Dienstag, 15. September 2009

Até amanhã


„Até amanhã“ ist portugiesisch und bedeutet wörtlich übersetzt „bis morgen“. Wenn Deutsche „morgen“ sagen, dann ist dieser Begriff für sie genau definiert: Morgen ist immer am nächsten Tag in der Zeit zwischen 08.00 Uhr und 11.59 Uhr, weil 12.00 Uhr ja schon wieder mittags ist und vor 08.00 Uhr ist demnach früh am morgen, also „morgen früh“.

Für uns Portugiesen gilt eine andere Zeitrechnung, die auch funktioniert, aber nicht so wie die deutsche. Denn für uns bedeutet „amanhã“ nicht nur morgen zwischen 08.00 Uhr und 11.59 Uhr, sondern auch: eines Tages morgens, oder irgendwann mal morgens, vielleicht nächste Woche morgen oder eventuell nächstes Jahr an irgendeinem Morgen. Das muss man als Nichtportugiese so akzeptieren und vielleicht erst am eigenen Körper und Nervenkostüm leidvoll spüren.

Oft bringen wir Portugiesen, wenn wir „amanhã“ sagen, nur zum Ausdruck, dass wir uns im Moment nicht mit einem bestimmten Thema oder Problem beschäftigen wollen. Aber Ausländer verstehen: „amanhã“, also „morgen“ - also zwischen 08.00 Uhr und 11.59 Uhr.

Und wenn dann z.B. der deutsche Geschäftsmann am anderen Morgen um 12 Uhr sauer ist, weil der Portugiese nicht gekommen ist und er 2 Stunden auf ihn gewartet hat, dann ist garantiert immer der Geschäftsmann schuld, nicht sein portugiesischer Geschäftspartner. Denn der hat ja klar und deutlich gesagt: „amanhã“.

Portugiesisch ist nicht schwerer zu erlernen, als andere Fremdsprachen. Es ist nur ungleich schwieriger, sie auch zu begreifen. Die portugiesische Sprache, so würde ich sagen, ist ein unvollendetes Lebenswerk. Und das macht die Sprache meiner Vorväter so faszinierend und lebendig. Sie besteht im Alltag nicht aus perfekter Wortwahl und reinster Grammatik, sondern aus einem momentanen Lebensgefühl. Wir Portugiesen sind nämlich nicht dumm, wie unsere spanischen Nachbarn immer von uns behaupten; wir denken nur anders!

Wir Portugiesen besitzen die Gabe unheimlich viel zu sprechen und trotzdem dabei nichts zu sagen. Wir denken weder Vor noch denken wir Nach. Wir denken im Jetzt.

Das macht uns Portugiesen, für die Menschen die uns seit acht Jahrhunderten umgeben, sympathisch und interessant, oder aber zum Dampfplauderer, auf den man sich nicht verlassen kann. Das ist immer eine Sache der Sichtweise.

Wenn ihnen also einmal ein Portugiese ein freundliches „Até amanhã" zuwirft, dann will er sie nicht unbedingt am nächsten Tag auch sehen. Im Gegenteil, er wollte sich wahrscheinlich einfach nur freundlich von ihnen verabschieden.

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