Samstag, 28. April 2012
Der Freiheitswille des Volkes von Timor ist schier unermesslich
Mitte dieser Woche stellte die portugiesische Schriftstellerin Sónia Neto in Brüssel, im Beisein von Martin Schulz, seines Zeichens Präsidenten des Europäischen Parlaments, und José Manuel Durão Barroso, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, ihr neues Buch „Por Timor – Memórias de Dez Anos de Independência“ (dt.: Für Timor – Erinnerungen an zehn Jahre Unabhängigkeit) vor.
In diesem Buch, das wie der Name schon sagt über die Unabhängigkeit Ost-Timors handelt, erwähnt die Schriftstellerin unter anderem, das der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, während seiner Amtszeit in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, einer Unabhängigkeit des kleinen Inselstaates Timor vom riesigen Inselreich Indonesien eher skeptisch, um nicht zu sagen abweisend, gegenüberstand.
So soll Kohl damals angeblich mehrmals vor seinen europäischen Partnern erwähnt haben, er hätte das Thema Ost-Timor einfach nur „satt“ und er wäre es „leid“ andauernd von Portugal, das sich damals für eine Unabhängigkeit von Timor stark machte, zu diesem Thema angesprochen zu werden. Er fühle sich schlichtweg „belästigt“!
Diese Äußerungen werden nun vom portugiesischen Staatspräsidenten Aníbal Cavaco Silva, der damals das Amt des Premierministers in Portugal innehatte, bestätigt.
Das Helmut Kohl es leid war über Timor zu sprechen, hing wohl in erster Linie damit zusammen, das ihn eine enge Männerfreundschaft mit dem damaligen indonesischen Staatspräsidenten Suharto verband.
Diese Männerfreundschaft und die wirtschaftlichen Vorteile die aus ihr resultierten, spielten damals für Kohl eine wichtigere Rolle als die eklatanten Menschenrechtesverletzungen die sich in Ost-Timor, offen vor den Augen aller Welt, abspielten. Er nahm diese Menschenrechtsverletzungen und das weitere Morden von Menschen in Timor durch die Indonesier ohne sehr große Skrupel in Kauf.
Das Helmut Kohl sich damals offen hinter Indonesien stellte und Portugal bei seinem Bestreben nach Freiheit auf der Insel Timor nicht unterstützte, haben ihm viele Portugiesen, unter anderem auch ich, sehr übel genommen.
Ich konnte es damals nicht verstehen, wieso sich Kohl, der sich so gerne als „Kanzler der Einheit“ feiern ließ, es nicht akzeptieren wollte, das ein kleines Volk auf der anderen Seite der Erdhalbkugel ebenfalls nach Freiheit und Demokratie strebte, so wie zuvor die Bürger der ehemaligen DDR.
Aber Helmut Kohl ist heute Geschichte.
Er war sicherlich ein großer Bundeskanzler und hat auch politisch viel bewegt aber er war auch zweifelsohne ein Egozentriker aus Überzeugung.
Er ist nicht nur als der „Einheitskanzler“ in die Geschichte eingegangen, sondern auch als der Kanzler dessen schlimmste Auswirkung seiner 16jährigen Dauerregentschaft es wohl war einer ganzen Nation, und vor allem der jungen Generation von damals, vorgelebt zu haben, das es sich angeblich lohnt, in erster Linie an sich und nur an seine eigenen Interessen zu glauben.
Mit seiner Machtgier und seinen dubiösen Freunden, die ihm mit Parteispenden versorgten, hat er zweifelsohne eine gewisse Zeit lang eine beinahe völlige Entsolidarisierung der Gesellschaft ausgelöst.
Ost-Timor wurde letztendlich, auch ohne die Hilfe von Helmut Kohl, ein unabhängiger Staat.
Am 20. Mai 2002 wurde Timor von Indonesien in die Unabhängigkeit entlassen und als Timor-Lorosae (port.: Timor-Leste / dt.: Ost-Timor) als erste Nation des 21. Jahrhunderts in die Weltgemeinschaft aufgenommen.
Seitdem hat sich dieser kleine Inselstaat, trotz all seiner politischen und wirtschaftlichen Probleme, in der Welt einigermaßen gut behaupten können.
Aber es ist nicht leicht Timor zu regieren.
Schon die Kolonialmacht Portugal hatte einstmals ihre Probleme mit diesem kleinen Eiland.
Auch die Indonesier, die den Portugiesen folgten, hatten ihre liebe Mühe mit der Insel und dem Freiheitswillen seiner Bürger.
Und selbst jetzt, zehn Jahre nach der Unabhängigkeit, ist Timor alles andere als leicht zu regieren.
Von Xanana Gusmão, dem historischen Guerillakämpfer, späteren Staatspräsidenten und heutigen Prämierminister Timors sind die folgenden Worte überliefert:
„Schnell habe ich begriffen, dass es schwieriger ist Timor in Zeiten des Friedens zu führen als in Zeiten des Krieges. Der Freiheitswille des Volkes von Timor ist schier unermesslich“
(port.: „Rapidamente compreendi que é mais difícel liderar Timor em tempos de paz do que em tempos de guerra. A ânsia de liberdade do povo de Timor é imensa“).
So gesehen, hat auch ein Helmut Kohl der Freiheitsliebe dieses Volkes und dieser Nation nichts anhaben können.
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