Mittwoch, 15. Juli 2009
Von fortschrittlichen Kommunalpolitikern und reaktionären Großvätern
Heute hat der Kommunalpolitiker und Bürgermeister von Lissabon, António Luis Santos da Costa offiziell bekannt gegeben, das er bei den nächsten Kommunalwahlen, die hier in Portugal am 11. Oktober dieses Jahres stattfinden werden, erneut um das Amt des Bürgermeisters der Hauptstadt kandidieren wird.
Ich hatte vor einem Jahr das Vergnügen António Costa persönlich, auf offener Straße, in der Rua do Arsenal, kennen zulernen.
Ich kannte António Costa natürlich schon lange vorher, sowohl von seiner Arbeit als Inneren- und Justizminister, als auch von verschiedenen Fernsehauftritten.
Ich bin, wie mit allen Politikern, nicht 100% mit seiner Politik einverstanden, muss aber zugeben, dass er als Bürgermeister von Lissabon eine gute Arbeit leistet und vieles vorangebracht hat.
António Costa ist 1961 in Lissabon geboren, mütterlicherseits indisch-goanesischer Abstammung, und er ist der Sohn des kommunistischen Schriftstellers Orlando António da Costa und der Journalistin Maria Antónia Assis Santos.
In seinem Lebenslauf führt er die Namen seiner Eltern und seine portugiesisch-indische Abstammung sehr gerne und oft an.
Wen er allerdings in keinem seiner Lebensläufe erwähnt, ist sein Großvater.
Sein Großvater war José Julio da Costa, der 1893 in Garvão im Alentejo geboren wurde.
Seit seiner frühesten Jugend war José Julio da Costa linksradikal eingestellt, was dazu führte das er 1910, als 17 jähriger, an dem Sturz der Monarchie beteiligt war.
Aber nicht die Tatsache dass er als so junger Mann an revolutionären Aktionen teilnahm sollte ihn zu trauriger Berühmtheit führen, sondern eine andere radikale Aktion.
Am 14. Dezember 1918, streckte José Julio da Costa, im Hauptbahnhof Rossio, den Präsidenten der noch jungen Portugiesischen Republik, Sidónio Pais, mit zwei Schüssen nieder.
Der Präsident war dem jungen Costa einfach zu liberal. In Wirklichkeit war Sidónio Pais beim Volk äußerst beliebt und als Politiker sehr fortschrittlich und politisch rechts eingestellt. Dies muss dem jungen, linken, Costa ein Dorn im Auge gewesen sein.
Da die Todesstrafe in Portugal schon seit Jahrzehnten abgeschafft worden war, wurde José Julio da Costa zu lebenslanger Haft verurteilt; und lebenslange Haft bedeutete damals, Anfang des 20. Jahrhunderts, tatsächlich „lebenslang“.
Am 16. März 1946 verstarb Costa, nach 28 Jahren Haft im Hospital Miguel Bombarda, einer Irrenanstalt.
Sein Enkel, der aktuelle Bürgermeister von Lissabon, lässt Fragen zu seinem Großvater in Interviews nicht zu. Als vor Jahren, ein Reporter des Fernsehsenders SIC, bei einem Fernsehinterview es trotzdem wagte António Costa wegen seines Großvaters anzusprechen, stand dieser Wortlos auf, während einer Livesendung, und verließ das Studio.
Natürlich mögen manche solch ein Verhalten als Überreaktion interpretieren.
Aber seien wir doch ehrlich:
Wer von uns würde schon gerne andauernd an seinen Großvater erinnert werden, nur weil dieser ein Mörder war?
Wäre José Julio da Costa nicht der Attentäter gewesen, der er war, würde wahrscheinlich kein Mensch sich heute an ihn erinnern.
Für mich als Lissabonner ist es eigentlich egal, wer der Großvater von António Costa war. Wichtig ist für mich ist nur, wie der Mann gedenkt, meine Heimatstadt zu führen. Und da er einige gute, fortschrittliche und moderne Ideen vorzuweisen hat (ich stelle mir jetzt die Frage, was wohl sein Großvater zu seiner Politik sagen würde?) wünsche ich ihm für seine Wiederwahl einfach nur viel Glück!
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