Seit dem vergangenen
Samstag, den 05. April 2014, kann man in den Ausstellungsräumen der ehemaligen
königlichen Schiffstaufabrik Cordoaria Nacional (dt.: Nationales Tauwerk), im
Rahmen der alljährlich stattfindenden Lissabonner Kunst- und Antiquitätenmesse (port.:
Feira de Arte e Antiguidades de Lisboa), vier ganz besondere Ölgemälde besichtigen.
Bei diesen vier Bildern
eines unbekannten Meisters, die von den Galeristen Álvaro Roquette und Pedro de
Aguir-Branco ausgestellt werden, handelt es sich um vier 50cm x 60cm große Ölgemälde
aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die noch nie öffentlich ausgestellt wurden.
Die vier Gemälde
zeigen einzigartige Ansichten von Lissabon vor dem großen Erdbeben vom 01.
November 1755, wie das alte Königliche Allerheiligenkrankenhaus (port.: Hospital
Real de Todos-os-Santos), das ehemalige Königsschloss (port.: Palácio Real da
Ribeira), das Hieronymuskloster (port.: Mosteiro dos Jerónimos) und den Klosterpalast
von Mafra (port.: Convento-Palácio de Mafra).
Die vier Gemälde im Einzelnen:
Das erste Gemälde
stellt das ehemalige königliche Allerheiligenkrankenhaus (port.: Hospital Real
de Todos-os-Santos) am Lissabonner Rossio dar.
Das dreistöckige Gebäude
stand einstmals da, wo sich heute der Platz Praça da
Figueira befindet. Es war König João II
der zwischen 1492 und 1504 das Krankenhaus als das modernste der damaligen Zeit
erbauen lies. Mit seinen ursprünglich 250 Betten war diese Heilanstalt bis ins
18. Jahrhundert hinein die größte und bedeutendste Krankenanstalt, nicht nur
Lissabons, sondern ganz Portugals. Weil das Hospital Real für alle
Bevölkerungsschichten zugänglich war – auch für die Armen der Armen – wurde es von
der Bevölkerung auch oftmals „Hospital dos Pobres“ (dt.: Krankenhaus der Armen)
genannt.
Hinzu kam, das das
Hospital Real de Todos-os-Santos nicht nur als Krankenhaus diente, sondern auch
als Irrenanstalt (port.: Casa dos doidos) und Kinderheim (port.: Casa das crianças abandonadas).
Als ein
großes Erdbeben am 01. November 1755, dem Allerheiligentag, die Stadt Lissabon verwüstete,
fiel auch das königliche Allerheiligenkrankenhaus – welche Ironie des
Schicksals – der Naturgewalt zum Opfer.
Das Krankenhaus wurde nach dem Erdbeben nicht wieder aufgebaut!
Das zweite Bild zeigt
das ehemalige königliche Stadtschloss Paço da Ribeira
(dt.: Uferpalast), der einstmals am Fluss Tejo stand, dort wo sich heute die
Gebäude des großen Platzes Praça do Cemercio befinden. Auch wenn das königliche
Schloss heute nicht mehr existiert, so wird der Platz heute noch, wie zu Zeiten
der Monarchie, von den meisten Lissabonnern Terreiro do Paço genannt, was soviel wie Palastterrasse heißt.
Es war
König Manuel I der im Jahre 1498 beschloss von der festungsartigen, zügigen
Burg Castelo de São Jorge runter in die Lissabonner Unterstadt zu ziehen und
dort seine neue luxuriöse Unterkunft zu errichten. Bewusst wählte er als
Standort für seinen Palast das Hafengebiet aus, mit all seinen Werften,
Kontoren und Lagerhäusern, um so der ganzen Welt die damals beginnende Beziehung
Portugals zur Seefahrt und zu seinen Überseekolonien symbolisch zu demonstrieren.
Der König
und sein Hof bezogen den im manuelistischen Stil errichteten Palast, der als einer
der schönsten in Europa galt, im Jahre 1503, nach einer Rekordbauzeit von nur
fünf Jahren.
Im ersten
Stock des königlichen Schlosses war aber auch die mächtige Casa da India (dt.:
Indienhaus) untergebracht, die zentrale Behörde des damaligen Königreiches, die
alle Kolonien und Überseeprovinzen verwaltete und gleichzeitig als Archiv aller
Entdeckungsfahrten diente.
Im Erdgeschoß
befand sich die Casa da Livraria, eine riesige und bedeutende Bibliothek mit
über 70.000 verschiedenen Büchern, unzähligen und einzigartigen
handschriftlichen Dokumenten und tausenden von See- und Landkarten.
Zum
Palastkomplex gehörte ab dem 17. Jahrhundert auch der damals neu erbaute
Palácio Corte Real, genau neben den Paço da Ribeira, das als Wohnpalast des jeweiligen
Thronfolgers diente.
Am Morgen
des 01. November 1755, dem Allerheiligenfeiertag, wurde auch der imposante Paço da Ribeira, mit
all seinen einzigartigen Schätzen, ein Opfer des furchtbaren Erdbebens.
Der
Königspalast wurde nach dem Erdbeben nicht wieder aufgebaut!
Das
dritte Gemälde zeigt das im frühen 15. Jahrhundert erbaute Hieronymuskloster
(port.: Mosteiro dos Jerónimos), noch völlig schnörkellos und ohne den
manuelistischen Schmuck, so ganz anders wie wir ihn heute kennen.
Es war
König Manuel I der dieses bedeutende Gotteshaus, gleich nach der Ankunft Vasco
da Gamas von dessen ersten Indienreise, in Belém, am Ufer des Tejo, errichten
lies.
Das
Hieronymuskloster war eines der wenigen Gebäude Lissabons, das das Erdbeben vom
01. November 1755 ziemlich unbeschadet überstand.
Das
vierte und letzte Bild stellt den Nationalpalast von Mafra (port.: Palácio
Nacional de Mafra) dar, ca. 45 km nordwestlich von Lissabon.
Einstmals
von dem aus Deutschland stammenden Architekten João Frederico Ludovice (dt.:
Johann Friedrich Ludwig) im Auftrag von König João V zwischen 1717 und 1730 im
Barockstil erbaut, ist dieses Schloss die größte Palast- und Klosteranlage
Portugals und die zweitgrößte der Iberischen Halbinsel. Nur der Palastkomplex
von El Escorial, in der Nähe von Madrid, ist imposanter.
Um eine
Vorstellung der Größe vom Palastkloster von Mafra zu haben, hier einige ziemlich
imposante Zahlen und Fakten:
Der
Palast hat eine Fläche von etwa 40.000 m² die sich über 1.200 einzelne Räume
verteilen. In diesen Räumen gibt es über 4.500 Türen und Fenstern. Es sind 9
stattliche Innenhöfe vorhanden und die Klosterkirche beherbergt 6 imposante
Orgeln. Die 96 Glocken der zwei Glockenspiele wiegen zusammen unglaubliche 217
t.
Und noch
eine bemerkenswerte Zahl: die Bibliothek, der größte Schatz des
Palastkomplexes, besitzt 36.000 gebundene Bücher!
Diese
vier wunderbaren Ölgemälde sind Bildnisse eines einzigartigen Lissabons, so wie
es vor dem großen Erdbeben 1755 existiert hat, und wie wir alle, die wir heute
Leben, es nie kennen lernen durften.
Deshalb,
wenn es ihnen möglich ist, besuchen sie die Ausstellung in der Cordoaria Nacional im Stadtteil Belém, und schauen
sie sich Lissabon an, so wie es einmal war.
Sie werden es nicht
bereuen!
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