Sonntag, 19. Januar 2014

Die Hüter der portugiesischen Verfassung


Die portugiesische Regierung von Premierminister Pedro Passos Coelho hat diese Woche beschlossen, in einem baldigen Referendum das Volk darüber entscheiden zu lassen ob gleichgeschlechtliche Paare zukünftig das Recht haben sollen Kinder zu adoptieren, oder ob ihnen dieses Recht weiterhin verwehrt bleibt. Zwar dürfen homosexuelle Paare hierzulande schon seit 2010 heiraten, eine Adoption von Kindern ist ihnen aber gesetzlich nicht erlaubt.
Da in Portugal aber Referenden – seien sie konfirmativ, obligatorisch oder konsultativ – normalerweise verfassungspolitisch nur ausnahmsweise vorgesehen sind, wird jetzt wohl das Portugiesische Verfassungsgericht (port.: Tribunal constitucional) darüber entscheiden müssen, ob die geplante Volksbefragung überhaupt stattfinden wird.

Das Oberste Gericht Portugals wurde in den letzten Monaten schon mehrmals von der Opposition zu Hilfe gerufen, um bei parteipolitischen Konflikten zu helfen und über die politischen Entscheidungen des Parlaments verfassungspolitisch urteilen zu lassen.
Kaum eine rigorose Sparmaßnahme von Pedro Passos Coelho die nicht vom Verfassungsgericht einkassiert wurde, kaum eine geplante Kürzung die nicht umgekippt oder eine Einsparung die die Richter am Obersten Gerichtshofs Portugals nicht zu stoppen versuchte.

Das sich die 13 Richter des Verfassungsgerichtshofs in letzter Zeit so vehement gegen Premierminister Passos Coelho und seine bürgerlich-konservative Regierung gestellt haben, hat sie hierzulande für manche zu so etwas wie „gesetzestreuen Helden Portugals“ werden lassen.
Das ist natürlich absoluter quatsch, denn die Richter tun nichts mehr oder weniger als ihre Arbeit!
Das die obersten Hüter der portugiesischen Verfassung dabei heutzutage anscheinend etwas rigoroser auf die Finger der Regierung schauen als früher, liegt einzig und alleine an der Tatsache, das die 13 Richter des aktuellen Verfassungsgerichts mehrheitlich noch von den oppositionellen Sozialisten eingesetzt wurden und nicht von den regierenden Konservativen.
Nicht mehr und nicht weniger.

Ich bin schon mehrmals von meinen deutschen Freunden gefragt worden, wie sich denn nun dieses Verfassungsgerichts zusammensetzt und wie seine Kompetenzen, Aufgaben und Pflichten vereinfacht lauten.

Nun, das Tribunal constitucional (dt.: Verfassungsgericht) ist das höchste Gerichtsorgan der portugiesischen Republik.
Seine Aufgabe besteht darin neue Gesetze nach ihrer Verfassungsmäßigkeit zu beurteilen, die vorhandene Verfassung zu wahren und zu schützen, die Daten für Wahlen und Referenden anzusetzen und Parteien zu erlauben oder zu verbieten.
Das Verfassungsgericht setzt sich aus 13 Richtern zusammen, die für einmalige neun Jahre gewählt werden.
Zehn dieser Richter werden von den Abgeordneten der im portugiesischen Parlament sitzenden Parteien mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ins Verfassungsgericht gewählt.
Die restlichen drei Richter werden von den anderen, schon gewählten, Richtern ernannt.
Sechs der 13 Richter müssen vor ihrem Einzug ins Verfassungsgericht Richter an einem portugiesischen Gericht gewesen sein und die anderen sieben müssen ein abgeschlossenes Jurastudium vorweisen.
Obwohl mehrheitlich von den Abgeordneten des Portugiesischen Parlaments gewählt, ist jeder der Verfassungsrichter parteipolitisch und finanziell unabhängig. Sie sind in all ihren Urteilen und Entscheidungen einzig und allein ihrem Gewissen verantwortlich!

Das Tribunal constitucional, oftmals hier in Portugal mit „TC“ abgekürzt, hat seinen Sitz in einem Stadtpalast in der Rua de O Século n° 111, im Lissabonner Stadtteil Mercês.
Dieser altehrwürdige Stadtpalast trägt den Namen Palácio Ratton und wurde einstmals von dem französischen Großindustriellen Jácome Ratton erbaut, der Mitte des 18. Jahrh. mit seinen Eltern nach Portugal ausgewandert war.
Die Rattons galten unter dem Marques de Pombal als einer der angesehensten und wichtigsten Industriellenfamilien ihrer Zeit in Portugal.

Das portugiesische Verfassungsgericht setzt sich momentan aus folgendem Richtergremium zusammen:

- Prof. Dr. Joaquim José Coelho de Sousa Ribeiro, Präsident des Verfassungsgerichts
- Prof. Dr. Maria Lucia Amaral, Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts
- Dr. Lino José Baptista Rodrigues Ribeiro
- Dr. José da Cunha Barbosa
- Prof. Dr. João Eduardo Cura Mariano Esteves
- Dr. Carlos Alberto Fernandes Cadilha
- Prof. Dr. Ana Maria Guerra Martins
- Dr. Maria de Fátima Mata-Mouros de Aragão Soares Homem
- Prof. Dr. Pedro Manuel Pena Chancerelle de Machete
- Prof. Dr. Maria José Reis Rangel de Mesquita
- Prof. Dr. Catarina Teresa Rola Sarmento e Castro
- Prof. Dr. Maria João da Silva Baila Madeira Antunes
- Dr. Fernando Vaz Ventura

Mit sieben Männern und sechs Frauen auf dem Richterstuhl ist das Richtergremium des portugiesischen Verfassungsgerichts vorbildlich geschlechtsrepräsentiv.
Sie, die obersten Hüter des Gesetzes, werden auch in Zukunft darüber wachen, das die Wahrheit und das Recht mit der portugiesischen Verfassung konform sind – auch wenn es nicht jedem passt…

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