Dienstag, 8. Juli 2014

Die Portugiesen in… São Paulo


Portugal ist bei der Fußball-WM 2014 (port.: Mundial de futebol 2014) in Brasilien bereits in der Vorrunde ausgeschieden.
Nichtsdestotrotz wird in Brasilien weiter Fußball gespielt.
Ich werde hier im „Planet Portugal“ versuchen in nächster Zeit noch den einen oder anderen Austragungsort dieser Fußball-WM in Brasilien vorzustellen. Fast all diese Städte haben eine portugiesische Entstehungsgeschichte und noch heute einen starken portugiesischen Einfluss, so auch die Megacity São Paulo.

São Paulo ist für mich die Stadt mit der größten Persönlichkeit die ich kenne.
Sicherlich, ich kenne Städte die sind schöner, ruhiger, besser gelegen, sauberer und sicherlich konfliktarmer; aber keine von ihnen ist so vielseitig, dynamisch, faszinierend, vorurteilslos, abwechselungsreich und multikulturell wie São Paulo.
São Paulo hat nun einmal zwei Gesichter:
ein friedliches, lebendiges, niveauvolles, kreatives, kosmopolitisches und gleichzeitig auch ein gewalttätiges, gnadenloses und fratzenhaftes.
Diese Stadt polarisiert: entweder man liebt sie oder man hasst sie.
Ich habe mich irgendwann dazu entschieden São Paulo zu lieben!

Im Jahre 1530 beauftragte König João III den Adligen Martim Afonso de Sousa damit, den Süden des 30 Jahre zuvor von Pedro Álvares Cabral neu entdeckten Brasiliens zu kolonialisieren.
Mit einer Flotte von fünf Schiffen und 500 Männer stach Martim Afonso de Sousa im selben Jahr in See und landete zuerst in Pernambuco, im Nordosten des Landes.
Nachdem er dort französische Piraten erfolgreich vertrieben hatte, führte er seine Fahrt an der brasilianischen Küste gen Süden weiter.
Am 22. Januar 1532 gründete er, auf einer dem Festland vorgelagerten Insel, die erste portugiesische Stadt in Brasilien und die erste europäische Siedlung in ganz Südamerika – den kleinen Ort São Vicente.

Im Jahre 1533 machte sich Martim Afonso de Sousa mit dem Abenteurer João Ramalho daran, die hohe Serra do Mar, ein Küstengebirge das die Indios Paranapiacaba nannten und das die Stadt São Vicente und die Küste vom Landesinneren trennte, zu besteigen.
Nach einer beschwerlichen Reise gründeten sie mit einpaar Indios des Stammes der Guaianases auf einer Hochebene, zwischen den Flüssen Anhangabaú, Tieté und Tamanduatei, das Dorf Vila de Piratininga.
Für die nächsten 20 Jahre war Vila de Piratininga nur ein kleiner unscheinbarer Handelsposten in den Bergen, das ab und zu von den Portugiesen auf ihrem Weg von der Küste ins Landesinnere aufgesucht wurde.

Im Januar 1554 machte sich eine Gruppe von zwölf jungen jesuitischen Geistlichen, unter ihnen die Jesuitenpater Manuel da Nobrega, José de Anchieta und Manuel de Paiva, von São Vicente auf den Weg nach Vila de Piratininga, um dort die Indios des Hochlandes im Christentum zu unterweisen.
Dort wo sich heute, Mitten in São Paulo, die Nachbildung des Jesuitenkollegs (port.: Pátio do Colégio) befindet, errichteten sie eine einfache Lehmhütte, in der sie die „Wilden“ fortan bekehrten.
Genau vor dieser Hütte hielt der Jesuitenpater Manuel de Paiva am 25. Januar 1554, dem Paulustag, eine Messe unter freien Himmel ab.
Dieser Gottesdienst gilt als die Geburtsstunde von São Paulo!

Zwei Jahre später errichteten die Jesuiten eine kleine Kirche und eine Ordensschule, einen so genannten Kolleg, den sie am 01. November 1556, dem Allerheiligentag, einweihten. Bis 1560 bauten sie dann die „Confraria da Misericórdia de São Paulo“, ein Krankenhaus, das erste im brasilianischen Hinterland.
Im selben Jahr ließ der Generalgouverneur Brasiliens, Dom Francisco de Sousa, ein Rathaus für die Siedlung bauen und fortan trug diese, auf seinen Erlass hin, den Namen São Paulo de Piratininga und gehörte zur Capitania von São Vicente.

Von 1580 bis 1640 war die portugiesische Krone mit der spanischen offiziell in einer gleichberechtigten Personalunion; offiziell, denn die Realität sah leider anders aus. Nachdem Philipp II von Spanien gewaltsam Portugal besetzte, wurden Portugal und seine Überseegebiete 60 Jahre lang mehr schlecht als recht verwaltet.
Auch Brasilien, und hier ganz besonders das unscheinbare, kleine und arme São Paulo de Piratininga, gerieten während der spanischen Herrschaft über Portugal so gut wie in Vergessenheit.
1640 bestieg João IV, aus dem Hause Bragança, als portugiesischer König den Thron.

Wieder unter portugiesischer Herrschaft, blieb São Paulo de Piratininga zuerst weiterhin die wirtschaftlich unwichtige Stadt die es ehedem war. Die Zuckerrohrplantagen brachten nicht genug ein, und erst der Anbau von Weizen für den Eigenbedarf und für den Export Ende des 17. Jahrhunderts brachte der Stadt so etwas wie einen kleinen wirtschaftlichen Erfolg.

Am 22. März 1681 verlegte Luis Álvares de Castro, der 2. Marquês de Cascais und Gouverneur der Capitania, die Hauptstadt von São Vicente nach São Paulo de Piratininga.
Doch auch als Hauptstadt blieb die Stadt weiterhin die ärmste in ganz Portugiesisch-Amerika.
Am 11. Juli 1711 erhielt São Paulo de Piratininga auf Anordnung von König João V und auf Grund seiner strategisch günstigen Lage zwischen der Küste und den neu eroberten weiten Gebieten in Zentralbrasilien, in denen Gold gefunden worden war, den Status einer Stadt und durfte sich fortan nur São Paulo nennen.

Im Jahre 1723 konnte der Portugiese Francisco de Melo Palheta eine handvoll Samen aus französisch Guyana herausschmuggeln. Es waren ganz besondere Samen, nämlich Kaffeesamen!
Der Anbau von Kaffee war bis dahin fest in französischer und niederländischer Hand gewesen, aber nun wurde er auch von den Portugiesen in Brasilien angebaut. Melo Palheta brachte 1727 den Kaffee auch nach São Paulo und hier im Hochland gedieh er prächtig, so das bereits in den folgenden Jahrzehnten mit der Kaffeeproduktion begonnen wurde. São Paulos Bedeutungslosigkeit sollte sich eines Tages Dank des Kaffees schlagartig ändern und vielen seiner Bürger den langersehnten Reichtum und Wohlstand bringen.

1808 floh die portugiesische Königsfamilie vor den napoleonischen Truppen aus Portugal nach Brasilien.
Königin Maria I und ihr Sohn Prinzregent João, der spätere König João VI, residierten bis 1821 in Rio de Janeiro, der Hauptstadt des Vereinigten Königreiches von Portugal, Brasilien und der Algarve (port.: Reino Unido de Portugal, Brasil e Algarves).
João VI erhob São Paulo zur Hauptstadt der neuen Provinz gleichen Namens.
1821 begab sich König João VI wieder nach Portugal zurück und ließ seinen Sohn Pedro als Regenten in der Kolonie zurück. Dieser proklamierte alsbald die volle Autonomie für Brasilien.
Am 07. September 1822 rief Pedro in São Paulo, am Ufer des Flusses Ipiranga, in einer bewegenden Rede, die Worte:
„Liberdade ou morte“ (dt.: „Unabhängigkeit oder Tod“).
Dieser Schrei, der als „Ruf von Ipiranga“ (port.: „Grito di Ipiranga“) bekannt ist, gilt als die Unabhängigkeitserklärung Brasiliens.
Am 12. Oktober 1822 wurde Pedro als Pedro I zum Kaiser von Brasilien proklamiert und daraufhin am 01. Dezember feierlich in Rio de Janeiro gekrönt.
Nach der Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal endete auch die portugiesische Ära in São Paulo.

Aber, auch wenn São Paulo schon lange nicht mehr unter portugiesischem Einfluss ist – jedenfalls dem politischen – so ist „Sampa“, wie die Stadt auch liebevoll genannt wird, doch eine sehr portugiesische Stadt.
Nirgendwo auf der Welt leben so viele Portugiesen und nirgendwo sind so viele portugiesische Unternehmen niedergelassen wie hier!
Dies sind nur zwei von vielen Superlativen dieser Stadt.

São Paulo ist die größte Stadt des Bundesstaates gleichen Namens, die größte Stadt Brasiliens und die größte Stadt der südlichen Hemisphäre und sie ist das wichtigste Wirtschafts-, Industrie-, Finanz- und Kulturzentrum, nicht nur Brasiliens sondern ganz Südamerikas.

Für mich persönlich ist São Paulo die Stadt der Städte!

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