Heute wurde ich von
einer deutschen Freundin gefragt was bei uns zuhause an Heiligabend zu essen auf
den Tisch kommt.
Nun wir sind da, was
das Weihnachtsmenü in der heiligen Nacht angeht, durchaus eine sehr
traditionelle portugiesische Familie.
Bei uns wird es an
Heiligabend, wie wohl in fast allen portugiesischen Haushalten, an diesem Abend
„Bacalhau com todos“ (dt.: „Stockfisch mit allem“) geben.
Bei „Bacalhau com
todos“ handelt es sich um gekochten Stockfisch mit Kartoffeln, Graupen, Kohl
und Ei.
Wer sich an
Festtagen, wie Weihnachten, keinen Stockfisch mehr leisten kann, zählt zu den
wirklich Armen!
Angerichtet wird salzgetrockneter
Kabeljau, der wohl traditionellste portugiesischste Fisch, in unzähligen
Variationen. Wir Portugiesen nennen ihn liebevoll unseren „fiel amigo“ (dt.:
treuen Freund) und hierzulande wird er nicht nur an Weihnachten gerne gegessen.
Bevor er zubereitet
wird, wird der Stockfisch immer im kalten Wasser ein bis drei Tage eingewässert
bevor er weiterverarbeitet wird. Im einwässern liegt das wahre Geheimnis des Babalhau,
denn er sollte hinterher beim Zubereiten weder zu salzig noch zu fade
schmecken.
Manche meinen es gibt
an die 365 verschiedene Zubereitungsarten – so viele wie es Tage im Jahr gibt –
, wieder andere reden von 1001 Rezepte für diesen Fisch und wieder andere
meinen Bacalhau kann auf 10.000 verschiedene Arte und Weisen zubereitet werden.
Fakt ist, das man diesen salzigtrockenen und dann eingeweichten Fisch kochen,
grillen, frittieren und gratinieren kann. Er kommt als Salat, als Vorspeise,
Suppe, Hauptgericht und sogar mancherorts auch als Nachtisch auf den Tisch.
Zwar haben wir
Portugiesen das Trocknen und Salzen von Fisch nicht erfunden, dennoch ist
Bacalhau seit fünf Jahrhunderten fester Bestandteil der portugiesischen Küche.
Da durch den Trocknungsprozess dem Fisch nur das Wasser entzogen wird, bleibt
er nahrhaft und geschmacksvoll.
Die Tradition Kabeljau
(port.: bacalhau / lat.: Gadus morhua) zu salzen, und somit zu konservieren,
begann in Portugal wohl im 10. Jahrhundert.
Damals gründeten
skandinavische Händler mehrere Handelsposten an der iberischen Atlantikküste um
sich mit dem qualitativ sehr guten Salz der Gegend einzudecken, welches sie zum
einlegen ihrer Fische im hohen Norden benutzten.
Wie es scheint, kamen
die Menschen an der portugiesischen Küste Dank der Skandinavier damals mit der
Tradition des Salzfischens in Berührung.
Auch das die Tochter
König Sancho I, Berengaria, im Jahre 1214 den dänischen König Waldemar II
ehelichte, zeigt wie wirtschaftlich eng und kulturell Portugal zu dieser Zeit
mit Skandinavien verbunden war.
Die Geschichte der
Kabeljaufischerei der Portugiesen fand zum ersten Mal im Jahre 1353 vertraglich
Erwähnung, als nämlich der portugiesische König Pedro I und der englische
Monarch Edward II damals in einem Handelsabkommen vereinbarten, das
portugiesische Fischer in englischen Gewässern 50 Jahre lang Kabeljau und
Dorsch frei fischen durften.
Das König Pedro I einen
solchen Vertrag damals mit dem englischen Königreichen abschloss, deutet
daraufhin das die Kabeljaufischerei in Portugal in dieser Zeit bereits nicht
nur etabliert sondern auch sehr verbreitet war.
Aber die
Portugiesischen Fischer fingen den begehrten fettarmen und proteinreichen Fisch
nicht nur vor der englischen Küste, sondern sie legten ihre Netze auch im
Nordatlantik aus.
Seitdem Königin
Berengaria an der Seite ihres Mannes Waldemar II in Dänemark regierte, waren
oftmals Portugiesen mit dänischen Seefahrern in den Nordatlantik mitgereist.
Einer dieser
Portugiesen war der aus der Algarve stammende João
Vaz Corte-Real, der an einer Entdeckungsexpedition des dänischen Königs
Christian I teilnahm, die den Auftrag hatte den abgerissenen Kontakt mit der
ehemaligen dänischen Kolonie Grönland wieder aufzunehmen.
So waren
portugiesischen Fischern die Gewässer um Grönland sehr wohl bekannt. Die
Portugiesen nannten Grönland „Terra dos Bacalhaus“ (dt.: Land des Kabeljaus).
Die Reisen die die
Söhne von João Vaz Corte-Real, Gaspar und Miguel, in
die Neue Welt unternahmen, und bei der sie im Mai des Jahres 1500 neues Land
(port.: Terra Nova / dt.: Neufundland) entdeckten ermöglichte portugiesischen
Fischern, die damals fast alle aus der Hafenstadt Aveiro kamen, neue Fanggründe
des immer wichtiger werdenden Bacalhaus vor Nordamerika.
Für die aufkommenden
portugiesischen Entdeckungsfahrten wurde Bacalhau mit der Zeit unersetzlich.
Als Reiseproviant für die Schiffsbesatzungen und Soldaten der Entdeckungsreisen
nach Indien, Afrika und Südamerika war dieser luftgetrocknete und gesalzene
Fisch unentbehrlich.
Aber
nicht nur bei den Schiffsreisenden war dieses unverderbliche Lebensmittel
wichtig. Auch für die portugiesische Bevölkerung auf dem Festland, vor allem
die im Landesinneren, war Bacalhau das am meisten verbreitete Lebensmittel der
damaligen Zeit, denn er war einerseits unverderblich und nahrhaft und
andererseits war er leicht zu transportieren und schmackhaft.
Laut
einer Chronologie aus dem Jahre 1550 waren damals 150 Boote in Aveiro registriert,
die an der Kabeljau- und Dorschfischerei im Nordatlantik teilnahmen. Die Fischer
von Aveiro brachten ihrer Stadt mit ihren erfolgreichen Fängen im Nordatlantik
einen bis dahin unvorstellbaren Reichtum.
Als der
spanische König Felipe II im Jahre 1580 Portugal besetzte und danach an die
Macht kam, beschlagnahmte er nicht nur alle hochseetaugliche Schiffe der
portugiesischen Marine, sondern auch die gut 150 Kabeljaufischerboote, um diese
nach einem Umbau der spanischen Kriegsflotte zuzuführen.
Als die
Spanische Armada 1588 im Ärmelkanal sang und klanglos unterging, ging auch der
ehemalige große Schiffsverband portugiesischer Bacalhauschiffe unter.
Bis zum
Ende der spanischen Invasion in Portugal im Jahre 1640 gab es keine
Bacalhauflotte mehr.
Für die
nächsten 200 Jahre existierte die portugiesische Kabeljau- und Dorschfischerei
nicht mehr.
Die
Portugiesen mussten in dieser Zeit aber nicht auf den Bacalhau verzichten, denn
dieses damals wie heute sehr beliebte Nahrungsmittel wurde importiert.
Erst Ende
des 18. Jahrhunderts begann man unter Königin Maria I und dem Premierminister Pombal,
eine neue Flotte hochseetüchtiger Kabeljauschiffe zu gründen.
Diese
Flotte, die die „Weiße Flotte Portugals“ (port.: Frota Branca Portuguesa)
genant wurde, bestand im Jahre 1866 immerhin schon wieder aus 23 hochseetauglichen
Fischerbooten.
Aber
trotz der nun wieder existierenden Flotte portugiesischer Kabeljau- und
Dorschfischer, musste der Bedarf an Bacalhau weiterhin in großen Mengen
importiert werden, vor allem aus England, Norwegen und Schweden.
Bis ins
20. Jahrhundert hinein wuchs die „Weiße Flotte“ ständig, so das bereits im
Jahre 1901 die portugiesische Kabeljaufischerei auf 65 Booten mit über
insgesamt 1.400 Mann Besatzung zurückgreifen konnte.
In den
ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wuchs die Flotte weiter, obwohl z.B.
während des Ersten und vor allem des Zweiten Weltkrieges die Kabeljaufischerei
ein risikoreiches Unterfangen war. Während des Zweiten Weltkrieges mussten
portugiesische Kabeljauboote sich nicht nur wie üblich vor dem stürmischen
Wetter und den Eisbergen des Nordmeeres in Acht nehmen, sondern auch vor den verfeindeten
Kriegsparteien.
Zwei
portugiesische Fangboote der „Weißen Flotte“ wurden nachweislich während des
Zweiten Weltkrieges von deutschen U-Booten vor Kanada und Grönland torpediert
und versenkt.
Anfang
der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts führte die kanadische Regierung die
200-Seemeilenzone vor ihrer Küste ein, so das Portugal urplötzlich seiner Kabeljauhauptfanggebiete
beraubt wurde. Dies führte dazu, dass die portugiesische Kabeljaufischerei
schlagartig zurückging und dann völlig zum Erliegen kam.
Als die
„Weiße Flotte“ 1974 nach der Nelkenrevolution aufgelöst wurde, gehörten ihr
immerhin über 23.000 Mann an.
Seit der
Auflösung der „Weißen Flotte“ deckt Portugal seinen Bedarf an Bacalhau bis
heute fast ausschließlich durch Importe.
Und
importierter Fisch ist teuer!
Durch den
weltweiten Rückgang der Kabeljaubestände und durch die strengen Fangquoten die
es dadurch fortan für Kabeljau gab, wurde mit den Jahren aus einem
„Arme-Leute-Fisch“ eine wahre Delikatesse die sich heute hierzulande leider
nicht mehr jeder leisten kann.
Dennoch
werden heute in Portugal jährlich ca. 68 bis 70 Tausend Tonnen Bacalhau verzehrt.
Das ist weltweit der höchste Pro-Kopf-Verbrauch dieses Fisches. Gut 70% des in
Portugal verzehrten Bacalhaus stammt aus Norwegen, auch der, der an Heilig
Abend bei mir zuhause auf den Tisch landen wird!
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