Freitag, 18. September 2009
Die Taubenhäuser der Terra Fria
Über Jahrhunderte hinweg gehörten kleine, weiß gekalkte Taubenhäuschen fest zum Landschaftsbild von Portugals äußerstem Nordosten, der Terra Fria, in der Provinz Trás-os-Montes. Doch dieses Stück portugiesischer Kulturgeschichte befindet sich heute in akuter Gefahr: Landflucht und EU-Agrarpolitik ließen viele der so charakteristischen Taubenschläge mit den Jahren verfallen. Doch in der Region setzt ein Umdenken ein: Immer mehr Taubenhäuser werden wieder restauriert.
Terra Fria nennen die Portugiesen den Landstrich rund um die Städte Bragança, Vimioso und Miranda do Douro im äußersten Nordosten Portugals. Diese Gegend ist kalt, karg und mühsam zu bewirtschaften - wie schon der Name “Kaltes Land” besagt. Über Jahrhunderte hinweg mussten sich die Bauern der Terra Fria mit einer mühevollen Selbstversorger-Wirtschaft über Wasser halten. Und so war die Taubenhaltung für viele Menschen ein willkommenes Zubrot, die nicht nur den Speisezettel mit zartem Vogelfleisch bereicherte: Ganz nebenbei produzierten die Tauben noch wertvollen Dünger.
Die Ursprünge der Taubenhaltung liegen weit zurück. Vermutlich vor über 5.000 Jahren fingen Menschen im Mittleren Osten an, die Vögel in Taubenschlägen zu halten. In Europa entdeckte man allerdings sehr spät, etwa ab Einsetzen der Renaissance, die Vorzüge von Taubenhäusern. So breiteten sich auch im Nordosten Portugals erst ab dem 19. Jahrhundert die heute als typisch geltenden Taubenhäuschen aus - dann aber in großer Zahl. Heute gibt es in der dünn besiedelten Nordost-Provinz Trás-os-Montes rund 3.500 Taubenschläge aus der Zeit des 19. Jahrhunderts. Anders als in Spanien oder auch in anderen Regionen Portugals sind sich die Taubenhäuser in der Terra Fria in ihrer Baustruktur meistens sehr ähnlich. Von außen sind sie weiß gekalkt, haben meistens eine halbrunde Hufeisenform oder sind quadratisch. Die Häuser, befinden sich zumeist am Dorfrand oder auf Feldern in der Nähe von Siedlungen, und sind größtenteils schmucklos.
Die Funktionsweise ist denkbar einfach. Denn anders als in der normalen Käfighaltung von Vögeln erfordern die Taubenschläge nur wenig Pflege von den Bauern. Die Tauben, die normalerweise in den zerklüfteten Felshöhlen von Trás-os-Montes nisten, werden durch das Futter in den Häuschen angelockt - und bleiben dort. Denn die „Pombais“ (deutsch: Taubenschläge) bieten nicht nur sichere Nahrung, sondern auch Schutz vor natürlichen Feinden der Tauben.
Meist wurden die Taubenhäuser auf felsigem Grund errichtet, so dass sie dem Bauern noch nicht einmal Ackerland wegnahmen. Der Nutzen war dagegen groß, denn die hier gehaltenen Felsentauben (port.: pombo-das-rochas) und Hohltauben (port.: pombo-bravo) eigneten sich nicht nur zum Verzehr. Auf dem Boden der Taubenhäuser sammelte sich der Vogelkot zu einem mineralstoffreichen Dünger, dem „Pombinho“ (deutsch: Täubchen), an.
Die große Zeit der Taubenhaltung währte im Terra Fria nur ein gutes Jahrhundert lang. Seit den 1950er Jahren sank die Zahl der bewirtschafteten Taubenhäuser rapide. Landflucht, künstlicher Dünger und seit Mitte der 80er Jahre auch die neu verteilten Fördermittel der EU-Agrarpolitik sorgten für den Niedergang der Taubenzucht im Nordosten Portugals. Die meisten Häuschen verfielen: Ein Stück Kultur- und Landschaftsgeschichte drohte zu verschwinden.
Doch seit ein paar Jahren wächst wieder das Bewusstsein für die alten Taubenhäuser: Sie sind nicht nur ein Anziehungspunkt für Touristen, sondern auch wichtig für die Bewahrung der Landschaftsgeschichte der Region. Und so ist es ein Glücksfall, dass viele der Taubenhäuser nun wieder liebevoll restauriert werden.
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