Wer jemals die Stadt
Olhão in der südportugiesischen Algarve besucht hat
(lesen sie hierzu bitte auch meinen Blogeintrag „Olhão“, vom 30. Juni 2015), dem wird am Hafen, zwischen
all den Fischer- und Segelbooten, ein kleiner, aber besonders schöner Segler
aufgefallen sein.
Bei diesem Kahn –
einem so genannten Kaik (port.: caíque) – handelt es sich um eine
maßstabgetreue Nachbildung eines Seglers, welches vor über 200 Jahren eine recht
abenteuerliche Atlantiküberquerung hinter sich gebracht hat.
Der Name dieses Kaik
lautete und lautet „Bom Sucesso“ (dt.: guter Erfolg / gutes Gelingen / viel
Erfolg) und ist heute das Wappen der Stadt Olhão.
Kaiks – nicht zu
verwechseln mit Kajaks! – sind, vereinfacht gesagt, Miniaturausgaben von
Schiffstypen mit denen Portugal einst die Welt umsegelte, wie etwa Karavellen,
Galeonen und Naus.
Im Gegensatz zu
diesen großen Seglern, waren Kaiks aber nicht für lange Fahrten konzipiert,
sondern fanden als robuste Fischer- und Frachtschiffe eigentlich nur in
Küstennähe Verwendung.
Die Fischer der
Algarve wagten mit diesen kleinen Kähnen gerade mal ab und zu eine Fahrt bis
ins nahe Nordafrika.
Vor allem die
Einwohner von Olhão benutzten diesen recht wendigen
Bootstyp seit jeher um in der vor ihrer Haustür liegenden Ria Formosa zu
fischen.
Als Anfang
des 19. Jahrh. französische Soldaten auf Befehl von Napoleon Bonaparte Portugal
besetzten, verboten sie u. a. den Fischern von Olhão die Kaiks zu benutzen und so ihrem eigentlichen
Broterwerb nachzugehen.
Daraufhin
fanden die Einwohner von Olhão eine zwar gefährlichere – da unter Todesstrafe stehende
– aber dennoch wesentlich ertragreichere Erwerbstätigkeit:
sie
schmuggelten auf Teufel komm raus!
Die schnittigen
Kaiks, die kaum Tiefgang hatten, waren in den zahlreichen Kanälen, Sanddünen,
Salzmarschen und seichten Lagunen der Ria Formosa hierfür für ihre Besitzer sehr
von Nutzen.
Im Juni
1808 erhoben sich die Bürger von Olhão erfolgreich gegen die französischen Besatzer.
Dank der
Hilfe englischer Truppen konnten die französischen Soldaten recht schnell besiegt
werden und hinter die spanische Grenze gedrängt werden.
Bereits
am 23. Juni 1808 galt die Algarve als von den Franzosen befreit.
Die
Nachricht über diesen überaus wichtigen Sieg gegen die verhassten Franzosen
konnte zuerst einmal nicht an den Staatsoberhaupt gegeben werden, da die
damalige Monarchin, Königin Maria I, und ihr Sohn Prinzregent João, der spätere
König João VI, im entfernten Brasilien im Exil weilten.
Die
königliche Familie war kurz vor der französischen Besatzung im November 1807, samt
ihrem Hofstaat und der Regierung, außer Landes gegangen und hatte in Rio de
Janeiro ihre Zelte aufgeschlagen.
Da man
aber so schnell wie möglich den Prinzregenten über den durchaus wichtigen
militärischen Erfolg in der Heimat in Kenntnis setzen wollte, entschloss die
portugiesische Militärregierung der Algarve dem Regenten ein Dokument mit der
Nachricht über den Sieg Portugals gegen Frankreich zukommen zu lassen.
Am 07.
Juli 1808, drei Wochen nach der Befreiung der Algarve, bestiegen 17 einfache
Männer aus Olhão den Kaik „Bom Sucesso“ und stachen wagemutig in
See.
An Bord waren Manuel
de Oliveira Nobre, der zum Kapitän bestimmt worden war,
Manuel Martins Garrocho, der Eigentümer der „Bom Sucesso”,
und die einfachen Fischer
Manuel Martins Garrocho, der Eigentümer der „Bom Sucesso”,
und die einfachen Fischer
António Pereira Gémio
António da Cruz
Charrão
António dos Santos
Palma
Domingos do Ó Borrego
Domingos de Sousa
Francisco Lourenço
João Domingues Lopes
João do Munho
Joaquim do Ó
Joaquim Ribeiro
José Pires
José da Cruz
José da Cruz Charrão
Manuel de Oliveira
und Pedro Ninil
Keiner dieser Männer
hatte sich vorher so weit in den Atlantik hinausgewagt und es darf behauptet
werden, dass keiner von ihnen sich auch nur annähernd vorstellen konnte was für
Strapazen und Gefahren vor ihnen lagen.
Wenn man bedenkt,
dass die „Bom Sucesso“ gerade mal 18 m lang und 5 m breit war, das mehrere Tausend
Kilometern vor ihnen lagen, sie vor französischen Kriegsschiffen und Piraten ständig
auf der Hut sein mussten und das sie, außer einer alten Seekarte, keinerlei
nautisches Gerät an Bord hatten, kann man ohne Zweifel von Wagemut bei diesen
Männern sprechen.
Sie orientierten sich
nachts mit Hilfe der Sterne und nutzten die Winde und Meeresströmungen um ihr Ziel
Rio de Janeiro zu erreichen.
Begünstigt durch aus
Nordosten wehenden Winden erreichte nach einer Woche auf See die „Bom Sucesso“
am 14. Juli Funchal auf Madeira. Hier versorgte sich die Mannschaft mit frischem
Wasser und Lebensmitteln.
In einer Hafenkneipe
lernte Kapitän Manuel de Oliveira Nobre den Seemann Francisco Domingos Machado
kennen.
Machado war zwar noch
jung an Jahren, hatte aber schon als Matrose eine Reise ins entfernte Macau hinter
sich gebracht, was ihn, in den Augen des Kapitäns, „hochseetauglich“ machte.
Kapitän Oliveira
Nobre lud den jungen Machado zur Überfahrt ein, konnte ihn aber nicht für diese
bezahlen. Außer dem Dokument mit der Nachricht an den Prinzregenten hatte die
„Bom Sucesso“ keinerlei Wertsachen an Bord. Kapitän Oliveira Nobre machte
Machado aber ein Angebot schmackhaft, welches er sofort annahm.
Vor versammelter
Mannschaft sagte Kapitän Oliveira Nobre dem jungen Machado zu, er würde das
Kommando der „Bom Sucesso“ übernehmen, sollte er selber während der
abenteuerlichen Reise versterben.
Ein Angebot das der
einfache Matrose Machado nicht ausschlagen konnte und wollte.
Zwei Tage später, am
16. Juli, stach die „Bom Sucesso“ wieder in See.
Nach einer langen
Zeit auf dem Meer ließen sich eines Morgens zwei Pelikane auf der „Bom Sucesso“
nieder, wohl um sich auszuruhen. Da die Männer diese Vögel von ihrer Heimat her
kannten, wussten sie dass sich Pelikane nur sehr selten mehr als 60 oder 70
Seemeilen vom Land zu entfernten pflegten.
Als die Männer dann
auch Treibholz, Seegras und Schilfrohr im Wasser treiben sahen, wussten sie,
dass sie sich wohl nicht mehr sehr weit von der Küste befinden würden.
Fünf lange und
stürmische Wochen nach ihrer Wegfahrt von Madeira und nachdem sie mit großer
Zähigkeit und Willenskraft alle Hindernisse auf hoher See überwunden hatten, sichteten
die Männer endlich die südamerikanische Küste.
Als sie an Land
gingen erfuhren sie von Missionaren, die im Urwald Indios bekehrten, dass sie
nicht in Brasilien angelandet waren, sondern sich in Französisch-Guayana befanden
– also in Feindesland.
Sie füllten ihre
Fässer mit frischem Wasser, besorgten sich im Urwald Nahrung und stachen darauf
hin sofort wieder in See.
Da sie nun wussten wo
sie sich ungefähr befanden, segelten sie die restliche Strecke immer in
Landesnähe.
Sie segelten und
ruderten an der dicht bewaldeten Küste Amazoniens, Pernambucos und Bahias vorbei,
bevor sie endlich am 22. September 1808 in die Bucht von Guanabara, in Rio de
Janeiro, einfuhren.
Sie hissten die
portugiesische Flagge und gingen an Land.
Sofort sammelten sich
am Hafen zahlreiche Bürger der Stadt und die Soldaten Rios, die den Kaik zuerst
gar nicht bemerkt hatten, dachten anfänglich an einen üblen Scherz, denn für
sie war es unvorstellbar, dass solch eine Nussschale wie die „Bom Sucesso“ den
Atlantik überqueren konnte.
Als dem wachhabenden
Kommandeur aber das versiegelte Dokument an den Prinzregenten gezeigt wurde,
wurden die Atlantiküberquerer sofort in den königlichen Palast zu Prinzregent João
geführt.
Der Regent war
beeindruckt und konnte zuerst einmal, wie wohl jeder an diesem Tag in Rio de
Janeiro, nicht so richtig glauben das die „Bom Sucesso“ den weiten Weg von Olhão nach Brasilien gefunden hatte.
Er empfing die ganze
Mannschaft und ließ dieser, nach dem lesen des Dokuments das die portugiesische
Militärregierung der Algarve an ihn gesendet hatte, noch am selben Tag die stattliche
Summe von 1.200 Reis, die damalige portugiesische Goldwährung, auszahlen.
Aber der Prinzregent
beließ es nicht bei dieser stattlichen Geldsumme für die 18 wagemutigen und
tapferen Fischer aus Olhão.
In den folgenden
Tagen gab er allen einen hohen militärischen Rang und versah jeden von ihnen
mit dem höchsten Verdienstsorden den der portugiesische Staat damals zu
vergeben hatte, dem Christusorden (port.: ordem de Cristo), einem Orden der bis
dahin eigentlich nur an Adelige verliehen wurde.
Außerdem kaufte er
Manuel Martins Garrocho, dem Eigentümer der „Bom Sucesso“, seinen Kaik ab und
schenkte ihm einen neuen Segler, mit dem die Mannschaft später auch die Heimreise
nach Portugal antrat.
Die original „Bom
Sucesso“ gibt es heute nicht mehr.
Keiner weiß was aus
dieser kleinen Nussschale geworden ist. Tatsache ist, das der Kaik bis 1841
nachweißlich eines der beliebtesten Ausstellungsstücke des renommierten
Marinemuseums von Rio de Janeiro war.
Am 15. November 1808 erhob
Prinzregent João Olhão zur Stadt und versah diese mit
dem lyrischen Beinamen „Vila de Olhão da Restauração“ (dt.: Olhão, Stadt der
Wiederherstellung).
Diesen
Ehrentitel gab der Prinzregent der Stadt als Dank für die wichtige Initiative
der Bürger Olhãos für die „Wiederherstellung“ der Unabhängigkeit Portugals von
den französischen Besatzern.
Im
Februar 1809 kehren die 18 Fischer aus Olhão in ihre Heimat zurück.
An Bord
nahmen sie verschiedene Schriftstücke mit, unter ihnen verschiedene Anordnungen
und Befehle des Prinzregenten an die Militärverwaltungen in Lissabon und der
Algarve, sowie zahlreiche Briefe und Schriftstücke bürgerlicher, adliger und
kirchlicher Bürger Rios an die verschiedensten Empfänger in Portugal.
Der
portugiesische Seepostweg war gegründet!
In
Portugal angekommen fingen einige der 17 Männer der „Bom Sucesso“ eine militärische
Karriere an, andere widmeten sich wieder der Fischerei zu und zwei von ihnen, Manuel de Oliveira Nobre und Francisco
Domingos Machado blieben der portugiesischen Übersee-Seefahrt treu.
Aber so
unterschiedlich sich auch ihre jeweiligen Lebenswege nach ihrer tapferen Reise
über den Atlantik entwickelten, alle 18 fanden sie nach dem Tod ihre letzte
Ruhestätte in der Kapelle Nossa Senhora dos Aflitos im Herzen von Olhão, dort wo sie heute noch ruhen.
Der Kaik
„Bom Sucesso“, wenn auch nur die Kopie, hat sie alle überlebt und steht heute
im Hafen von Olhão, wo sie der Stadt als Museums- und Ausflugsboot dient.
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