen von damals bekannt war. Deshalb glauben viele die Herkunft
des Namens würde sich von den portugiesischen Worten „que luz“ ableiten, was im
Deutschen soviel wie „welch ein Licht“ oder „welch ein Glanz“ übersetzen lässt.
Aber Queluz ist älter
als der Palast gleichen Namens, viel älter!
Schon die arabischen
Mauren siedelten hier und nannten den Ort einstmals „Qu al-Luz“, was im
Deutschen mit „Tal der Mandelbäume“ zu übersetzen ist.
Wie auch immer:
Queluz wäre ohne seine
Rokokopalastanlage, eine der größten in Europa, nichts weiter als eines der
vielen unansehnlichen Trabantenstädte Lissabons!
Der Palast von Queluz
geht auf Infante D. Pedro zurück, den zweiten Sohn von König João V und späteren Prinzgemahl Pedro III, der wie
alle Bragançakönige für seine Bau- und Sinnfreudigkeit bekannt war.
1747 beauftragte
Infante Pedro den Architekten Mateus Vicente de Oliveira mit dem Umbau des
alten Landhauses Quinta de Queluz.
Dieses Landhaus gehörte
dem pro-spanischen Adligen Manuel de Moura Corte Real, der den Titel eines
Marques de Castelo Rodrigo trug.
Nachdem der Marques
de Castelo Rodrigo Verrat an Portugal begangen hatte und Portugal im Jahre 1640
wieder von Spanien unabhängig wurde, beschlagnahmte die portugiesische Krone sein
ganzes Vermögen und Eigentum. Und so kam im Jahre 1654 das erwähnte Landhaus in
Queluz in den Besitz der Familie Bragança.
Mateus Vicente de
Oliveira entwarf in der Tradition des portugiesischen Rokokos einen dreiflügligen
Palast in U-Form, der die Schauseite dem Garten und nicht, wie damals in Europa
eigentlich üblich, der ihm gleichgültigen Außenwelt zuwendete.
Acht Jahre lang wurde
an dieser Sommerresidenz der Braganças geplant und gebaut, bis am 01. November
1755 ein gewaltiges Erdbeben das nahe Lissabon in Schutt und Asche legte, und
an einem Weiterbau des Palastes erst einmal nicht mehr zu denken war.
Für den Wiederaufbau
Lissabons spannte damals der Marques de Pombal, seines Zeichens Premierminister
des Königreiches, alle namhaften Architekten des Landes ein, unter ihnen auch Mateus
Vicente de Oliveira, den Architekten von Queluz.
Erst drei Jahre nach
dem Erdbeben, 1758, wurden die Arbeiten an dem Palast, unter der Leitung des
französischen Architekten Jean-Baptiste Robillion, dessen Rokoko-Geschmack
nicht in Pombals Aufbauprogramm für Lissabon passte, wieder aufgenommen.
Der gelernte Graveur
und Dekorateur aus Paris entwarf die monumentale Löwentreppe und die
klassizistische Westfassade, die vage Erinnerungen an Versailles wachruft.
Bis zu seinem Tod im
Jahre 1782 arbeitet Jean-Baptiste Robillion mit seinem Team französischer
Handwerker an der leichten, heiteren Rokokoausstattung der Innenräume.
Den Garten, eine
Hauptattraktion des Palastes, gestaltete er im Stil des französischen
Gartenarchitekten André Le Nôtre, wobei an Vasen und Büsten aus italienischem
Marmor, an mythologischen und allegorischen Bleistatuen aus England und natürlich
an Azulejos aus dem heimatlichen Portugal nicht gespart wurde.
Die Wasserspiele, die
Grotten und das 115 m lange, mit Azulejos prachtvoll ausgekleidete Wasserbassin
Ribeira do Jamor, machen den Park zu einer Zauberwelt und zum wohl schönsten
Rokokogarten Portugals (lesen sie hierzu auch meinen Blogeintrag „Die
Wasserfontainen im Schlosspark von Queluz“, vom 17. November 2010).
Auf der anderen Seite
des Palastes befindet sich ein großer Schlossplatz (port.: Largo do Palácio),
in dessen Mitte ein Denkmal für Königin Maria I, der Gemahlin von Pedro III,
steht.
Die Tochter des
„Erdbebenkönigs“ José I und der Königin Maria Anna Victoria von Bourbon liebte
Queluz von allen Braganças am meisten.
Maria I hatte vor
einer misslungenen Verlobung mit dem französischen König Louis XV einige Zeit
in Versailles verbracht. Dort lernte sie den französischen Geschmack lieben und
brachte ihn dann später nach Portugal mit.
Die Königin liebte
Queluz wegen seines Lichts, seiner Schönheit und seiner Weite. Doch während
Maria I die Helligkeit um sich sammelte, verdüsterte sich ihr Geist zusehends.
Bei ihrer Flucht vor
den Truppen Napoleons im Jahre 1808 nach Brasilien war sie schon schwer demenzkrank.
Sie starb im Exil in Rio de Janeiro im Jahre 1816, in völliger geistiger
Umnachtung versunken, als eine unglückliche Wahnsinnige, die ihr geliebtes Queluz
leider nie wieder sehen sollte.
Heute gilt der Palast
von Queluz zweifelsohne als eines der Symbole der portugiesischen Geschichte.
Er verkörpert den höfischen Geschmack, der sich bis in unsere heutige Zeit
hinübergerettet hat.
Seine prunkvollen
Innenräume sind bewundernswert.
Aus all den azulejos-
und freskogeschmückten Sälen, aus all dem Florentiner Marmor, dem
brasilianischen Jacarandaholz, den wertvollen Empire- und Chippendalemöbeln und
farbintensiven Wandteppichen aus Arreiolos ragt der Thronsaal (port.: Sala do
Trono) heraus.
Er prunkt in Weiß und
goldgemaltem Stuck. Prachtvolle venezianische Kristalllüster hängen von der
Decke, riesige Spiegel schmücken die Wände und zwei, unter einem Baldachin
stehende Thronsessel, beherrschen diesen wunderbaren Raum.
Aber auch andere Säle
und Zimmer sind prunkvoll ausgestattet, wie etwa das Musikzimmer (port.: Sala
da Musica), das große Esszimmer (port.: Sala de Jantar), das Zimmer der
Botschafter (port.: Sala dos Embaixadores) und das Pavillon Robillion (port.:
Pavilhão de Robillion), indem heute
Staatsgäste übernachten.
In einem Seitenflügel
des Palastes liegt die Cozinha Velha. Die Alte Küche ist riesig, ihre Balken
werden von Säulen getragen, glänzende Kupferkessel stehen über offenen
Feuerstellen. Die Speisen der Könige wurden auf einem zehn Meter langen
Marmortisch zubereitet.
Noch heute ist dieser
riesige Marmortisch in Gebrauch, denn seit Jahren ist in der „Cozinha Velha“
ein luxuriöses Restaurant untergebracht.
Zwei Zimmer möchte
ich hier im Palácio de Queluz ganz besonders hervorheben:
das eine ist das
Don-Quijote-Zimmer (port.: Quarto Dom Quixote), das mit wunderschönen Gemälden aus
dem Leben des Helden von Cervantes ausgestattet ist. In diesem kleinen Zimmer
wurde 1798 der spätere König von Portugal und Kaiser von Brasilien, Pedro IV,
geboren und in diesem selben Zimmer starb er 36 Jahre später.
Das zweite Zimmer,
das ich hier gerne erwähnen möchte ist das „Zimmer der verlorenen Schritte“
(port.: Sala dos passos perdidos). Eine der Säle von Queluz heißt wirklich so.
Er hat heute keinerlei Funktion und wahrscheinlich hatte er nie eine;
jedenfalls ist keine bekannt. Das ist aber auch kein Wunder, denn der Palast
ist so weitläufig, das 150 Jahre als königliches Zuhause nicht ausgereicht
haben, um ihn bis in den letzten Winkel zu beleben!
Es berührt seltsam sich
vorzustellen, dass hier einmal Königin Maria I mit ihrem Prinzgemahl Pedro III
lebten, die nicht nur Eheleute waren, sondern auch gleichzeitig Nichte und
Onkel.
Oder die abgrundtief
hässliche und bösartige Königin Carlota Joaquina, die mit ihrem etwas plumpen
König João IV alles andere als eine glückliche
Ehe führte.
Oder Leopoldine von
Österreich mit Pedro IV, der gleichzeitig König von Portugal und Kaiser von
Brasilien war, und der so ein Schürzenjäger war, das er seine Frau nach Strich
und Faden betrog.
So gesehen, bekommt
der Palácio de Queluz im Lichte der Geschichte einen traurigen Rahmen.
Weder starke
Herrscher noch glückliche Staatsmänner haben hier je gewohnt. Allenfalls
prunksüchtige, verderbte und schwache.
Heutzutage wohnen
keine gekrönten Häupter mehr hier, aber dann und wann wird der Palast aus
seinem Dornröschenschlaf geweckt, und ist dann der Ort, an dem der
portugiesische Staatspräsident oftmals seine offiziellen Staatsempfänge und
Staatsbanketts abhält.
Um den Palast zu
besuchen, muss man aber nicht zu solch einem Empfang oder Bankett eingeladen
sein.
Es reicht wenn man
sich an der Kasse eine Eintrittskarte für den Palast und seinen wunderschönen
Park holt und dann genug Zeit mitbringt um diesen wahrlich königlichen Ort zu
bewundern und zu genießen!
Es ist einfach
herrlich!
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