Sonntag, 6. Januar 2013
Confeitaria Nacional
Am Donnerstag traf ich mich, nach der Arbeit, mit meiner Schwester Carla, meinem Schwager Egbert und meinem guten Freund Stefan Stalling in der Lissabonner Baixa, um mit ihnen ein Kaffee trinken zu gehen.
Wir trafen uns in der Confeitaria Nacional, einer der besten, wenn nicht gar die Beste Konditorei Lissabons.
Die Confeitaria Nacional (dt.: Nationale Konditorei) ist die älteste Konditorei Lissabons und seit fünf Generationen in der Hand derselben Familie.
Seit nunmehr 184 Jahren befindet sie sich an gleicher Stelle, an der Südseite der Praça da Figueira, obwohl sie ursprünglich nur aus dem Geschäftsraum bestand, dessen Fenster heute zur Rua da Betesga ausgerichtet sind.
Bereits sechs Jahre nach ihrer Gründung, wurde das Gebäude, das wir heute als Confeitaria Nacional kennen und dessen Front an der Praça da Figueira / Ecke Rua dos Correeiros liegt, käuflich erworben.
Begründer der Confeitaria Nacional war der aus dem nordportugiesischen Städtchen Vila Pouca de Aguiar stammende Geschäftsmann Baltazar Roiz Castanheiro.
Obwohl er nicht sehr viel vom Konditorhandwerk verstand, verstand er doch sehr wohl etwas von guter Geschäfts- und Personalführung, hatte Kreativität, gute Kontakte und war Innovativ.
So verkaufte er z.B. damals als einziger in der portugiesischen Hauptstadt Kuchen, Gebäck und Süßspeisen aus seiner Heimat Trás-os-Montes, die er nach mitgebrachten, gesammelten Originalrezepten nachbacken ließ – Spezialitäten die damals kaum einer in Lissabon kannte, und die sofort bei den Meisten ankam.
Dank seines Fleißes, seiner Zuverlässigkeit und seines schon erwähnten außerordentlichen Geschäftssinnes wurde Baltazar Roiz Castanheiro mit den Jahren einer der angesehensten Bürger Lissabons und 1860 wurde er gar von der Konditoren- und Bäckerinnung der Hauptstadt, der „Irmandade de Nossa Senhora da Oliveira“, zum Innungsmeister ernannt.
1869 überließ er die Confeitaria Nacional seinem Sohn Baltazar junior.
1873, 44 Jahre nach der Gründung seines Lebenswerkes, starb Baltazar Roiz Castanheiro senior als hoch geschätzter und respektierter Geschäftsmann in Lissabon.
Als sein Sohn Baltazar Roiz Castanheiro junior im Jahre 1869 die Geschäfte übernahm, behielt er die Geschäftsphilosophie seines Vaters bei, die da lautete „mit den besten Rohstoffen stets die beste Ware zu produzieren, um diese dann zum besten Preis zu verkaufen“!
Zusätzlich zu den traditionellen Konditor- und Backwaren, die schon sein Vater im Sortiment hatte, fing er auch an feinste Obstliköre und schmackhafte Früchtekompotte nach nordportugiesischer Rezeptur zu vermarkten – und zwar so erfolgreich, das er auf verschiedenen Ausstellungen in Lissabon, Wien, Madrid, Paris und sogar im fernen Philadelphia, in den USA, mit seinen Köstlichkeiten durchweg erste Plätze gewann.
Doch den durchschlagenden Erfolg hatte er zu Weihnachten 1870, als er anfing in seiner Confeitaria Nacional einen Kuchen anzubieten, der in kürzester Zeit die Portugiesen eroberte.
Im Sommer desselben Jahres hatte Baltazar Roiz Castanheiro junior, von einer seiner vielen Reisen durch Frankreich, das Rezept eines Kuchens mitgebracht, der in Frankreich zu Zeiten Ludwig XIV unter dem Namen „Gâteau roi“ (dt.: Königskuchen) bekannt war, aber im republikanischen Frankreich außer Mode gekommen war.
Er brachte nicht nur das Rezept aus Frankreich mit, sondern auch gleich zwei alte französische Konditormeister, und zu Weihnachten 1870 brachte Baltazar junior in der Confeitaria Nacional besagten Kuchen, unter dem Namen „Bolo Rei“ (dt.: Königskuchen), an den Mann.
Seit dieser Zeit gehört der „Bolo Rei“, dessen Originalrezept heute in einem Tresor der Bank von Portugal aufbewahrt wird, hierzulande genauso zu Weihnachten, wie der „Christstollen“ zu Deutschland!
Baltazar Roiz Castanheiro junior gelang es die Confeitaria Nacional, Dank seines innovativen Zeitgeistes, zu einem beliebten Markenzeichen zu machen – so beliebt, das selbst das Königshaus alsbald von dieser Konditorei Kenntnis nahm.
Am 28. Oktober 1873 ernannte König Luis I die Confeitaria Nacional zum Hoflieferanten!
Im Jahre 1913 übernahm der Urenkel des Firmengründers, Rafael Castanheiro Viana, von seinem Großvater Baltazar junior die Konditorei.
Nach ihm übernahm sein Sohn Rui Castanheiro Viana die Geschäfte.
Gemäß dem Motto „Tradition verpflichtet“, führt heute dessen Sohn, Rui Castanheiro Viana junior, das langjährige Familienunternehmen fort.
Wie seine erfolgreichen Vorfahren, so legt auch er großen Wert auf die Einzigartigkeit seiner Konditorei, die Qualität der Produkte und das im eigenen Haus ausgebildete Personal.
Und Senhor Rui freut sich immer, wen man bei ihm auf ein Café und ein Stück Torte vorbeischaut.
Schauen sie doch mal rein!
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