Donnerstag, 6. Oktober 2011
Die fünf schönsten Liebesbriefe der Welt
Die Stadt Beja, mitten im Alentejo gelegen, kann zwar keine herausragenden Sehenswürdigkeiten präsentieren, doch die Vielzahl der schönen alten Bauten sowie die winkeligen Gassen der Altstadt und die strahlenden weißen Häuser machen Beja zu einem sehenswerten Ort in Portugal.
So nichts sagend Beja einem auf den ersten Blick auch erscheinen mag, umso überraschender ist es da, das ausgerechnet hier, laut Literaturkritikern, die „Fünf schönsten Liebesbriefe der Welt“ geschrieben wurden.
Diese Liebesbriefe, die als „Portugiessiche Briefe“ (port.: Cartas Portuguesas / fr.: Lettres Portugaises) in die klassische Weltliteratur eingegangen sind, wurden 1669 von einer Frau geschrieben, von der man es wohl am wenigstens erwartet.
Sie wurden von der Nonne Mariana Alcoforado an den französischen Marschall Noël Bouton de Chamilly, dem Marquis de Saint-Léger der von 1636 bis 1715 lebte, geschrieben.
Sóror Mariana Alcoforado, wie sie mit vollem Namen hieß, wurde am 02. April 1640, als Tochter des Offiziers Francisco Alcoforado und der vermögenden Leonor Menezes, in Beja geboren. Auf Wunsch ihrer Eltern trat sie schon als kleines Kind in das Kloster Unserer Lieben Frau der Unbefleckten Empfängnis (port.: Convento da Nossa Senhora da Conceição), in ihrer Heimatstadt ein.
Es war sicherlich nicht Marianas Wunsch gewesen dem Kloster beizutreten, aber wie so viele junge Frauen und auch Männer ihrer Zeit, blieb ihr nichts anderes übrig, als dem Willen ihrer Eltern zu folgen.
Sie muss den smarten französischen Offizier Chamilly wohl das erste Mal im Jahre 1665, von dem vergitterten Fenster ihrer Klosterzelle gesehen haben, der dort im Klosterhof mit seinen Kameraden exerzierte.
Einer dieser Kameraden war Luis Alcoforado, der Bruder von Mariana.
Noël Bouton de Chamilly befand sich in Portugal weil er an den Portugiesischen Unabhängigkeitskriegen (port.: Guerra da Restauração) gegen Spanien, unter dem Befehl Friedrichs von Schomberg, einem Waffenfreund des neuen portugiesischen Königs João IV, teilnahm.
Durch ihren Bruder Luis lernen sich Mariana und Chamilly kennen.
Was nicht sein durfte geschah dann doch:
Die Nonne und der Offizier verliebten sich ineinander, wobei die Liebe auf Marianas Seite wohl stärker war als auf seiner.
Ihr verbotenes Verhältnis dauert 3 Jahre lang, bis dann im Jahre 1668 Chamilly plötzlich, unter dem Vorwand sein Bruder sei schwer erkrankt, nach Frankreich zurückreiste.
Beim Abschied versprach er Mariana sie nach Frankreich nachzuholen.
Doch wie es im Volksmund so schön heißt:
„Aus den Augen, aus dem Sinn!“
Chamilly ließ nie wieder etwas von sich hören!
Alleine und verlassen fängt Mariana an, ihre Briefe zu schreiben – zuerst leidenschaftlich und hoffnungsvoll, später unsicher und zuletzt, aus dem Erkenntnis heraus, dass sie für den jungen französischen Adligen nur ein amüsantes Abenteuer gewesen ist, enttäuscht und distanziert.
So entstehen die schon erwähnten fünf Liebesbriefe, die später einen unbeschreiblichen Skandal hervorrufen sollten, sowohl im erzkatholischen Portugal als auch im konventionellen Frankreich.
Wie die Briefe an die Öffentlichkeit kamen ist heute ein Rätsel, aber man geht davon aus, das Chamilly selbst die Briefe in Umlauf brachte, denn er soll, so ist es überliefert, die Briefe amüsiert seinen Freunden vorgelesen haben.
Einer dieser Freunde war der französische Politiker und Übersetzer Gabriel de Guilleragues.
Man vermutet, dass es Guilleragues war, der die heute noch existierenden Briefe damals in französischer Sprache geschrieben hat.
Leider gibt es heute die originalen Briefe von in portugiesischer Sprache nicht mehr. Man nimmt an, dass die von Mariana verfassten Briefe mit den Jahren verloren gingen.
Wie dem auch sei:
Die Briefe wurden, so skandalös sie auch in der damaligen Zeit waren, später zu den schönsten Liebesbriefen der Welt erklärt.
Zahllose nationale und internationale Schriftsteller haben die Briefe übersetzt und neu verfasst.
Die Portugiesen Alexandre Herculano und Camilo Castelo Branco waren zwei von ihnen, die die Briefe neu interpretierten.
Die Deutsche Mathilde Mann übersetzte die Briefe im Jahre 1905 zum ersten Mal in die deutsche Sprache.
Rainer Maria Rilkes übertrug den Text 1913 und im gleichen Jahr wurden die Liebesbriefe auch von Georg Hecht nochmals übersetzt. Eine weitere deutsche Übersetzung erfolgte durch den Schweizer Walter Widmer im Jahre 1945.
In ihrem letzten Brief an Chamilly erwähnt Mariana auch die Möglichkeit, ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen, doch muss es ihr gelungen sein, ihren Kummer zu bewältigen.
Denn sie stirbt erst am 28. Juli 1723, im hohen Alter von 83 Jahren, als Äbtissin in dem Kloster Convento da Nossa Senhora da Conceição, den Kloster den sie ein Leben lang nicht verlassen hat.
In dem erhaltenen Totenschein von ihr heißt es, dass sie sich fünfzig Jahre lang den härtesten Bußübungen unterzogen hat.
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