Donnerstag, 30. Mai 2013

Lavadeiras de Caneças



Ein italienischer Arbeitskollege von mir hat neuerdings eine neue Mode für sich wiederentdeckt. Seit Tagen kommt er mit einem bunten Kopftuch auf dem Kopf zur Arbeit.
Ich weiß nicht ob ihm vielleicht einer gesagt hat, dies wäre im Augenblick modisch der letzte Schrei oder ob er in letzter Zeit im Kino „Fluch der Karibik“ mit Johnny Depp gesehen hat, ich weiß nur das dies nicht gerade mein modischer Stil ist, aber das steht auf einem anderen Blatt!

Meine schweizerische Kollegin Nadja Waldmeier meint, dieser modische letzte Schrei würde man schlechthin als Piratenstil bezeichnen, woraufhin ich ihr zur Antwort gab, das mich diese Aufmachung doch eher an eine „lavadeira de Caneças“ erinnert, als an einen Piraten.
Woraufhin natürlich von Nadja die berechtigte Frage in den Raum geworfen wurde, was den eine „lavadeira de Caneças“ sei.

Nun, bei einer „lavadeira de Caneças“ handelt es sich, wortwörtlich ins Deutsche übersetzt, um eine „Wäscherin aus Caneças“, und somit um einen ehemals sehr ehrwürdigen Berufsstand, den es, dank der Erfindung der Waschmaschine und des modernen Waschprozesses, heute leider nicht mehr gibt.
„Lavadeiras de Caneças“ waren früher Frauen, die den Beruf einer Wäscherin ausübten und die aus dem kleinen Lissabonner Vorort Caneças kamen.

Die Wäscherinnen von Caneças waren für ihre harte, zuverlässige und gute Arbeit bei den wohlhabenden Bürgern der Hauptstadt, die es sich leisten konnten ihre Wäsche durch Wäscherinnen waschen zu lassen, sehr beliebt.
Der Ort Caneças ist eine kleine Gemeinde, die heute zur Stadt Odivelas gehört, und die einstmals für ihr glasklares und sehr kalkarmes Quellwasser bekannt war.

Der Berufsalltag einer Wäscherin war anno dazumal alles andere als einfach und angenehm.
Abgesehen von der schweren körperlichen Arbeit, die die Wäscherinnen verrichten mussten, mussten sie sich auch mit, heute würde man sagen, sehr aggressiven Reinigungsmittel, wie z.B. Soda, herumschlagen.
Die Wäsche wurde fast immer mit Soda gewaschen, nur selten kamen die hautverträglichen Kern- und Schmierseife zum Einsatz.
Mit der Hilfe einer Bürste und eines Waschbrettes wurde dann direkt in einem Waschzuber gewaschen. Der exzessive Gebrauch von Soda und das eiskalte Quellwasser waren oftmals dafür verantwortlich, das die meisten Wäscherinnen extrem ausgelaugte Hände hatten.
Nach dem Einseifen wurde die Wäsche dann außer Haus im glasklaren Quellwasser ausgespült, da noch am Anfang des letzten Jahrhunderts über 95% der Haushalte in Caneças noch über keinen eigenen Wasseranschluss verfügte.
Nach dem Waschen wurde die Wäsche dann mühevoll ausgewringt und auf eine große, saubere Wiese ausgebreitet, wo sie dann in der Sonne ausbleichte.
Danach wurde die Wäsche bei den Wäscherinnen zuhause mit einem Kohlebügeleisen gebügelt, ordentlich zusammengefaltet und nach Lissabon, an ihre jeweiligen Besitzer mit der Hilfe von Esel- oder Pferdekarren ausgeliefert.

Ich selber kann mich an solche Szenen hier im Raum Lissabon nicht mehr erinnern, da das weit vor meiner Zeit geschah.
Aber als Kind erinnere ich mich sehr wohl, in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, oftmals, bei meinen reisen durch Coimbra, die dortigen Wäscherinnen am Ufer des Flusses Mondego bei ihrer Arbeit gesehen zu haben!
Mein Gott, wie die Zeit vergeht!

Damit wir uns nicht missverstehen:
Der Beruf einer „lavandeira“ war zwar kein Beruf, für den man einen Universitätsabschluss brauchte, aber dadurch das die Wäscherinnen einen körperlich sehr schweren, mit vielen Kenntnissen und Fähigkeiten fachspezifischen Beruf ausübten und sie zudem auch als sehr ordentlich, pünktlich und reinlich galten, gehörten sie zu den zuverlässigsten und beliebtesten Arbeiterinnen der ganzen Hauptstadt.
Deshalb war die Bezeichnung „lavandeira de Caneças“ früher, aber auch heute, eher positiv als negativ behaftet.

Die Wäscherinnen aus Caneças waren und sind in der nationalen Bevölkerung auch heute noch sehr hoch angesehen.
Ende des letzen Jahrhunderts errichtete man ihnen zu ehren, inmitten von Caneças sogar ein Monument.
1928 komponierte Frederico Guedes de Freitas den hier in Portugal sehr beliebten Fado „As Lavadeiras de Caneças“, welches später dann, unter anderen, von der großen Fadosängerin Amália Rodrigues gesungen wurde.
Absoluten Ruhm erlangten die Wäscherinnen im Jahre 1938, als der Filmemacher Eduardo Augusto Chianca da Silva Garcia ihnen mit der Komödie „Aldeia da Roupa Branca“, mit den in der damaligen Zeit sehr beliebten Schauspielerinnen Beatriz Costa und Herminia Silva in den Hauptrollen, ein cineastisches Denkmal setzte.

Heute gibt es in Caneças leider keine Wäscherinnen mehr.
Sie sind mit der Erfindung der Waschmaschine ausgestorben.
Als 1969 die letzte, noch lebende Wäscherin in einer dieser Nachmittagstalkshows auftrat und dort von ihrem interessanten Beruf erzählte, erhielt sie zum Dank – na raten sie mal…

…eine Waschmaschine!

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