Das reizvoll in der
mittelportugiesischen Landschaft Ribatejo, unweit nördlich vom Tejo, am Fluss
Nabão gelegene Städtchen Tomar hat knapp
41.000 Einwohner und ist vor allem wegen seines mächtigen Ordenskloster der
Christusritter, das seit 1983 UNESCO-Weltkulturerbe ist, bekannt.
Das Flüsschen Nabão teilt das recht ansprechende Städtchen in einen
westlichen und einen östlichen Teil.
Das historische
Zentrum befindet sich westlich des Flusses,
rund um die Praça da República.
An diesem zentralen
Platz, an dem ein Denkmal für den Stadtgründer Gualdim Pais steht, befindet
sich die um 1490 erbaute Kirche São João Baptista mit
ihrem wunderschönen, zierlichen manuelistischen Portal.
Vor dieser Kirche beginnt
das nur alle vier Jahre stattfindende größte Stadtfest von Tomar, die „Festa
dos Tabuleiros“ (port.: Fest der Präsentierplatten), mit einem traditionellen Volksfestumzug.
Bei dieser religiösen
Prozession ziehen weißgekleidete Mädchen und Frauen durch die Straßen der
Altstadt und balancieren auf ihren Köpfen hohe Präsentierplatten (port.:
tabuleiros), auf denen sich immer 30 Brotlaibe türmen, die mit Ähren, bunten Papierblumen,
Klatschmohn und Weinlaub geschmückt sind. Jeder „tabuleiro“ hat in der Regel
die Höhe des Mädchens, das ihn auf den Kopf trägt.
Mit diesem Fest soll
an die Zeremonie erinnert werden, mit der im 14. Jahrhundert vom
Heilig-Geist-Orden Lebensmittel bei Prozessionen an die Armen verteilt wurden.
Etwas südlich von der
Praça da República steht die aus dem 15. Jahrhundert stammende alte Synagoge im
alten Judenviertel (port.: judiaria), indem sich das kleine jüdische Museum Abraão Zacuto (port.: Museu Luso-Hebraico Abraão Zacuto) befindet, das nach Abraham ben Samuel
Zacuto, dem jüdischen Astronomen von König João II,
benannt ist. Tomar gehört heute, auf Grund seiner jüdischen Geschichte, der
„Rede de Judiarias“ an, einer Gruppe von historischen portugiesischen Stätten
mit ehemals bedeutenden jüdischen Gemeinden, zu denen z.B. auch die Städte
Belmonte, Évora, Lamego und Trancoso gehören.
Östlich
von der Synagoge überquert die Ponte Velha (port.: Alte Brücke) den Rio Nabão.
In einer Sandbank des
Flusses wurde der hübsche Park do Mouchão angelegt,
in dessen Umgebung sich die Kirche Igreja de Santa Maria do Olival befindet,
die lange Zeit Sitz des großen Ordenskapitels und Mutterkirche aller
Ordenskirchen in Portugal und all seinen Kolonien war. Das Innere der
ehemaligen Templerkirche entstammt überwiegend aus der Renaissancezeit und in
ihr befinden sich die Gräber zahlreicher Ordensmeister und Ritter, auch das des
Großmeisters und Stadtgründers Gualdim Pais.
Unweit der Kirche
Igreja de Santa Maria do Olival führt, an der alten Kapelle Eremida de Nossa
Senhora da Conceição vorbei, eine kurvenreiche
Straße hinauf zur Christusritterordensburg (port.: Convento da Ordem de
Cristo), der wohl bedeutendsten Sehenswürdigkeit der Stadt Tomar.
Der
Christusritterorden (port.: Ordem de cavalharia de Nosso Senhor Jesus Cristo)
wurde einstmals von den Templern zur „Verteidigung des Glaubens und zur
Bekämpfung der Mauren“ als Templerorden im Jahre 1118 infolge des Ersten
Kreuzzuges gegründet. Der Templerorden war der erste Orden der die bis dahin
streng getrennten Stände der Mönche und Ritter miteinander verband.
Im Jahre 1159
siedelte sich der Templerorden unter seinem vierten Großmeister Gualdim Pais,
einem Ritter der mit König Afonso Henriques in der Schlacht von Ourique gegen
die Mauren gekämpft hatte, in Portugal an.
Gualdim Pais war es
dann auch der ein Jahr drauf, 1160, hoch über dem rechten Ufer des Nabão eine Burg erbauen ließ – dies war die
Geburtsstunde von Tomar.
Im Jahre 1312 wurde
der Orden durch fadenscheinigen Anschuldungen des französischen Königs Philipp
IV von Papst Clemens V aufgelöst und verboten.
Nach dem päpstlichen Verbot
des Templerordens, der auch in Portugal befolgt werden musste, gründete im
Jahre 1317 der portugiesische König Dinis den Christusritterorden. Vor allem französische
Mitglieder des verbotenen Templerordens die vor König Philipp IV nach Portugal
geflohen waren fanden in dem neuen Orden Zuflucht. Recht schnell erlangte der
Christusritterorden an Bedeutung und vor allem unter den späteren Großmeistern
Heinrich dem Seefahrer (port.: Henrique o Navegador) und König Manuel I hatte
der Orden seine Glanzzeit.
Mit Mitteln des
Ordens – die Güter und Reichtümer des ehemaligen Templerordens waren fast alle
auf den Christusritterorden übertragen worden – wurden Entdeckungsexpeditionen
an die Westküste Afrikas entsandt und damit die Kolonialerwerbung der
europäischen Völker eingeleitet. Unter König Manuel I, Großmeister ab 1484,
bildeten die Christusritter mit ihren Besitzungen in Afrika und Ostindien den
reichsten Orden der Christenheit.
Die hoch über Tomar
thronende Christusritterordensburg besteht heute aus mehreren stattlichen
Bauten des 12. bis 17. Jahrhunderts, von dem einer der wichtigsten wohl die
zinnengekrönte achteckige Templerkirche ist, mit deren Bau im Jahre 1162
begonnen und die nach dem Vorbild der Grabeskirche in Jerusalem errichtet wurde.
Der überreiche Innenschmuck dieser Kirche – vergoldete Holzschnitzereien,
Fresken und Statuen – stammt fast ausnahmslos aus dem 16. Jahrhundert.
Die an die
Templerkirche angrenzende Christusritterkirche, mit deren Bau 1515 nach Plänen
von João de Castilho – dem Baumeister der später auch
am Hieronymuskloster in Lissabon und dem Kloster von Batalha mitgewirkt hat – begonnen
wurde, gilt als eines der hervorragendsten Baudenkmäler manuelistischen Stils
in Portugal. Das Äußere der Kirche ist über und über mit Schmuckwerk und
Statuen beladen und vor allem das weltberühmte prunkvolle „Fenster von Tomar“
(port.: Janela de Tomar) des alten Kapitelsaals zeigt den manuelistischen Stil
in seiner schönsten Vollendung.
Die
Prachtentfaltung der Templerburg drückt sich ohne Zweifel vor allem in der
Architektur der insgesamt acht Kreuzgänge (port.: claustros) aus, die man hier
findet.
Da wäre
zum einen der älteste Kreuzgang der Templerburg, der Claustro do Cemitério
(dt.: Friedhofskreuzgang), der aus der Zeit des Großmeisters Heinrich dem
Seefahrer stammt und mit wunderschönen Fliesen im Mudejarstil ausgestattet ist.
In diesem Kreuzgang wurden einstmals traditionell die Ritter und Mönche des
Christusordens bestattet.
Östlich
neben dem Friedhofskreuzgang befindet sich der zweistöckige Claustro da Lavagem
(dt.: Kreuzgang der Waschungen), ein weiterer Kreuzgang aus der Zeit des
Großmeisters Heinrich des Seefahrers. In ihm fanden früher immer die religiösen
Waschungen der Rittermönche statt.
Ein
weiterer Kreuzgang der Templerburg ist der Claustro da Hospedaria (dt.: Kreuzgang
der Beherbergung). Wie der Name schon andeutet war dieser Kreuzgang dazu
bestimmt, die Personen zu beherbergen, die damals das Kloster als Besucher aufsuchten
und dort verweilten.
In der
Vorhalle des vom Architekten João de Castilho erbauten Claustro da Micha (dt.: Kreuzgang
des Brotes) wurde einstmals das Brot an die Armen verteilt.
Der Claustro
dos Corvos (dt.: Kreuzgang der Raben), der früher die Klosterküche beherbergte,
ist der einzige Kreuzgang der Mönchsburganlage mit einem Garten.
Ein
anderer Kreuzgang auf der Klosterburg ist der überaus prachtvolle Bau des Claustro dos Filipes (dt.: Philippkreuzgang).
Der Kreuzgang verfügt über zwei Stockwerke und von der Terrasse hat man einen
grandiosen Überblick über die gesamte Klosteranlage. Hier im Claustro dos
Filipes wurde im Jahre 1580 der spanische Monarch Felipe II als Filipe I zum
König von Portugal gekrönt.
Vom
Claustro dos Filipes gelangt man in den Claustro de Santa Barbara (dt.:
Sankt-Barbara-Kreuzgang). Dieser kleine Kreuzgang wurde im Auftrag von König
Manuel I im Stil der Frührenaissance erschaffen. Von der Terrasse dieses zweistöckigen
Kreuzganges hat man den besten Nahblick auf das schon erwähnte prächtige
manuelistische Fenster des Kapitelsaals der Christuskirche.
Das
Fenster wird von zwei mächtigen Strebepfeilern, Tauwerk, Knoten, Bändern und
vielem anderem, vor allem mit dem Motiv Meer verbundenem steinernem Schmuckwerk
umgeben. Das portugiesische Wappen oberhalb des Fensters überragt heute noch
das Kreuz der Christusritter.
Ein
weiterer Kreuzgang ist der Claustro de João III (dt.: Kreuzgang von João III).
Der Bau dieses Kreuzganges wurde unter König João III begonnen und erst unter
dem Spanier Felipe II, der gleichzeitig auch König von Portugal war, und seinen
Lieblingsarchitekten Filippo Terzi beendet. Filippo Terzi war auch der Baumeister
der 6 km langen Wasserleitung Aqueduto dos Pegões, der die Klosterburg und die
Stadt mit Wasser versorgte.
Im Jahre 1523 wurde
der Christusritterorden auf Befehl von König João III
zu einem reinen Mönchsorden. Die politische Bedeutung des Ordens nahm in
den folgenden Jahrhunderten rapide ab, bis er im Zuge der Säkularisierung,
aufgelöst wurde.
Der religiöse Orden
wurde zwar aufgegeben, aber der Christusorden besteht seit 1834 als politische
Auszeichnung für verschiedene Verdienste heute immer noch und ist der höchste
Verdienstorden den Portugal aktuell zu vergeben hat.
Deutsche Träger des
portugiesischen Christusordens waren und sind u. a. Alexander von Humboldt, Konrad
Adenauer, Heinrich von Brentano, Gerhard Schröder und Hans-Diedrich Genscher.
Tomar ist zu jeder
Jahreszeit einen Besuch wert.
Aber vor allem jetzt
im Frühsommer, wenn es überall in der Stadt blüht und duftet, ist die Stadt am
Ufer des Rio Nabão ein wundervolles Erlebnis für
Augen und Sinne.
Dieses Jahr findet
vom 04. bis zum 13. Juni das nur alle vier Jahre stattfindende und hier am
Anfang dieses Textes schon erwähnte berühmte Stadtfest „Festa dos Tabuleiros“
statt, eine Festivität voll religiösem Brauchtum, geschichtlicher Tradition und
gut gelaunten Menschen jeden Alters.
Zum Abschluss ein
Link von den Festlichkeiten der letzten „Festa dos Tabuleiros“ im Jahre 2011, aufgenommen
von dem von mir sehr geschätzten Antonio Rovisco:
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