Samstag, 19. September 2009

Der Bahnhof Rossio


Wenn ich ausländische Freunde zu besuch habe, und mit ihnen durch Lissabon laufe, dann kommen wir irgendwann auch am Lissabonner Hauptplatz Rossio vorbei.

Dort stelle ich mich dann mit ihnen vor einem großen neomanuelinischen Gebäude hin, und frage sie, was sich wohl hinter dessen Mauern befindet.
Ich bekomme dann meistens als Antwort, es handele sich bei dem Gebäude, am Largo de Dom João da Câmara, zwischen dem Rossio und der Praça dos Restauradores, um ein Theater oder um ein Hotel. Manche meinen auch, dahinter verberge sich vielleicht ein imposantes Stadtschloss oder ein interessantes Museum.

Wenn ich meinen Freunden dann aber sage, dass es sich bei dem Gebäude um den ersten Lissabonner Hauptbahnhof handelt, stehen sie meistens mit offenem Mund da, und können es kaum glauben.
„Denn“, so meinen die meisten, „er ist einfach zu schön, um nur ein Bahnhof zu sein!“
Aber dem ist wirklich so.
Hinter der aufgeputzten Fassade befindet sich der noch heute funktionstüchtige Kopfbahnhof Rossio (port.: Estação de Caminhos de Ferro do Rossio).

Er wurde zwischen den Jahren 1886 und 1890, im Auftrag der Real Companhia dos Caminhos de Ferro Portugueses (deutsch: Königliche Eisenbahngesellschaft Portugals) nach Plänen des Architekten José Luís Monteiro errichtet, und am 23. November 1890, unter dem Namen „Estação da Avenida“ feierlich eröffnet. Schnell wurde aber aus der Estação da Avenida die Estação do Rossio.

José Luís Monteiro ist auch verantwortlich für den Bau des Nebengebäudes des Bahnhofes, das Hotel International. Das Hotel stand den Mitarbeitern der Eisenbahngesellschaft bis 1892 zur Verfügung.
Das Hotel heißt heute Avenida Palace und ist eines der exklusivsten Adressen der Stadt. In den ersten Jahren gab es sogar eine direkte Verbindung zwischen dem Bahnhof und dem Hotel. Diese existiert aber heute leider nicht mehr.

Will man einen Zug nehmen, muss man – bedingt durch den steilen Hügel an dem der Bahnhof liegt – in die dritte Etage hinauf. In den unteren Stockwerken liegen Geschäfte und Cafés. Erst im dritten Stockwerk stößt man auf die Bahnsteige.
Von hier aus verlassen heute, durch den 2.613 m langen und 8 m breiten zweigleisigen Tunnel, der unter dem Stadtteil Campolide führt, nur noch die Vorortzüge nach Sintra die Stadt.

Der Bahnhof am Rossio, auf dessen Vorplatz am 14. Dezember 1918 das Attentat auf den damaligen Staatspräsidenten und Diktator Sidónio Pais verübt wurde, war, bevor der Bahnhof Santa Apolonia gebaut wurde, der Hauptbahnhof der Stadt.
Hier kamen auch die Fernzüge aus Spanien und Frankreich an.
Heute, zumal nach dem Bau des Bahnhofes Garre do Oriente, hat der Bahnhof Rossio nur noch eine Rolle als Vorortsbahnhof.

Die mangelnde Funktionalität des Baus war Gegenstand von Kritik, schon kurz nach seiner Fertigstellung.
Doch das der Bahnhof mit seiner originellen Fassade, mit seinen Steintauen als gliedernde Elemente, mit den Türen und Fenstern in Form von Hufeisen, mit seinen maurischen und gotischen Zitaten und der fast schwebenden Eisendachkonstruktion, auf dem Niveau europäischer Architektur gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist, kann man heute noch bestaunen.

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