Montag, 22. März 2010

Was ist der Fado?


Schon mehrmals habe ich hier in diesem Blog von dem Fado berichtet, das letzte Mal in einem post vom 02. März 2010, in dem ich den Text des Fados „Bairro Alto“ des Sängers Carlos do Carmo übersetzte.

Nun fragte mich ein Arbeitskollege dieser Tage, was denn der Fado eigentlich sei.
Nun, diese Frage zu beantworten ist nicht so einfach. Natürlich könnte ich sagen es handelt sich bei dem Fado um eine melancholische Liedform, die die „Saudade“, also die Sehnsucht verherrlicht.

Aber das wäre zu einfach und gleichzeitig sehr ungenau.
Denn der Fado entsteht nicht am Klavier oder an der Gitarre, wie andere Musik.
Nein, der Fado entsteht in der Seele – das ist die Magie dieser urigsten aller portugiesischen Musikrichtungen!

Es ist nicht möglich als Tourist nach Portugal zu kommen, und erst recht nicht hier nach Lissabon, ohne dem Fado zu begegnen.
Eigentlich ist diese Musik immer präsent: sie ertönt aus Autoradios, aus den Fadolokalen der Hauptstadt und aus jedem Plattenladen der Baixa.

Aber am häufigsten, so finde ich, ist der Fado direkt in jedem meiner Landsleute anzutreffen. In jedem von uns steckt nämlich diese Melancholie, kombiniert mit der ungestillten Sehnsucht nach Liebe, Glück, Größe und auch Leiden.
Denn Leiden ist hier in Portugal eine Kunst an sich.
Und nichts kann besser diese Leidensfähigkeit erzählen, als eben ein Fado.

Zum Fado kann man auch nicht tanzen!
Im Gegenteil, man setzt sich hin und hört ihn sich an. Schließlich tanzt man zur Musik von Bach oder Mozart ja auch nicht. Nein, man geht in die Oper und genießt ihre Musik. Und die Oper eines Portugiesen ist nun einmal ein Fadolokal oder eine Fadokneipe.

Wer den Fado erwähnt denkt zuerst an Amália Rodrigues, die Göttin des Fado, die über 60 Jahre lang diese Musik geprägt hat. Als Amália 1999 verstarb, ging die Angst um, mit ihr würde auch der Fado sterben.
Aber die Nachfolger Amalia Rodrigues haben uns gelehrt, dass der Fado wohl niemals sterben wird.
Cristina Branco, Mísia, Camané, Mariza und noch viele mehr, alle interpretieren sie den Fado auf ihre Art und Weise, aber alle singen sie den Fado!

Cristina Branco gilt z.B. als sanfte Sängerin.
Mísia setzt für ihren modern angehauchten Fado ungewöhnliche Instrumente ein, wie etwa Trompeten oder Pianos.
Mariza singt den Fado mit ganzen Orchestern, und nicht etwa traditionellerweise mit einer oder zwei Guitarren.
Und der junge Camané singt den Fado schon fast wie eine Opernarie.

Diese, manchmal sehr unterschiedlichen Interpretationen des Fados, sind möglich, weil es keine Schulen für Fado gibt. Der Fado wird nämlich auf den Straßen, in den Gassen oder in den Tavernen gelernt. Und da gibt es nicht etwa einen Gesangslehrer der einem zeigt wie er gesungen wird, sondern die Kunst den Fado zu singen besteht zu 90% aus „Naturtalent“.

Viele sind gegen den modernen Fado und keiner weiss heute so genau welchen Weg er in Zukunft nehmen wird.
Aber eines haben die neuen Fadosänger erreicht: sie haben alte Klischees aufgebrochen. Und sie begeistern damit die junge Generation Portugals, denen der Nationalgesang bislang meistens als zu antiquiert galt.
Wir, die wir Amalia Rodrigues und die anderen alten Fadogrößen nur noch von Schallplatten her kennen, wir leben in einem neuen Portugal, in einem neuen Jahrtausend, und so ist es normal, das der Fado neue Wege geht.

Nichtsdestotrotz, heute wie damals, entsteht der Fado in der Seele. Er entsteht durch Leiden und durch die Liebe. Das ist sein Zauber.
Der Fado basiert auf den Narben, die wir Portugiesen in der Seele haben. Und wenn er heute gesungen wird, dann werden diese Narben aufgerissen. Natürlich tut das weh, aber auch gut zugleich.
Und wenn es ein Fadokünstler schafft, seien es die alten oder die jungen von heute, das Publikum zum weinen zu bringen, dann weil wir alle Portugiesen sind, die etwas fühlen.

Und um schlussendlich die Frage meines Arbeitskollegen zu beantworten, was denn der Fado nun eigentlich sei, antwortete ich ihm mit folgendem Satz:

„Der Fado ist nichts weiter als ein vertontes, portugiesisches Lebensgefühl!“

1 Kommentar:

  1. nix für ungut:
    ich hab mariza mehrmals live erlebt - und habe da neben der portugiesischen und der "klassischen" sowie einer bassgitarre niemanden sonst der bühne gesehen.
    ganz bestimmt kein orchester - zumindest nicht als regelfall!
    der auftritt in lisboa im vergangenen jahr war wohl eher als experiment gedacht und zählt daher gewiss nicht zu ihren "normalen" fado-auftritten.
    dass sie jetzt auf ihrer neuen CD auch (!) neue musikalische wege geht, sollte man daher nicht verallgemeinern, finde ich.
    bjs
    chica

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