Im Vergleich zu
anderen Orten an der Algarve ist das nur wenige Kilometer östlich der
Distrikthauptstadt Faro gelegene und knapp 50.000 Einwohner zählende Städtchen Olhão noch weitgehend vom Tourismus unberührt.
Wichtiger
Erwerbszweig der Bewohner ist der Fischfang auf Sardinen und Thunfisch die hier
heute noch in einer Konservenfabrik weiterverarbeitet werden.
Der
Hafenumsatz liegt an erster Stelle im Distrikt Faro, noch vor dem von Portimão,
Lagos oder Tavira.
Das noch
immer sehr orientalisch anmutende Olhão erhält sein maurisches Flair durch die typischen weißen
zwei- bis dreistöckigen Würfelhäuser, deren Flachdächer zu Terrassen (port.: açoteias)
mit durchbrochenen Kamin- und Ausguckaufbauten ausgestattet sind. Diese kubistische
Bauweise ist freilich kein maurisches Erbe, sondern wurde im ausgehenden 18.
Jahrh., als eine große Zahl von Fischern aus Aveiro sich in Olhão niederließ, wegen ihrer Zweckmäßigkeit in dem hier
vorherrschenden heiß-trockenen Klima als maurischer Stil wieder entdeckt.
Mit außergewöhnlichen
architektonischen Sehenswürdigkeiten kann Olhão nicht aufwarten, ganz stimmungsvoll ist jedoch die
Atmosphäre am Hafen, wo nicht zuletzt eine eigenwillige Fischmarkthalle (port.:
mercado de peixe) die Blicke auf sich lenkt.
Die
Fischer von Olhão sind seit jeher dafür berühmt sehr talentiert und
erfolgreich ihrem Handwerk nachzugehen und aus ihrem Fang dann exquisite
Gerichte zu zaubern. Das geht soweit, das Olhão
heute als die „kulinarische Hauptstadt“ der Algarve gilt.
Außer dem
malerischen Hafen und der Fischmarkthalle verdient die Pfarrkirche Nossa
Senhora do Rosário an der Praça da Restauração, im historischen Stadtzentrum,
Beachtung. Vom Turm dieses in den Jahren 1681 bis 1698 von Fischern erbauten
Gotteshauses bietet sich ein schöner Blick über die Stadt.
Gegenüber,
in der Kapelle Nossa Senhora dos Aflitos, beteten und beten heute noch die an
Land zurückgebliebenen Fischerfrauen für ihre auf See befindlichen Männer.
Aber so
arm Olhão auch an großen architektonischen Sehenswürdigkeiten auch
sein mag, an Geschichte und spektakulären Landschaften ist diese Kleinstadt an
der Lagune der Ria Formosa umso reicher.
Die Ria
Formosa ist einer der größten vogel- und fischreichsten Wassernaturschutzgebiete
(port.: Parque Natural da Ria Formosa) Europas.
Unzähligen
Kanäle, Sanddünen, Salzmarschen und ein Watt bilden diese unglaubliche
Lagunenlandschaft vor der Küste der Algarve.
Obwohl die Umgebung
von Olhão wahrscheinlich bereits in der Jungsteinzeit
bevölkert war, wurde die heutige Stadtgegend nachweißlich
erst von den Römern ständig besiedelt. Die heute noch existierende alte römische
Steinbrücke in der Gemeinde Quelfes ist wohl das markanteste Bauwerk aus dieser
Zeit.
Im 8.
Jahrh. n. Chr. wurde die Algarve von den arabischen Mauren erobert und
besiedelt.
Die neuen
Herren gaben dem Ort den Namen „al-Hain“, was soviel bedeutete wie „sprudelnde
Quellen“, da es in dieser Gegend sehr viele Quellen und Brunnen gab.
Aus
„al-Hain“ wurde mit der Zeit „Alham“ und später, als die Portugiesen Mitte des
13. Jahrh die Algarve im Rahmen der Reconquista von den Mauren eroberten,
benannten sie den Ort in „Olham“ um, gaben ihn aber schnell auf, so das er rasch an
Bedeutung verlor.
Die nächsten Siedler
sollten erst wieder im 17. Jahrh. hier auftauchen, dann nämlich, als sich
Fischer aus der Stadt Aveiro im Territorium der heutigen Stadt ansiedelten und
den Ort Olhão nannten.
Die ersten Bewohner
bauten sich einfache Strohhütten und erst Ende des 18. Jahrh. fingen die
Fischer an feste Steinhäuser im maurischen Stil zu errichten, so wie wir sie heute
kennen.
Die Fischer lebten
aber damals nicht nur vom Fischfang, sondern gaben sich auch Erfolgreich dem
Schmuggel hin.
Das kam daher, weil
die in der Nähe liegende Stadt Faro damals sehr hohe Steuern und Zölle auf importierte
Waren erhob.
Da Olhão strategisch sehr gut in einem Labyrinth von verzweigten
Meeresarmen, Lagunen und Sandbänken lag – die nur von den einheimischen Fischern
gefahrlos befahren werden konnten – umgingen viele Händler die horrenden Handelszölle
in Faro, indem sie die Fischer von Olhão zum
schmuggeln animierten.
Als das Schmuggeln
überhand nahm und auch noch marokkanische Piraten vor Olhão anfingen ihr Unwesen zu treiben, beschloss der
Gouverneur in Faro im Jahre 1654 auf einer Sandinsel in der Ria Formosa vor
Olhão eine Festung zu errichten.
Diese
Festung, die den Namen Fortaleza de São Lourenço erhielt, versandete leider recht
schnell und verlor mit der Zeit als Festung der Stadt schnell an Wert.
Im Jahre
1747 beschloss man daher eine neue Festung zu bauen, diesmal auf der vor Olhão gelagerten
Insel Armona.
Doch kaum
war diese Festung erbaut, da wurde sie 1755 von einem verheerenden Erdbeben
völlig zerstört.
Mitte des
18. Jahrh. war Olhão zu einem kleinen florierenden Ort herangewachsen.
Die
Einwohner konnten sehr gut vom Meer leben, und zwar so gut, dass König José I
im Jahre 1765 dem Ort die gleichen Steuerprivilegien zugestand, wie sie bis
dahin nur die Stadt Faro hatte.
Dank
dieser neuen steuerlichen Freiheiten entwickelte sich Olhão zusehends und
seine Bürger wurden damals zu den reichsten der ganzen Algarve.
Als
zwischen 1779 und 1783 spanisch-französische Truppen das von den Engländern
regierte und in der Nähe liegende Gibraltar belagerten, blühte Olhão
wirtschaftlich und handelspolitisch noch einmal auf.
In Folge
der napoleonischen Kriege auf der Iberischen Halbinsel besetzten französische
Truppen auch Portugal.
Während
Königin Maria I und ihr Sohn, Prinzregent João, mit der ganzen Regierung und
dem gesamten Hofstaat nach Rio de Janeiro ins Exil gingen (lesen sie hierzu auch
meinen Blogeintrag „Das brasilianische Exil der portugiesischen Königsfamilie“,
vom 29. November 2011) blieben die Portugiesen der Willkür der Franzosen
überlassen.
Obwohl Prinzregent
João bei seinem Abschied aus Portugal, aus Angst vor Repressalien, seinen
Untertanen empfohlen hatte sich nicht gegen die Truppen Frankreichs zu stellen,
fanden während der französischen Okkupation in Portugal doch verschiedene kleine
Aufstände statt, die aber bis dahin alle von den französischen Soldaten grausam
niedergeschlagen wurden.
Es waren
die Fischer von Olhão die im Juni 1808 erfolgreich gegen die französischen
Invasionstruppen vorgingen.
Die
Franzosen hatten Olhão am 14. April 1808 besetzt und den Ort auf brutalste Art
und Weise geplündert und unterworfen.
Den Einwohnern,
die praktisch alle nur von der Fischerei lebten, wurde auf Anordnung von
General Jean Andoche Junot, dem Oberbefehlshaber der französischen Truppen, u. a.
untersagt aufs offene Meer hinauszufahren, so dass sie ihrem Haupterwerb nicht
mehr nachgehen konnten.
Ihnen
wurden hohe Steuern auferlegt und es war den Bürgern bei Todesstrafe verboten
portugiesische Hoheitszeichen, wie etwa Fahnen, Banner oder Wappen, zu besitzen
oder diese gar zur Schau zu stellen.
Ebenfalls
unter Todesstrafe setzten die Franzosen das Schmuggeln, womit den Bürgern von Olhão ihre bis dahin
zweite Lebensgrundlage auch genommen wurde.
Die französischen
Truppen, die damals in Portugal wohl so zerstörerisch und brutal vorgingen wie heute
der so genannte Islamische Staat in Syrien oder dem Irak, waren hierzulande
verständlicher Weise nicht gerade sehr beliebt!
Vor allem
die Bürger der Algarve, hier insbesondere die Menschen in Olhão, widersetzten
sich regelmäßig den drastischen Befehlen und Anordnungen der Franzosen, was zur
Folge hatte, das diese hier in diesem Teil Portugals besonders brutal gegen die
Bevölkerung vorging.
Eines
dieser Anordnungen der Franzosen war, wie schon erwähnt, das Verbot von
portugiesischen Hoheitszeichen, die kein Bürger und kein Gebäude der Stadt besitzen
noch zeigen durfte.
Die
Hauptkirche von Olhão, die Kirche Nossa Senhora do Rosário, war an ihrem Altar
mit einem portugiesischen Wappen geschmückt, der seit der französischen
Okkupation aber durch ein Tuch verdeckt wurde.
Als am
Vorabend zur Feier des Heiligen Antonius (port.: Santo António), dem 12. Juni
1808, ein Festgottesdienst in dieser Kirche abgehalten wurde, entblößte der
Pfarrer während der Messe das portugiesische Wappen, welches bis dahin unter
dem Tuch versteckt war, und die Bevölkerung unterstützte mit lautem Wohlwollen
diesen offenen Affront gegen die verhassten französischen Besatzer.
Diese
Widersetzung gegen die französischen Besatzungsgesetze in der Kirche war
sozusagen der „Startschuss“ für die bis dahin größte Revolte gegen die
französischen Besatzer!
Nach
diesem für Olhão denkwürdigen Gottesdienst holten alle Bürger der Stadt –
einer Zählung nach soll Olhão damals an die 4.000
erwachsene Einwohner gehabt haben – ihre bis dahin aufbewahrten Fahnen und
Banner aus ihren Verstecken hervor und zeigten diese demonstrativ offen auf der
Straße.
Da sich
damals lediglich 58 französische Soldaten in der Stadt aufhielten – die
französische Hauptgarnison befand sich zu dieser Zeit in der nahen Stadt Faro –
ließen diese die euphorischen und revoltierenden Bürger aus Angst gewähren.
Aber eine
französische Antwort ließ nicht lange auf sich warten!
Noch am
Tag der Revolte wurden französische Soldaten aus Tavira und Vila Real de Santo
António – etwa 200 Mann – nach Faro beordert um das revoltierende Olhão wieder zur
Räson zu bringen.
Drei Tage
später, am 16. Juni 1808, einem Fronleichnamdonnerstag, trafen die bis an die
Zähne bewaffneten französischen Truppen an der römischen Steinbrücke von
Quelfes bei strömendem Regen auf die kämpferische Bevölkerung von Olhão.
Die
Bürger von Olhão waren zahlenmäßig den französischen Soldaten zwar weit
überlegen, hatten aber außer Mistgabeln, Stöcken, Zwillen, Armbrüsten und
Steine keine anderen Waffen um sich zu verteidigen.
Dennoch
entschieden sich die gut ausgerüsteten Franzosen die Portugiesen nicht
anzugreifen und beschlossen auf Verstärkung und besseres Wetter zu warten.
Das war
zweifellos ihr Fehler, denn, um es mit den Worten von Michael Gorbatschow zu
sagen, „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ – und die Franzosen wurden
bestraft!
Da das
Wetter nicht besser wurde und die Kampfesmoral der Besatzer immer mehr sank,
entschlossen sich die Einwohner von Olhão am 18. Juni 1808 zum Angriff gegen
die Franzosen.
Mit Hilfe
englischer Soldaten, die den Portugiesen zu Hilfe geeilt waren, konnten die
Bürger von Olhão die napoleonischen Truppen bezwingen und das belagerte Olhão
befreien.
Diese
Revolte gegen die Franzosen war der Vorreiter weiterer Aufstände gegen die
verhassten Invasionstruppen. So lehnten sich alsbald die Städte Loulé, dann
Lagos und schließlich auch die Provinzhauptstadt Faro gegen die Franzosen auf,
so das eine Woche nach der Revolte in Olhão, am 23. Juni 1808, die Algarve
offiziell als „Franzosenfrei“ galt.
Drei
Wochen nach dem erfolgreichen Aufstand beschlossen 17 Fischer aus Olhão nach
Brasilien zu segeln um dem Königshaus über die neuesten Ereignisse in Portugal
zu unterrichten.
Am 07.
Juli 1808 stachen sie in einer Nussschale in See und nach einer beschwerlichen Reise
von 77 Tagen auf dem Meer, landeten sie am 22. September 1808 in Rio de Janeiro
an.
Die
Fischer wurden sofort nach ihrer Ankunft zum Regenten des Königreiches, Prinz
João, vorgelassen und überbrachten diesem die Nachricht vom Sieg der Einwohner
von Olhão über die französischen Invasionstruppen.
Prinzregent
João war über diesen errungenen Volkssieg sehr erfreut und zum Dank gab er
dem Ort Olhão augenblicklich die Stadtrechte, mit allen Privilegien, Freiheiten,
Rechten und Ehren wie sie die anderen Städte des Königreiches besaßen und genossen.
Und noch
mehr:
als
Zeichen seiner Anerkennung durfte sich die Stadt nach einem Erlass vom 15.
November 1808 fortan offiziell „Vila de Olhão da Restauração“ (dt.: „Olhão,
Stadt der Wiederherstellung“) nennen.
Diesen lyrischen
Beinahmen gab der Prinzregent der Stadt als Dank für die wichtige Initiative der
Bürger Olhãos für die „Wiederherstellung“ der Unabhängigkeit Portugals von den
Franzosen.
Die
Erhebung von Olhão zur Stadt kam ihrer Entwicklung nur zugute und bis ins
letzte Jahrhundert hinein florierte Olhão wie kaum eine andere Stadt an der
Algarve.
Erst mit
dem Niedergang der für diesen Landstrich so wichtigen Fischindustrie und nach
der Schließung mehrerer Fischkonservefabriken – nur eine ist heute noch übrig
geblieben – hatte der expandierende Aufstieg Olhãos ein Ende.
Der
Tourismus sorgt in den letzten Jahren für einen Aufschwung in Olhão.
Auch wenn
Olhão keine so landschaftlich schöne Strände hat wie z.B.
Albufeira, Portimão, Lagoa oder Tavira – auch wenn sich der Strand von Armona
(port.: Praia da ilha da Armona) sich keinesfalls verstecken muss – so sind sie
doch sehr sehenswert und erholsam gelegen.
Ich
persönlich habe das große Glück sehr gute Freunde in Olhão zu haben und bin ihnen
dort jederzeit sehr willkommen.
Aber auch
wer keine Freunde in Olhão hat, der wird sie hier, in dieser durchaus sehr
gastfreundlichen, stolzen und geschichtsträchtigen Stadt, garantiert schnell finden!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen