Donnerstag, 10. April 2014

Lissabon, so wie es einmal war...





Seit dem vergangenen Samstag, den 05. April 2014, kann man in den Ausstellungsräumen der ehemaligen königlichen Schiffstaufabrik Cordoaria Nacional (dt.: Nationales Tauwerk), im Rahmen der alljährlich stattfindenden Lissabonner Kunst- und Antiquitätenmesse (port.: Feira de Arte e Antiguidades de Lisboa), vier ganz besondere Ölgemälde besichtigen.

Bei diesen vier Bildern eines unbekannten Meisters, die von den Galeristen Álvaro Roquette und Pedro de Aguir-Branco ausgestellt werden, handelt es sich um vier 50cm x 60cm große Ölgemälde aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die noch nie öffentlich ausgestellt wurden.

Die vier Gemälde zeigen einzigartige Ansichten von Lissabon vor dem großen Erdbeben vom 01. November 1755, wie das alte Königliche Allerheiligenkrankenhaus (port.: Hospital Real de Todos-os-Santos), das ehemalige Königsschloss (port.: Palácio Real da Ribeira), das Hieronymuskloster (port.: Mosteiro dos Jerónimos) und den Klosterpalast von Mafra (port.: Convento-Palácio de Mafra).

Die vier Gemälde im Einzelnen:

Das erste Gemälde stellt das ehemalige königliche Allerheiligenkrankenhaus (port.: Hospital Real de Todos-os-Santos) am Lissabonner Rossio dar.
Das dreistöckige Gebäude stand einstmals da, wo sich heute der Platz Praça da Figueira befindet. Es war König João II der zwischen 1492 und 1504 das Krankenhaus als das modernste der damaligen Zeit erbauen lies. Mit seinen ursprünglich 250 Betten war diese Heilanstalt bis ins 18. Jahrhundert hinein die größte und bedeutendste Krankenanstalt, nicht nur Lissabons, sondern ganz Portugals. Weil das Hospital Real für alle Bevölkerungsschichten zugänglich war – auch für die Armen der Armen – wurde es von der Bevölkerung auch oftmals „Hospital dos Pobres“ (dt.: Krankenhaus der Armen) genannt.
Hinzu kam, das das Hospital Real de Todos-os-Santos nicht nur als Krankenhaus diente, sondern auch als Irrenanstalt (port.: Casa dos doidos) und Kinderheim (port.: Casa das crianças abandonadas).
Als ein großes Erdbeben am 01. November 1755, dem Allerheiligentag, die Stadt Lissabon verwüstete, fiel auch das königliche Allerheiligenkrankenhaus – welche Ironie des Schicksals –  der Naturgewalt zum Opfer. Das Krankenhaus wurde nach dem Erdbeben nicht wieder aufgebaut!

Das zweite Bild zeigt das ehemalige königliche Stadtschloss Paço da Ribeira (dt.: Uferpalast), der einstmals am Fluss Tejo stand, dort wo sich heute die Gebäude des großen Platzes Praça do Cemercio befinden. Auch wenn das königliche Schloss heute nicht mehr existiert, so wird der Platz heute noch, wie zu Zeiten der Monarchie, von den meisten Lissabonnern Terreiro do Paço genannt, was soviel wie Palastterrasse heißt.
Es war König Manuel I der im Jahre 1498 beschloss von der festungsartigen, zügigen Burg Castelo de São Jorge runter in die Lissabonner Unterstadt zu ziehen und dort seine neue luxuriöse Unterkunft zu errichten. Bewusst wählte er als Standort für seinen Palast das Hafengebiet aus, mit all seinen Werften, Kontoren und Lagerhäusern, um so der ganzen Welt die damals beginnende Beziehung Portugals zur Seefahrt und zu seinen Überseekolonien symbolisch zu demonstrieren.
Der König und sein Hof bezogen den im manuelistischen Stil errichteten Palast, der als einer der schönsten in Europa galt, im Jahre 1503, nach einer Rekordbauzeit von nur fünf Jahren.
Im ersten Stock des königlichen Schlosses war aber auch die mächtige Casa da India (dt.: Indienhaus) untergebracht, die zentrale Behörde des damaligen Königreiches, die alle Kolonien und Überseeprovinzen verwaltete und gleichzeitig als Archiv aller Entdeckungsfahrten diente.
Im Erdgeschoß befand sich die Casa da Livraria, eine riesige und bedeutende Bibliothek mit über 70.000 verschiedenen Büchern, unzähligen und einzigartigen handschriftlichen Dokumenten und tausenden von See- und Landkarten.
Zum Palastkomplex gehörte ab dem 17. Jahrhundert auch der damals neu erbaute Palácio Corte Real, genau neben den Paço da Ribeira, das als Wohnpalast des jeweiligen Thronfolgers diente.
Am Morgen des 01. November 1755, dem Allerheiligenfeiertag, wurde auch der imposante Paço da Ribeira, mit all seinen einzigartigen Schätzen, ein Opfer des furchtbaren Erdbebens.
Der Königspalast wurde nach dem Erdbeben nicht wieder aufgebaut!

Das dritte Gemälde zeigt das im frühen 15. Jahrhundert erbaute Hieronymuskloster (port.: Mosteiro dos Jerónimos), noch völlig schnörkellos und ohne den manuelistischen Schmuck, so ganz anders wie wir ihn heute kennen.
Es war König Manuel I der dieses bedeutende Gotteshaus, gleich nach der Ankunft Vasco da Gamas von dessen ersten Indienreise, in Belém, am Ufer des Tejo, errichten lies.
Das Hieronymuskloster war eines der wenigen Gebäude Lissabons, das das Erdbeben vom 01. November 1755 ziemlich unbeschadet überstand.

Das vierte und letzte Bild stellt den Nationalpalast von Mafra (port.: Palácio Nacional de Mafra) dar, ca. 45 km nordwestlich von Lissabon.
Einstmals von dem aus Deutschland stammenden Architekten João Frederico Ludovice (dt.: Johann Friedrich Ludwig) im Auftrag von König João V zwischen 1717 und 1730 im Barockstil erbaut, ist dieses Schloss die größte Palast- und Klosteranlage Portugals und die zweitgrößte der Iberischen Halbinsel. Nur der Palastkomplex von El Escorial, in der Nähe von Madrid, ist imposanter.
Um eine Vorstellung der Größe vom Palastkloster von Mafra zu haben, hier einige ziemlich imposante Zahlen und Fakten:
Der Palast hat eine Fläche von etwa 40.000 m² die sich über 1.200 einzelne Räume verteilen. In diesen Räumen gibt es über 4.500 Türen und Fenstern. Es sind 9 stattliche Innenhöfe vorhanden und die Klosterkirche beherbergt 6 imposante Orgeln. Die 96 Glocken der zwei Glockenspiele wiegen zusammen unglaubliche 217 t.
Und noch eine bemerkenswerte Zahl: die Bibliothek, der größte Schatz des Palastkomplexes, besitzt 36.000 gebundene Bücher!

Diese vier wunderbaren Ölgemälde sind Bildnisse eines einzigartigen Lissabons, so wie es vor dem großen Erdbeben 1755 existiert hat, und wie wir alle, die wir heute Leben, es nie kennen lernen durften.
Deshalb, wenn es ihnen möglich ist, besuchen sie die Ausstellung in der Cordoaria Nacional im Stadtteil Belém, und schauen sie sich Lissabon an, so wie es einmal war.
Sie werden es nicht bereuen!

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