Montag, 12. März 2012
Straßenverkehrsordnung anno dazumal
Über viele Jahrhunderte hinweg hatten Menschen nur zwei Möglichkeiten um sich in der Stadt Lissabon fortzubewegen:
Wenn sie arm waren, dann gingen sie zu Fuß.
Wenn sie reich waren und ein Pferd hatten, dann gingen sie reitend durch die Stadt. Eine andere Alternative hatten sie nicht.
Die Straßen Lissabons waren eng, dreckig, stinkend und schlammig.
Sie waren in solch einem schlechten Zustand, das die, die es sich leisten konnten, vom zentralen Terreiro do Paço, dort wo sich heute die Praça do Comercio befindet, nach Belém mit einem Boot oder einem Schiff den Tejo entlang fuhren, anstatt die engen, verwinkelten und schlammigen Straßen von damals zu benutzen.
Wie schlimm es um die Straßen Lissabons einstmals stand, kann man in einer wenig schmeichelhaften Reiseerinnerung eines französischen Kaufmanns nachlesen, der 1571 schrieb:
• „Portugals Seewege sind seine besten Trophäen. Die grässlichen Straßen Lissabons allerdings stapft höchstens der Teufel entlang, und selbst der Beelzebub würde umkehren, grau von Staub und krumm von Mühsal und höllisch fluchend vor Entsetzen.“
Als im Jahre 1578 König Sebastião I auf einem Schlachtfeld in Marokko starb, ohne einen Nachfolger hinterlassen zu haben, erhob der spanische König Philipp II Anspruch auf den Thron Portugals.
Als Philipp II sich drei Jahre später, 1581, auf den Weg nach Lissabon machte, um hier die Hauptstadt seines neuen Königreiches kennen zu lernen, kam er in einer Kutsche (port.: coche) an.
Was für uns heute absolut normal erscheint, war für die meisten Lissabonner der damaligen Zeit ein absolutes Novum.
So etwas hatten die meisten bis dahin noch nie gesehen:
einen hölzernen Kasten auf vier Rädern, der von sechs Pferden gezogen wurde und der an jeder Ecke verkeilte und stehen blieb, weil er einfach nicht durch die engen Straßen der Stadt hindurchpasste.
So soll denn auch Felipe I, wie er sich fortan als König von Portugal nannte, bei seinem Einzug in Lissabon die letzten 1.500 m zum königlichen Palast Paço da Ribeira auf dem Rücken seines Pferdes zurückgelegt haben.
Aber so unpraktisch Felipes Kutsche für die Straßen Lissabons auch war, als er die Stadt im Jahre 1583 für immer verließ, machte es ihm der portugiesische Adel nach, und jeder der es sich leisten konnte, schaffte sich seine eigene Kutsche an.
Welchen Verkehrschaos es daraufhin in den Straßen Lissabons gab, kann man sich leicht vorstellen.
Da es damals so etwas wie eine Straßenverkehrsordnung noch nicht gab, versuchte man das Problem auf der hierarchischen Ebene zu lösen.
Kamen sich z.B. in einer Straße zwei Kutschen entgegen, so machte die Kutsche mit dem rangniedrigsten Fahrgast immer für den ranghöheren Platz.
Begegneten sich aber zwei gleich ranghohe Fahrgäste, und machte die eine Kutsche der anderen nicht freiwillig Platz, dann kam es oft zu Auseinandersetzungen, die von einfachen Wortgefechten bis hin zu Handgreiflichkeiten und Duellen, ja sogar Mord und Totschlag, gingen.
Um diese zuweilen sehr gewalttätigen Diskussionen ein für alle Mal zu beenden wurde im Jahre 1686, auf Anordnung von König Pedro II, die erste Straßenverkehrsordnung (port.: código da estrada) Portugals herausgegeben.
Die Strafe die sich König Pedro II für die Nichteinhaltung der neuen Verkehrsordnung ausgedachte hatte, war denkbar hart:
So wurden, auf Anweisungen des Königs hin, nicht etwa die Kutscher bestraft, sondern die adeligen Kutschenbesitzer.
Demnach wurde der Adelige der sich nicht an die neuen Verkehrsbestimmungen hielt, ohne wenn und aber, nach Brasilien deportiert!
Alleine diese Strafe zwang die Adeligen dazu mehr Rücksicht im Straßenverkehr zu haben.
Dennoch wurden zwischen 1686 und 1702, nach offiziellen Angaben, 274 adelige Verkehrsrowdies in Lissabon aus dem Verkehr gezogen und nach Brasilien zwangsdeportiert.
Mit in Kraft treten der neuen Verkehrsordnung wurden in Lissabon auch die ersten Verkehrsschilder aufgestellt und die ersten Verkehrspolizisten, die „prácticos“, traten ihren Dienst an.
Eines dieser ehemaligen ersten Verkehrsschilder kann man heute im Stadtteil Alfama, im Beco do Salvador, an der Hauswand des Gebäudes mit der Hausnummer 26 bewundern.
Auf diesem marmornen Verkehrsschild (port.: placa de trânsito), das eine Einbahnstraße anzeigt, kann man, auf alt-portugiesisch, folgende Inschrift lesen:
• „ANO DE 1686. SUA MAJESTADA ORDENA QUE OS COCHES, SEGES E LITEIRAS, QUE VIEREM DA PORTARIA DE SÃO SALVADOR, RECUEM PARA A MESMA PARTE“
Überstezung des Textes:
• „Im Jahre 1686. Seine Majestät ordnet an das alle Kutschen, Karossen und Sänften, die aus Richtung São Salvador kommen, in die selbige Richtung umkehren müssen“
Ich kann mich noch an solch ähnliche Verkehrsschilder an Gebäuden der Calçada de São Vicente, der Calçada de São Tomé und im Largo de Santa Luzia erinnern.
Doch mit den Jahren wurden diese Gebäude alle abgerissen und mit ihnen auch die Schilder zerstört.
Nur noch das marmorne Verkehrsschild im Beco do Salvador ist aus der Zeit der ersten Straßenverkehrsordnung in Portugal übrig geblieben.
Es ist das einzige das heute noch existiert!
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