Montag, 9. Juni 2014

Setubal


Die an der breiten Mündungsbucht des Flusses Rio Sado gelegene Industrie- und Distrikthauptstadt Setúbal hat den drittgrößten Hafen Portugals und ist Standort bedeutender Fischkonservenfabriken, Werften, Automobilmontagewerken und Salinen.
Die Stadt, die etwa 30 km von der Hauptstadt Lissabon entfernt in der historischen Landschaft Estremadura liegt, entstand vermutlich im 5. Jahrhundert anstelle der weiter südöstlich auf der Halbinsel Troia gelegenen und durch eine Flutkatastrophe vernichtenden römischen Stadt „Cetobriga“. Aber schon Kelten und Phönizier siedelten lange vor den Römern hier an dieser Stelle und lebten vor allem von der damals schon sehr lukrativen Salzgewinnung.

Um 700 n. Chr. siedelten die arabischen Mauren sich in und um Setúbal an, und blieben hier bis ins 13. Jahrhundert hinein.
Erst 1227 eroberte der portugiesische König Afonso II, mit Hilfe von Kreuzrittern die auf dem Weg nach Palästina waren, die Stadt von den Arabern.

Nach der Eroberung durch die Christen wurde Setúbal zunehmend zur wichtigen Hafenstadt, so wichtig, das die Stadt ab 1343 mit einer Stadtmauer befestigt wurde.
Später, zu Zeiten der Eroberungen von Heinrich dem Seefahrer (port.: Henrique o Navegador), wurde Setúbal noch wichtiger und die See- und Kaufleute der Stadt brachten es zu stattlichem Reichtum.
Im 15. Jahrhundert war Setúbal unter König João II sogar vorübergehend königliche Residenzstadt.
Von hier aus stach König Afonso V mit einer 25.000 Mann starken Armee im Jahre 1458 in See, um die strategisch bedeutsame arabische Kleinstadt Alcacer Ceguer (marok.: Ksar es-Seghir) an der Straße von Gibraltar zu erobern – was ihm auch gelang.
Afonso V hatte die Idee von Alcacer Ceguer aus ganz Nordafrika zu erobern, eine Idee, die sich später konkretisierte und Portugal zur ersten Seefahrernation der Welt machte.

Dank seines milden Klimas und seiner reizvollen Umgebung war Setúbal vom 16. bis 18. Jahrhundert ein bevorzugtes Gebiet für den Adel und das vom Salzhandel reich gewordene Bürgertum. Hier ließen sie sich ihre Landhäuser und Wochenendpaläste bauen.
Das große Erdbeben vom 01. November 1755 vernichtete nicht nur Lissabon, sondern zerstörte auch fast völlig Setúbal.
Am 19. April 1860 erhielt Setúbal durch König Pedro V seine Stadtrechte.
Drei Jahre später, 1863, wurde Setúbal mit einer Bahnstrecke an die Stadt Barreiro angeschlossen. Diese Bahnverbindung machte Setúbal zu einem wichtigen industriellen Zentrum Portugals – und dies ist es bis heute geblieben.

Für eine Industriestadt besitzt Setúbal ein durchaus ansprechendes Ortsbild.
Entlang des Rio Sado ziehen sich der Güter-, der Yacht- und der Fischerhafen – hier geht es jeden Morgen nach dem Einlaufen der Fischerboote und bei der anschließenden Fischauktion sehr lebhaft zu.
Nördlich vom Fischerhafen verläuft in Ost-West-Richtung eine der Hauptverkehrsachsen der Stadt, die nach der gefeierten Sängerin Luisa Todi benannte Avenida de Luisa Todi.
Jenseits dieser Avenida erstreckt sich die noch recht stimmungsvolle, unter Denkmalschutz stehende Altstadt, in der sich die wenigen vom großen Erbeben des Jahres 1755 verschont gebliebenen Sehenswürdigkeiten befinden.

Mittelpunkt ist hier der Platz Praça do Bocage mit einem Standbild des Satirikers und Literaten Manuel Maria de Barbosa du Bocage, dem bekanntesten Sohn der Stadt, der hier 1775 das Licht der Welt erblickte.
In der nahen Rua de São Domingo steht das Geburtshaus von Bocage, das ein kleines Museum über das Leben und das große Werk dieses portugiesischen Dichters beherbergt.
Das Museu Bocage ist eine der drei Außenstellen des Stadtmuseums von Setúbal (port.: Museu da Cidade de Setúbal), das im altehrwürdigen Kloster Convento de Jesus untergebracht ist.

Das ehemalige Franziskanerkloster sowie die Kirche de Jesus sind die in Portugal ersten im manuelistischen Stil errichteten Sakralbauten.
Mit den Arbeiten an Kirche und Kloster begann man im Jahre 1491 unter der Leitung des französischstämmigen Baumeisters Diogo Boytaca, der später durch den Bau der Klöster Batalha und Belém zu Ruhm kam.
Von außen präsentiert sich die dreischiffige Hallenkirche relativ schmucklos. Doch Innen beeindrucken das imposante Sterngewölbe im Chor sowie die einzigartigen Azulejo-Darstellungen aus dem Leben der Jungfrau Maria.
Wie schon erwähnt ist in den Räumen des an die Kirche grenzenden ehemaligen Klosters, sowie in dem aus Arrábidamarmor errichteten Kreuzgang aus dem 17. Jahrhundert, das Städtische Museum untergebracht. Zu seinen Exponaten gehören Gemälde portugiesischer, flämischer und katalanischer Meister sowie archäologische Funde aus dem Gebiet um Setúbal.

Zwei andere sehr sehenswerte Gotteshäuser in der Altstadt von Setúbal sind zum einen die ursprünglich aus dem 16. Jahrhundert stammende Kirche São Julião (port.: Igreja de São Julião) mit seinen zwei manuelistischen Portalen, und zum anderen die besuchenswerte Kirche Igreja de Santa Maria da Graça, eine sehr üppig verzierte und reich vergoldete Kirche aus dem 13. Jahrhundert.

Außer dem Stadtmuseum im Jesuitenkloster und dem Museum im Geburtshaus von Bocage gibt es noch das eine oder andere sehr besuchenswerte Museum in der Stadt Setúbal.

Da ist zum einen das Ozeanografische und Fischereimuseum Luiz Saldanha (port.: Museu Oceanográfico e de Pescas Luiz Saldanha) an der Avenida de Luisa Todi, das eine bedeutende Sammlung seltener Schwammarten und sonstiger Meeresbewohner bewahrt, das vor allem von dem portugiesischen Meeresbiologen Luiz Vieira Caldas Saldanha zusammengetragen wurde.

Benachbart ist das Archäologie- und Völkerkundemuseum (port.: Museu de Arqueologia e Etnologia). Ausgestellt werden hier u.a. Geräte und Werkzeuge, die in der Landwirtschaft und in der Fischerei rund um Setúbal eingesetzt wurden, sowie einige alte Bootsmodelle. An das Museum ist eine respektable Fachbibliothek mit über 5.000 Bänden angeschlossen.

Im Geburtshaus der Opernsängerin Luisa Todi in der gleichnamigen Avenida ist ein kleines Museum untergebracht, das sich dem Künstlerleben einer der größten Operndivas ihrer Zeit widmet (bitte lesen sie hierzu auch meinen Blogeintrag „Luisa Todi – die Sängerin aller Jahrhunderte“, vom 25. November 2012)

Andere sehenswerte Museen in Setúbal sind:

- das Museu Casa Sebastião da Gama (dt.: Museum Sebastião da Gama), ein kleines Museum das sich dem Leben und Werk des Lyrikers und Pädagogen Sebastião da Gama widmet

- das Museu do Trabalho Michel Giacometti (dt. : Museum der Arbeit Michel Giacometti), das nach dem französischen Ethnologen Michel Giacometti benannt ist und in dem sich eine große Sammlung landwirtschaftlicher Alltagsgegenstände befindet, die Giacometti zu Lebzeiten zusammengetragen hat

- und das Museu do Barroco (dt.: Barrokmuseum) in der Casa do Corpo Santo

Im Westen der Stadt Setúbal erhebt sich an der linken Uferseite des Sado die Festung Castelo de São Filipe.
Die Burganlage wurde Ende des 16. Jahrhunderts von dem italienischen Festungsbaumeister Filippo Terzi auf Anordnung des spanischen Königs Filipe II errichtet, der gleichzeitig als Filipe I über Portugal herrschte. Von hier aus hat man einen grandiosen Blick über die Stadt Setúbal, den Sado und den Atlantik.
In einem Teil der Burganlage ist heute eine Pousada untergebracht.

Die Umgebung von Setúbal hat vieles zu bieten:
stille Meeresbuchten, ein prächtiges Mittelgebirge und den wunderschönen Naturpark Serra da Arrábida, mit zahlreichen endemischen Arten, die nur hier beheimatet sind.

Aber, das schönste was der Distrikt Setúbal seinen Besuchern zu bieten hat, sind wohl seine sauberen Strände!
Mit der Auto- oder der Personenfähre fährt man z.B. von der Anlegestelle an der Praça da República zur Praia de Troia, einer Halbinsel mit Dünen, Wald und einem herrlichen Sandstrand. Hier ließen sich einst die Phönizier nieder, und die Römer gründeten später an gleicher Stelle einen Ort Namens „Cetobriga“, der später von einem riesigen Tsunami zerstört wurde.
Andere besuchenswerte Strände im Großraum von Setúbal sind:

- Praia do Portinho da Arrábida
- Praia dos Galapos
- Praia da Figueirinha
- Praia de Albarquel
- Praia da Maria Esguelha

Der berühmte dänische Dichter und Märchenerzähler Hans Christian Andersen hat einmal, nachdem er im Jahre 1866 für einige Tage in Setúbal verweilte, geschrieben die Stadt „sei ein irdisches Paradies“ (lesen sie bitte hierzu auch meinen Blogeintrag „Schwer von Freunden fällt der Abschied“, vom 09. Juli 2009).
Nun, ob Andersen das heute noch so sagen würde, bleibt mal dahingestellt, denn Setúbal ist, wie schon erwähnt, heute eine hektische Industrie- und Arbeiterstadt, wie es sie so viele auf der Welt gibt.
Dennoch kann man in gewissen Ecken und manchen verwinkelnden Gassen sicherlich den Charme der vergangenen Tage spüren, den diese Stadt einmal sicherlich gehabt hat.
Man muss diesen Charme in Setúbal nur suchen!...

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