Samstag, 15. März 2014

Nazaré


Das besonders malerische Fischerstädtchen Nazaré (dt.: Nazareth) zieht wegen des bunten, manchmal noch unverfälschten Lebens und Arbeitens der Fischer, aber auch wegen seiner guten Strände immer mehr Fremde an und zählt heute zu den meistbesuchten Seebädern an der in diesem Abschnitt als Costa de Prata bezeichneten portugiesischen Atlantikküste.
Nazaré, das als phönizische Gründung gilt, hieß bis zum Jahre 1912 Pedreneira und bestand aus dem Gebiet, der heute der Stadtteil gleichen Namens von Nazaré ist.
Im Jahre 1514 verlieh König Manuel I Pedreneira die Stadtrechte.
1912 schlossen sich die Ortschaft Pedreneira, das Fischerdorf Praia da Nazaré und der auf dem Felsen liegende Wallfahrtsort Monte Sítio da Nazaré zusammen, und bildeten fortan die Stadt Nazaré.
Noch heute besteht Nazaré, das an die 11.000 Einwohner zählt und gut 100 km nördlich von Lissabon liegt, lediglich nur aus diesen drei Stadtteilen.

Nazaré besitzt so gut wie keine historischen Bauwerke.
Alleine in Pedreneira steht noch die betagte Hauptkirche Igreja Nossa Senhora das Areias, das alte Rathaus und die Kirche Igreja da Misericórdia.
Es ist allein die lebhaft bunte Betriebsamkeit seiner Bewohner und die einmalige Ausstrahlung eines traditionsbewussten Städtchens, was den Besuch Nazarés zum bleibenden Erlebnis macht.

Obwohl sich das Fischerleben, nach dem Bau des neuen Hafens in den 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts, mehr am südlichen Ortsrand abspielt, teilen sich den ansehnlichen Ortsstrand noch immer die Fischer, die hier ihre Fänge noch heute auf Holzgestellen und Drahtseilen zum Trocknen auslegen, und die Touristen.
Besonders an den Wochenenden, wenn noch viele Tagesausflügler aus Lissabon, Coimbra oder Porto anreisen, kann es dann schon einmal recht eng werden in Nazaré.
Die Fischer haben diesen Ort berühmt gemacht, aber letzten Endes wurde diese Berühmtheit auch fast zu ihrem Fallstrick.
Das große Experiment der Koexistenz zwischen Sonnenanbetern und Schwerarbeitern ist dennoch gelungen. Die Fischer leben ihr Leben, als gäbe es am sagenhaften Sandstrand keinen Tourismus.

Bei besonderen Anlässen oder bei vom Fremdenverkehrsamt organisierten folkloristischen Veranstaltungen, tragen die Fischer von Nazaré (port.: pescadores da Nazaré), die ihre Berufsbezeichnung fast wie einen Adelstitel tragen, nach wie vor ihre charakteristischen Trachten.
Die Männer tragen immer ein kariertes Hemd und eine anders karierte Hose sowie eine schwarze Zipfelmütze aus Wolle, die eine Quaste hat die bis zur Schulter hängt. In dieser Zipfelmütze, werden gleich einem Beutel, Münzen, Schnupftabak, Angelköder und anderer Kleinkram aufbewahrt.
Die Frauen zeigen sich in Kleidern, deren füllige, weit ausladende Röcke von sieben Unterröcken gestützt und reichlich mit Spitzen versehen sind.

Der ganze Stolz der Fischer der Nazaré sind ihre Fischerboote.
Früher mussten sie ihre bunten Boote, die für ihre hochgezogenen spitzen Vordersteven und den typischen „Augen Gottes“ in ganz Portugal bekannt sind, mangels geeigneter Kaianlagen mit eigener Kraft und mittels hölzerner Rollen ins Wasser schieben.
Bei ihrer Heimkehr wurden dann die Fischerboote von Ochsen an Land gezogen und dann von den an Land wartenden Frauen und Männern entladen.
Dabei praktizierten sie eine als „arte xávega“ bezeichnete Fischfangmethode.

Dafür wurde von der Küste ein Netz ausgelegt, das man später vom Strand wieder einholte. Dieses Einholen des Netzes geschah nach einem uralten Ritual, bei dem sich die Körper der Männer und Frauen im Gleichklang beugen und strecken. Man nannte diese beinahe archaische Fangmethode das „Ballett der Nazarenhos“.
Den „Ballett der Nazarenhos“ gibt es heute nur noch sehr selten zu sehen, da er sich einfach nicht mehr lohnt, und so bleibt den Touristen als Attraktion nur noch die Fischversteigerungen, die täglich nach Rückkehr der Fischer abgehalten werden.
Wer mehr über die Fischer von Nazaré und ihren traditionsreichen Beruf erfahren möchte, dem empfehle ich einen Besuch im Museu Casa do Pescador.

Einen schönen Blick auf den Strand von Nazaré hat man aus der Höhe des kleinen Vorgebirges Monte Sítio.
Man kann mit dem Auto zu diesem Felsplateau hinauffahren, man kann zu Fuß hochgehen, aber origineller ist eine Fahrt mit der Seilbahn (port.: ascensor) aus dem Jahre 1889.
Die 318 m lange Seilbahn, die Praia mit dem 110 m höher gelegenen Sítio verbindet, ist ein Werk des französischstämmigen portugiesischen Ingenieurs Raoul Mesnier du Ponsar, der u. a. für den Bau des berühmten Aufzugs Santa Justa in der Baixa von Lissabon bekannt ist.

Sítio verdankt seine Entstehung einer Legende.
Der Sage nach soll im Jahre 1182 der Edelmann und Ratsherr D. Fuas Roupinho hier, an einem sehr nebeligen Tag, auf der Jagd einen Hirsch verfolgt haben. Als dieser von der Klippe in die Tiefe sprang und das Pferd sich anschickte ihm nachzusetzen, soll D. Fuas Roupinho, im Angesicht des Todes, die Worte „Senhora, Valei-me!“ (dt.: Rette mich, Muttergottes) gen Himmel gerufen haben.
Die Gottesmutter soll das flehende Stoßgebet des Reiters erhört und das Pferd durch ihr Erscheinen geblendet und zurückgehalten haben.
Zum Dank für die wunderbare Hilfe ließ D. Fuas Roupinho unmittelbar am Klippenrand eine Kapelle errichten, die er stiftete.
Diese Kapelle trägt den Namen „Capela da Memória“ (dt.. Erinnerungskapelle) und ist der Grund, warum Nazaré einmal der wichtigste Wallfahrtsort Portugals war.
Erst im 20. Jahrh. löste der etwa 30 km entfernte Ort Fátima, mit seiner Marienerscheinung und den drei Hirtenkindern, Nazaré als wichtigste religiöse Pilgerstätte des Landes ab.

Als die kleine Capela da Memória, die mit wunderschönen Azulejos ausgestattet ist, im laufe der Zeit nicht mehr dem Ansturm der Gläubigen gewachsen war, beschloss König Fernando I, der Sítio im Jahre 1377 bei einer Wallfahrt besucht hatte, eine Kirche bauen zu lassen, die fortan den Namen Igreja da Nossa Senhora da Nazaré trug.
Nach einem Vergrößerungsumbau an der Kirche im 18. Jahrh. wurde die als wunderfähig verehrte Holzstatue der Nossa Senhora da Nazaré (dt.: Unsere Liebe Frau von Nazaré), die seit dem 14. Jahrh. in einer Nische der Kirche gestanden hatte, in einem Schrein über den Hauptaltar der Kirche aufgestellt, wo sie von den tausenden von Pilgern besser bewundert werden konnte.

Nossa Senhora da Nazaré war, als Portugal sich anschickte in die Welt hinauszusegeln, die Schutzpatronin aller Seemänner.
Wie populär diese Heilige bei den Seefahrern, Entdeckern und Fischern war, sieht man daran das viele von ihnen, bevor sie mit ihren Schiffen nach Afrika, Asien oder Amerika aufbrachen, sich vorher bei ihrer Schutzpatronin den Segen holten.
Vasco da Gama, der Entdecker des Seeweges nach Indien oder Pedro Álvares Cabral, der Entdecker Brasiliens, sind z.B. zwei von vielen, von denen dokumentiert ist, das sie vor und nach ihren Reisen nach Sítio pilgerten.

Die noch nicht einmal 30 cm große Marienstatue der Nossa Senhora da Nazaré ist sehr alt, und soll, so die religiöse Legende, aus Nazareth (port.: Nazaré) in Galiläa stammen.
Die Heiligenfigur soll eine Originalabbildung der echten Muttergottes Maria sein, wie sie den Knaben Jesus Christus stillt.
Kein geringerer als ihr Ehemann, der Heilige Josef, der von Beruf ja Zimmermann war, soll diese Figur einstmals selbst geschnitzt haben.
Ob wahr oder nicht – Fakt ist, das diese kleine, dunkele Holzstatue eines der ältesten Marienstatuen ist, die von der katholischen Kirche angebetet wird.
Alljährlich, immer am 15. August und in der zweiten Septemberwoche, finden in Nazaré Walfahrten statt, die Besucher von nah und fern anziehen.

Etwa 500 m westlich von der Pilgerstätte Santuário de Nossa Senhora da Nazaré entfernt steht das Forte de São Miguel Arcanjo (dt.: Festung Erzengel Michael), der seit 1903 als Leuchtturm von Nazaré funktioniert.
Die ehemalige Festung wurde in der Regierungszeit von König Sebastião erbaut, und diente dem Schutz des Wallfahrtsortes Sítio und dem seiner Pilger.
Vom Forte de São Miguel Arcanjo hat man einen grandiosen Blick auf Nazaré, seine Strände, die Berlengas, den Atlantik und seine Riesenwellen.
Von hier oben hat man auch den besten Blick auf die Praia do Norte.
Dieser Strand, der doch recht windig ist,  ist nicht nur bei Badeurlaubern sehr beliebt.
Nein, dieser Teil der Küste ist in erster Linie vor allem ein Paradies für Surfer, Wind- und Kitesurfern.

Ein Besuch Nazarés lohnt sich alle Mal, zumal diese Kleinstadt der ideale Ausgangspunkt ist um die traumhaften Strände, die ruhigen Ortschaften und die gastfreundlichen und entspannten Menschen der Costa de Prata kennen zu lernen.

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